"Terror": Verfilmung des viel diskutierten Theaterstücks von Ferdinand von Schirach am 17.Oktober als multimediales und interaktives Ereignis im Ersten
von , veröffentlicht am 02.10.2016In den vergangenen beiden Jahren stand das Justizdrama „Terror“ von Ferdinand von Schirach auf dem Spielplan von 51 deutschsprachigen Bühnen. Premieren im Ausland haben stattgefunden und weitere sind geplant u.a. in Tel Aviv und Budapest.
Im Stück findet eine Verhandlung vor dem Schwurgericht statt. Unter Mordanklage steht der Pilot eines Kampfjets der Bundeswehr. Eigenmächtig wie auch in voller Kenntnis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz hat er entschieden, ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abzuschießen, das Kurs auf die Fußballarena in München genommen hatte. Dort findet an diesem Abend vor 70.000 Zuschauern das ausverkaufte Länderspiel Deutschland gegen England statt. Für den Familienvater ist klar, dass er als Soldat im Kampf gegen den Terrorismus nicht anders handeln konnte. Ist er nun ein Held oder ein Mörder? Staatsanwaltschaft und Verteidigung tragen verschiedene Argumentationsslinien vor. Am Ende sind die Zuschauer als Schöffen gefordert, ein Urteil zu sprechen.
Der hochkarätig besetzte Film (Trailer) wird am 17. Oktober um 20:15 Uhr zeitgleich im Ersten, im ORF und im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt. Das ganz Besondere an diesem Fernsehabend ist, dass der Zuschauer im Anschluss an die Schlussplädoyers in einer multimedialen Abstimmung aufgefordert ist, über Schuld oder Unschuld zu urteilen. Damit wird die Idee von Fernsehen als gesellschaftliches Diskursmedium konkret erprobt. Die Abstimmungsergebnisse in den verschiedenen Ländern können direkt miteinander verglichen werden.
Frank Plasberg wird in seiner anschließenden Sendung „hart aber fair“ das Urteil mit seinen Experten erörtern und es in Bezug zur Wirklichkeit setzen.
In den nächsten Tagen will ich mich um eine Möglichkeit bemühen, dass wir vielleicht auch im Blog abstimmen können. – Und dann sollten wir jedenfalls nach dem 17. Oktober diskutieren, wie sich der Staat gegenüber seinen Bürgern in Notstandssituationen (Stichwort: der Fall Daschner) verhalten soll. Das BVerfG hat zwar entschieden, aber die Diskussion über die fundamentale Frage hält an.
Bild: ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Terjung
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150 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenRA Dr. iur. Mic... kommentiert am Permanenter Link
Natürlich fühle ich mich aufgerufen, mich nach der von mir erstrittenen Grundsatzentscheidung des EGMR Urt. Große Kammer G.v. Germany 22978/15 vom 01.06.2010 zu Wort zu melden. Erinnern wir uns: Die jahrelange Diskussion im Vorfeld dieses Urteils und der Beschluss des vorausgehenden Urteils des LG Frankfurt - Schwurgericht - zur Ablehnung eines Prozesshindernisses (welcher die Abwägungsfrage thematisierte) standen unter dem unmittelbaren Eindruck des 11.9.2001. Meine Meinung zu dem Theaterstück ist zwiespältig: Einerseits ist es sicherlich gut, dass die Thematik wieder beleuchtet wird. Blickt man in die alten Aufsätze, so zeigt sich, wie notwendig dies ist: In großer Selbsverständlichkeit wurde durch Autoren wie Erb die Legitimität der "Rettungsfolter" mit Verve verfochten. Der EGMR postulierte sodann die Unverbrüchlichkeit und Abwägungsfestigkeit des Foterverbots unter Artt. 3, 15 GG. Andererseits muss ich (der ich das Theaterstück noch nicht gesehen, aber etliche Berichte darüber gelesen habe, instruktiv: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ferdinand-von-schirach-terror-baum...) der Presse entnehmen, dass die Abstimmungsergebnisse zu eindrucksvollen "Freisprüchen" des Piloten führen auf der Grundlage eine gewissen Tendenz der Dramaturgie, die Burkhard Hirsch wie folgt zusammenfasst: "Schirach erweckt den Anschein, der Rechtsstaat sei wehrlos, wenn nicht alle Passagiere, Männer, Frauen, Kinder, und möglicherweise weitere Personen an der Absturzstelle vorsätzlich getötet werden. Das ist schlicht falsch. Der Pilot tötet sie auf der Grundlage seiner eigenen Vermutungen." Und: "Schirach bringt die Leute dazu, eine falsche Entscheidung zu treffen und sie in die Wirklichkeit zu transponieren." Dies ist bedenklich. Die Unverfügbarkeit und Abwägungsfestigkeit des Verrechnungsverbots sind Verfassungswerte, die man nicht dem Populismus und der "Abstimmung" freigeben sollte. Das Verdienst des Stücks ist es, die Diskussion aufzugreifen, die in den Publikationen des Kollegen von Schirach dankenswerterweise bereits eine Rolle gespielt hat. Zu hoffen bleibt, dass vorberechnete Reaktionen des Publikums die Debatte nicht wieder in eine falsche Richtung führen.
