Kirchlicher Arbeitgeber – Entschädigungsanspruch einer konfessionslosen Bewerberin

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.01.2014

Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen, darf ein kirchlicher Arbeitgeber von Bewerbern eine konfessionelle Bindung verlangen? Um diese hoch umstrittene Frage ging es in einem vor kurzem ergangenen Urteil des ArbG Berlin (vom 18.12.2013 – 54 Ca 6322/13). Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung ist hier das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das im Lichte des Europäischen Unionsrechts auszulegen ist. Der Blick fällt vor allem auf § 9 AGG, der eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften (und ihren Einrichtungen) für zulässig erklärt, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Im Fall des ArbG Berlin hatte eine Einrichtung der Evangelischen Kirche eine Stelle für einen Referenten/eine Referentin ausgeschrieben, um einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung der Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen durch Deutschland erstellen zu lassen. In der Stellenausschreibung wurden entsprechend den kirchlichen Bestimmungen die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehörenden Kirche sowie die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt. Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Kirche ist, bewarb sich erfolglos um die Stelle; sie wurde zu einem Vorstellungsgespräch nicht eingeladen. Mit ihrer Klage hat sie Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach § 15 Abs. 2 AGG begehrt. Vor dem ArbG Berlin hat sie nun recht bekommen. Die beklagte kirchliche Einrichtung wurde zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verurteilt. Der Beklagte dürfe eine Einstellung von einer Kirchenmitgliedschaft nur abhängig machen, wenn es sich um eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ handele. Dies könne in Bezug auf die hier fragliche Referententätigkeit nicht festgestellt werden. Das Thema „Antirassismus“ sei zwar auch nach „religiösen und diakonischen Wertvorstellungen“ von Bedeutung; eine Religionszugehörigkeit sei für die ausgeschriebene Tätigkeit jedoch nicht erforderlich. Der Beklagte könne sich in Bezug auf die Besetzung der Stelle nicht auf das nach Art. 140 Grundgesetz (GG) garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen berufen; eine nach § 9 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion liege nicht vor. Letzteres dürfte sicherlich Widerspruch hervorrufen. Nur gestufte Loyalitätspflichten im kirchlichen Dienst als europarechtlich und diskriminierungsrechtlich als zulässig anzuerkennen, wäre eine fragwürdige Beschneidung der Rechtsposition der Kirchen. Denn welche Loyalitätsanforderungen für den kirchlichen Dienst gelten, entscheiden – in Einklang mit ihrem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht – weiterhin die Kirchen, nicht der weltliche Richter. Von daher wäre eine Überprüfung in der Berufungsinstanz wünschenswert. Die Sprecherin der Diakonie Deutschland deutet bereits an, dass man nach Auswertung der noch nicht vorliegenden Entscheidungsgründe über eine Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg nachdenken werde. Ggf. wird das LAG auch eine Aussetzung des Verfahrens verbunden mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu erwägen haben. 

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4 Kommentare

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Dann hätte ich (Atheist) mich letztes Jahr wohl doch beim einzigen Gymnasium der Stadt Espelkamp bewerben sollen. Die haben ausdrücklich gesagt, dass sie nur Evangelische einstellen, aber für das Fach Mathematik scheint mir das kaum eine "gerechtfertigte berufliche Anforderung" zu sein, zumal natürlich nicht alle Schüler evangelisch sind.

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@ Hans: Für das Fach Mathematik vermutlich nicht. Über das Stadium, dass es weltliche und göttliche Mathematik geben könnte sind wir mittlerweile hinaus. Allerdings finde ich die Vorstellung von Lehrerinnen und Lehrern als wandelnde Lehrbücher befremdlich. Es gibt neben dem Bildungs- nämlich noch den Erziehungsauftrag. Und da spielt es natürlich schon eine Rolle, was für ein Mensch hinter dem Studienabschluss steht.

 

Zum eigentlichen Thema: Finde ich richtig. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften besteht nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze. Diesen Schranken sollte man stärker Geltung verleihen. Auch die Kirche ist kein rechtsfreier Raum.

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Das Urteil finde ich nicht richtig. Ich bin ebenfalls konfessionslos und auch nicht religiös erzogen worden. Daher würde ich nie auf die Idee kommen, mich ausgerechnet bei einer kirchlichen Einrichtung zu bewerben. Es ist dann geradezu dreist, auch noch eine Entschädigung zu verlangen, weil der Arbeitgeber - wie zu erwarten war - eben einen sehr großen Wert auf eine bestimmte Konfession legt.

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stoffels schrieb:
 Denn welche Loyalitätsanforderungen für den kirchlichen Dienst gelten, entscheiden – in Einklang mit ihrem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht – weiterhin die Kirchen, nicht der weltliche Richter. 
Falsch.

Art. 140 GG: Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.

Ein solches Gesetz ist das AGG, das ausdrücklich eine Überprüfung zulässt, ob die von der Religionsgemeinschaft behauptete "gerechtfertigte berufliche Anforderung" vorliegt.

Folgt man der Argumentation des Herrn Prof., wäre die gesamte kirchliche Selbstverwaltung jedweder Überprüfung durch den Rechtsstaat ausgeschlossen. Dann können wir auch gleich die Scharia einführen.

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