Widerruf gerichtlicher Vergleiche?

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 02.12.2014

Nach § 312 Abs. 4 BGB gilt das Widerrufsrecht bei Vebraucherverträgen auch für Verträge über die Vermietung von Wohnraum. Dazu zählen auch Änderungen des Mietvertrages. Solche Änderungen werden gerne anlässlich von Rechtsstreitigkeiten herbeigeführt. Bestes Beispiel: Streitigkeiten über den Umfang der umlegbaren Betriebskosten. In derartigen Prozessen werden oft Vegleiche der Art geschlossen, dass der Mieter nur einen Teil der Nachforderug begleichen muss und im Gegenzug die umlegbaren Betriebskosten für die Zukunft festgeschrieben werden.

Diese Vertragsänderung unterliegt dem Widerruf nach §§ 312g, 355 BGB, wenn sie außergerichtlich erfolgt. Ausnahme: die Vereinbarung wird bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien in den Geschäftsräumen des Vermieters geschlossen, § 312b Abs. 2 BGB. Ein Widerrufsrecht ist ebenfalls nicht gegeben, wenn die Vertragsänderung notariell beurkundet wird, § 312g Abs. 2 Nr. 13 BGB, was im konkreten Beispiel eher selten vorkommt. Nach § 127a BGB steht der in einem Protokoll nach den § 159 ff. ZPO dokumentierte Vergleich der notariellen Beurkung aber gleich. Deshalb muss der Vermieter im Rahmen eines protokollierten Vergleichs keine Widerrufsbelehrung erteilen.

Ob das aber für den Vergleich gilt, der im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, ist streitig (vgl. einerseits Palandt/Ellenberger, § 127a BGB Rz. 2 m.w.N.; andererseits MünchKomm/Prüttimg, § 278 ZPO Rz. 40 m.w.N.), wobei sich beide Meinungen auf obergerichtliche Rechtsprechung berufen können (für Palandt: BAG v. 23.11.2006 - 6 AZR 394/06, NJW 2007, 1831; für MünchKomm: OLG Celle v. 19.6.2013 - 4 W 65/13, NJW 2013, 2979).

Für den Rechtsanwalt, der den sichersten Weg gehen will, bedeutet das: keine Vergleiche nach § 278 Abs. 6 ZPO, wenn Vertragsänderungen geregelt werden. Immerhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass ansonsten eine Widerrufsfrist von zwölf Monaten und vierzehn Tage besteht, § 356 Abs. 3 BGB

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3 Kommentare

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Ein solches Widerrufsrecht käme nur in Betracht, wenn man einen über § 278 Abs. 6 ZPO geschlossenen Vergleich als "Fernabsatzgeschäft" iSv § 312c BGB ansieht. Damit tue ich mich allerdings etwas schwer. Der Abschluss erfolgt zwar über "Fernkommunikationsmittel", aber ich sehe kein "für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem" iSv § 312c Abs. 1 BGB.

Ein Widerrufsrecht (direkt) aus §§ 312b, 312g BGB würde voraussetzen, dass es sich um einen "außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag" iSv § 312b BGB handelt. Das ist nicht der Fall, keine der in § 312b Abs. 1 Nr. 1-4 geregelten Situationen ist hier einschlägig.

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Das Gericht ist kein Geschäftsraum i.S.v. § 312b Abs. 2 BGB. Also liegt § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB vor.

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§ 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt "gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers" voraus. Diese Voraussetzung ist in den Fällen des § 278 Abs. 6 ZPO wohl kaum erfüllt. Im Übrigen kommt es bei einem Vertretergeschäft auf die Person des Vertretenen an. Soweit der Vergleich durch einen Anwalt geschlossen wird, ist dieser kein Verbraucher.

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