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
Hätte man ernsthaft an das Thema gehen wollen, dann wäre Effekthascherei und moralische Überhöhung weggelassen worden. Auf die populistische Weise offenbart das "ARD-Theater-Projekt" eher dümmliche bis gefährliche Beschränktheit (Achse der Guten vs. Achse der Bösen) und missbraucht den Zuschauer für ein Spiel mit affektiven Moralspielchen. Totschweigen, Verweigern und Aushungern wäre eigentlich die gerechte Strafe für solche mediale Wichtigtuerei und deren Protagonisten. Das bleibt wohl bei dem konzertierten Aktionismus ein illusorischer Traum. Die vehemente Kritik an der derzeit allgegenwärtigen Propaganda-Medienmaschinerie nährt sich aus meiner Sicht zurecht vor allem an solchen Manipulationen mit verkürzten, einäugigen und affektiven Reiz-Reaktions-Mustern.
Gast567 kommentiert am Permanenter Link
a) Geht es wiklich darum, "wie sich der Staat gegenüber seinen Bürgern in Notstandssituationen (Stichwort: der Fall Daschner) verhalten soll" ? Diese Frage ist doch wohl eindeutig zu beantworten: der Staat muss rechtsstaatlich handeln.
b) Es geht doch wohl eher um die Verantwortung des Einzelnen. Das Verhalten Daschners war als Staatshandeln -siehe oben a)- nicht akzeptabel. Die Frage muss lauten, ob es akzeptabel gewesen wäre, wenn er in Absprache mit den anderen Beteiligten, dass alle darüber Stillschweigen bewahren, den Mörder unter Druck gesetzt hätte.
c) Wenn ich die Berichte über Schirachs Stück richtig verstehe, geht es auch darin, nicht um die Frage, ob der Staat die Passagiermaschine absxchießen darf -er darf es nicht-, sondern darum, wie das Verhalten der einzelnen Person zu beurteilen ist, die eine Entscheidung trifft.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Kurz vor der Ausstrahlung des Fernsehfilms heute in 2 Stunden lohnt es sich m.E. auch noch über ein weit weniger drastisches Szenario als den Abschuß nachzudenken: Der fiktive Pilot des Kampfflugzeugs hätte sich doch auch vor die entführte Passagiermaschine setzen können und ein Abdrängen einleiten können zur Rettung der Menschen im Stadion. Wenn es dabei dann zu einem direkten Kontakt beider Flugzeuge gekommen wäre, was dann zu einem Absturz der Passagiermaschine im ungünstigsten Fall hätte führen können, wäre für den Piloten des Kampfflugzeugs immer noch der Schleudersitz in seinem eigenen Flugzeug vorhanden gewesen.
Danach sähe der Prozeß vermutlich etwas anders aus, ohne einen gezielten Abschuß.
Das immer Weiterfliegen-lassen des Entführers mit der Passagiermaschine bis zum finalen Einschlag im Stadion, aber ohne jede verhindernde eigene Aktion des Piloten, könnte doch auch noch m.E. eine unterlassene Hilfeleistung darstellen.
Und wie sehen dieses Szenario die Experten hier?
gaestchen kommentiert am Permanenter Link
Der "Fall Daschner" hat doch mit der Situation im Film und dem LVerkG nur relativ wenig zu tun. Bei der im Film zu beantwortenden Frage nach dem "Abschuss" weiß man, dass definitiv, um im Jargon des Gefahrenabwehrrechts zu bleiben, eine erhebliche Anzahl an "Nicht-Störern" getötet wurde, und es geht somit alleine um die Frage, ob ein rein zahlenmäßiger Vergleich statthaft ist
Gäfgen hatte die Entführung eingeräumt und er war als "Störer" (unterstellt, Jakob von Metzer sei noch am Leben) selbst Adressat der angedrohten "Rettungsfolter".
Diese Frage aus dem Schirach-Stück ist ja steinalt und wird in verschiedenen Varianten schon seit Jahrhunderten auch ohne reine Zahlendifferenz noch in verschiedenen Varianten moralisch/ideologisch/utilitaristisch diskutiert, etwa die Frage des "wertvolleren" oder "rettungswürdigeren" Lebens, wenn eine Entscheidung ansteht, die zum sicheren Tod der einen Gruppe und zum sicheren Überleben einer anderen führt, etwa 100 großverdienende steuerhinterziehende Rüstungsfabrikanten vs. 100 Syrien-Flüchtlinge; Behinderte vs. Nichtbehinderte; Pflegeheim vs. Kindergarten. Herrn Lippke stimme ich voll zu.
Von daher erscheint mir dieses multimediale Spektakel als eine Art Kreuzung von R.D.Precht mit dem Politbarometer und dem altehrwürdigen Format "Wie würden Sie entscheiden?"
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr von Heintschel-Heinegg,
ich bin wirklich gespannt auf diese Sendung. Es würde mich allerdings enttäuschen, wenn die im (deutschen) Strafrecht klare Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld in der Sendung verwischt würde, indem die Zuschauer nur gefragt werden, ob sie den Angeklagten bestrafen wollen. In den Berichten zu bisherigen Aufführungen heißt es jedenfalls meist, die Zuschauer sollten entscheiden, ob er "schuldig" oder "unschuldig" sei und es klingt so, als sei dies für die Journalisten die gleiche Entscheidung wie diejenige, ob er (bzw. der Staat) das "durfte" oder "nicht durfte" (Beispiel1, Beispiel2) Diese Fragestellung bzw. diese Antwortmöglichkeiten wären unterkomplex, weil sie Rechtfertigung und Schuld wie dieselbe Kategorie behandeln. Aber vielleicht sollte man mit der Kritik abwarten, denn in den zwei Stunden der Aufführung bzw. des Films wrden sicherlich noch viele Details erörtert.
Bisherige Abstimmungsergebnisse hier.
Beste Grüße
Henning Ernst Müller
Stephan Lahl kommentiert am Permanenter Link
Hallo zusammen,
Prof. Müller spricht ein wichtiges Thema an. Wenn wir im beck-blog das Filmereignis mit einer eigenen Abstimmung begleiten wollten, welche Abstimmungsmöglichkeiten sollten wir den Nutzern anbieten?
Schuldig/Unschuldig
freizusprechen/nicht freizusprechen
Ich werde gern mit unserem technischen Entwickler klären, ob wir hier die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Abstimmung anbieten können.
Beste Grüße
Stephan Lahl
Barbara Schmitz kommentiert am Permanenter Link
Hallo Herr Lahl, ich finde die Abstimmungsidee gut und möchte eine dritte Variante einbringen, die auch auf der Theater-Website bei der Auswertung in den Theaterstücken http://terror.theater/cont/results_main/de und global http://terror.theater/so aufgeführt wurde: Schuldig/Freispruch. Ich denke, dass trifft das gewünschte Ergebniss am ehesten.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
@ Abstimmungsmöglichkeiten
Wie vorgeschlagen sollten wir zwischen "Schuldig" und "Nicht schuldig" abstimmen lassen, wie es auch nach dem Film geschieht (Quelle: HÖR ZU Nr. 41 vom 7.10.2016 S. 17).
Das Textbuch zum Theaterstück mit seinen beiden Varinaten zur jeweiligen Urteilsbegründung unterschiedet zwischen "Verurteilung" und "Freispruch" .
Laut HÖR ZU sollen nach der Pressevorführung 60 % (bei doch an sich eindeutiger Rechtslage [siehe die ersten Beiträge]) für "unschuldig" gestimmt haben.
Das Abstimmen, das Herr Lutz Lippke bereits eingangs sehr kritisch sieht, ist der eine Aspekt, der andere ist, dass und vorallem wie über das Ergebnis diskutiert werden wird. Es ist ein TV-Experiment, das mißlingen mag, aber ein Versuch ist es allemal wert. Es geht immerhin um die zentrale Frage, ob die Menschenwürde "antastbar" ist. Ein Thema, mit dem sich von Schirach bereits in seinem Essay "Die Würde ist antastbar" auseinandersetzte (zur Dikussion im Blog hier).
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
@ Gast567 und gaestchen
Mein Plan war und ist, zunächst einmal im Blog auf den Film hinzuweisen und nach dem Fernsehabend einen weiteren Beitrag zu den juristischen und moralischen Fragen einzustellen.
Gefreut habe ich mich darüber, dass das Thema überhaupt auf Ihr Interesse gestoßen ist. Da ich Ihre juristische Einschätzung teile, hier nur in Kürze: BVerfG NJW 2006, 751 hat die Frage mit der Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz überzeugend entschieden. Einzelne kritische Stimmen sind aber bis heute nicht verstummt. Auch wenn sich das Gericht zur strafrechtlichen Seite nicht geäußert hat, so gilt natürlich auch da, wo es um die Strafbarkeit des Einzelnen geht, die Menschenwürdegarantie; aber auch das nicht unumstritten. Dies war für mich auch der Bezugspunkt zum Fall Daschner. Es stellt sich aber auch die Frage, wie das Verhalten moralischen Sinne zu beurteilen ist, wenn der Pilot etwas nicht tut, was in seiner Macht steht. Welcher Stadionbesucher wäre nicht froh darüber, dass der Pilot trotz eindeutiger Rechtslage gehandelt und ihm das Leben gerettet hat.
Weitere Fragen, die zu diskutieren sich allemal lohnt: Wie sieht es aus, wenn sich im Stadion die Familie des Piloten befunden hat? Wie sieht es aus, wenn sich Frau und Kind an Bord der Maschine befinden? Welche Bedeutung kommt der SMS eines Passagiers zu, in der steht, man wolle versuchen, die Terroristen zu überwältigen?
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
"Weitere Fragen, die zu diskutieren sich allemal lohnt: Wie sieht es aus, wenn sich im Stadion die Familie des Piloten befunden hat? Wie sieht es aus, wenn sich Frau und Kind an Bord der Maschine befinden? Welche Bedeutung kommt der SMS eines Passagiers zu, in der steht, man wolle versuchen, die Terroristen zu überwältigen?"
Ich befürchte, dass man sich damit moralinsauer verrennt und der implizierte Bezug zu moralischer Politik und Rechtsanwendung nicht trägt. Es ist belegt, dass erhebliche Straftaten und völkerrechtswidrige Kriege manipulativ mit der Begründung des notwendigen Schutzes von Moral und Menschenrechten begründet werden. Auch die Einschränkung von Grundrechten mit der Begründung des "Kampfes gegen den Terror" profitiert von diesen moralinsauren Gedankenspielen.
Es geht bei all diesen Fallträumen aufs Juristische reduziert doch um eine einfache Entscheidungsfrage: Befolgen der vorgegebene Regel vs. eigenverantwortliche Entscheidung. Führt beides zum gleichen Ergebnis, ist alles gut. Andernfalls muss die Entscheidung zwischen diesen Alternativen in persönlicher Verantwortung getroffen werden. Wenn die Konsequenzen dieser Entscheidung klar sind, dann wägt der Entscheidende genau zwischen diesen Konsequenzen ab. Verwässert man die Konsequenzen, kann dazu nicht mehr eigenverantwortlich entschieden werden. Im Fall Daschner war es die persönliche Entscheidung: "Hoffnung auf Rettung eines Kindes" vs. Verbot der Androhung von Folter. Auch hierzu könnte man sich tausende Fallvarianten überlegen. Letztlich entscheidet man sich aber zwischen den Konsequenzen, nämlich hier (mögliche) Strafverbüßung vs. moralische Mitverantwortung für den Tod des Kindes. Wer immer die vorgegebenen Regeln befolgen will, trägt im Vorfeld Mitverantwortung für die Eignung dieser Regeln in allen denkbaren Fällen. Wer im Zweifel eigenverantwortlich entscheidet, trägt eben Verantwortung für die Missachtung der Regel im konkreten Einzelfall. In diesem Kontext ist der gesellschaftspolitische Rahmen also viel größer, als er hier gestrickt wird. Heute ab 12 Uhr findet eine große Demo "Die Waffen nieder" am Alex in Berlin statt. Krieg, Flucht und Terror stehen in einem engen Zusammenhang. Verantwortliches Handeln beginnt also nicht erst beim Umgang mit einem Terrorakt oder in einem Strafprozeß danach. Insbesondere daran muss sich eine Gesellschaft messen lassen.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Das ist sehr allgemein formuliert, mein Hinweis auf den Ersthelfer ist aber schon konkreter. Da ist es einem Rettungssanitäter übrigens untersagt worden, Schmerzmittel zu spritzen, er hat die vor Schmerzen Schreienden weiter schreien zu lassen, falls dieser Artikel noch dem geltendem Recht entspricht (Zitat):
"2. Juli 2012, 22:08 Uhr
Keine Medikamente durch Rettungssanitäter Spritzen verboten
Wenn Rettungssanitäter gerufen werden, geht es oft um Leben und Tod. Doch nun dürfen die Helfer keine Medikamente mehr verabreichen, sondern müssen auf den Notarzt warten. Für die Patienten könnte das möglicherweise zu spät sein."
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/keine-medikamente-durch-rettungssani...
Übrigens, allein aus rechtsstaatlichen Gründen sind das sog. "Daschner-Urteil" und auch die genannte BVerfG-Entscheidung ja m.E. gefällt worden, in der breiten Bevölkerung aber nicht ohne deutlichen Unmut von einigen Teilen dieser Bevölkerung auch hingenommen worden. Mal sehen, wie sich das weitere Stimmungsbild nach größeren terroristischen Anschlägen in der BRD noch entwickeln wird.
Dann könnte auch das BverfG vor einer neuen Situation stehen, wenn ein neues Bundes-Gesetz für solche/ähnliche Fälle dieser Entwicklung auch Rechnung tragen würde/müßte.
MGR kommentiert am Permanenter Link
Die von Prof. Müller angesprochene Unterscheidung ist wichtig auch mit Hinblick auf die Unvorhersehbarkeit/Unsicherheit der Zukunft:
Hat man 100%tige Sicherheit dass durch das Opfern Weniger die Vielen gerettet werden können so kann man aus utilitaristischer Perspektive gut argumentieren: Der Handelnde ist schuldig bezüglich seines Handelns aber er ist auch freispruchswürdig aufgrund der von Ihm verringerten Netto-Opferzahl.
Ob schulding/unschuldig macht sich eindeutig am Handeln des Angeklagten fest während die „Freispruchswürdigkeit“ am zukünftigen Handeln des vermeintlichen Terroristen hängt. Wie kann also ein Urteil bezüglich „Freispruch/kein Freispruch“ gefällt werden wenn der vermeintliche Terrorist nie die Gelegenheit hatte sein Handeln unter Beweis zu stellen?
Früher wie heute können vermeintliche Fakten täuschen, getürkt sein oder absichtlich falsch ausgelegt werden. Wo ist also hier die Grenze zu ziehen? Und mit dieser Frage befindet man sich bereits „on the slippery slide down to“ Minority Report.
Die Wegschaffung ungenehmer Zeitgenossen unter Zuhilfenahme des Terror“verdachts“vorwurfs ist bekanntlich Jahrhunderte alt. Die weltweite Einschränkung bzw. teilweise Aufhebung der Bürgerrechte speziell seit 911 ist in diesem Kontext zu sehen. Die Mediale Inszenierung von Schirach’s Werk könnte zu einer gezielten Pseudorechtfertigung bzw. Desensibilisierung des Fernsehpublikums hinsichtlich dieser freiheitseinschränkenden Entwicklungen missbraucht werden. Man wird also sehen und man kann hoffen dass sich anschließend ein offener Diskurs entfaltet.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Interessant für mich ist der Zeitpunkt dieser neuen/alten Debatte: Just, da die Einschläge des internationalen Terrors näher kommen, aus der BRD heraus mal betrachtet. Ein Zufall?
In Israel hatte man ja sehr viele Erfahrungen mit Flugzeugentführungen sammeln können, meines Wissens fliegen seitdem auch bewaffnete und hochtrainierte Sky-Marshalls mit.
Sicherheit hat eben überall ihren Preis.
Btw. muß auch hier im friedensgewohnten Deutschland ein Katastrophen-Ersthelfer seine Kräfte so einteilen, daß er eine Auswahl und Entscheidung über Leben und Tod treffen muß, er muß unter Umständen unschuldige Menschen mit schwersten Verletzungen sterben lassen, um anderen noch selber helfen zu können. Da ist auch eine Abwägung "Leben gegen Leben" in Sekunden zu treffen. Er wird gezwungen sein, dabei also "ökonomisch" vorzugehen, so schrecklich dieses Wort hier auch in diesem Zusammenhang klingen mag.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Der Film war Quatsch. Ganz großer Quatsch. Und ich bin froh, dass die Schöffen hier in D. in der Regel kein Übergewicht über Juristen haben. Und wo das nicht so ist, gibt es Fehlurteile, z. B. im Arbeitsrecht. Ein Gericht hat juristische Fragen zu klären, nicht jedoch moralische Fragen. Wenn die Moral des Einzelnen dem Recht des demokratischen (Verfassungs-)Gesetzgebers widerspricht, hat das Gericht Recht zu sprechen und nicht Moral zu sprechen. Ein Gericht ist eine juristische und keine moralische Instanz. Und wenn jemand meint, wie der Pilot, die (private) "Moral" über das Gesetz stellen zu dürfen, dann muß er eben die Konsequenzen tragen! Und außerdem: Wer wollte den Soldaten wegen Mord verurteilen? Natürlich niemand, höchstens Totschlag. Völlige Quatsch. Und das von einem angeblichen Juristen, diesem Schirach...
MT kommentiert am Permanenter Link
Das "gemeingefährliche Mittel" halte ich für weniger abwegig.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
„Terror“ – das Urteil „Nicht schuldig“
Natürlich haben die Zuseher schnell – vielleicht zu schnell, wie im Vorfeld bemängelt wurde – ein Urteil gefällt, das hier im Blog in Prozentzahlen gemessen doch im Moment etwas anders ausfällt.
Zu Beginn der Verkündung des freisprechenden Urteils dachte ich sofort eine Verletzung des Beratungsgeheimnisses, als der Vorsitzende erklärte: „Es haben … Schöffen für eine Verurteilung und … Schöffen für einen Freispruch gestimmt.“ Deshalb habe ich auch nochmals im Text des Theaterstücks nachgelesen und festgestellt, dass dieser Vorspann im Falle der Verurteilung nicht erfolgt. Diesen dramaturgischen Kunstgriff halte ich für gelungen; denn es geht nicht nur um die strafrechtliche Schuld des Piloten, sondern auch um seine moralische Schuld. Diese schon sehr juristische Differenzierung wird vielen „Schöffen“ wohl nicht so richtig klar geworden sein. Die moralische Schuld kann man mit guten Gründen verneinen, aber nicht die strafrechtliche Schuld.
Mein Votum daher: „Schuldig“ – dies einem Nichtjuristen halbwegs einsichtig zu begründen, ist aber nicht einfach. Da lässt einem das Stück auch etwas im Stich.
Das BVerfG (im Stück wird das aber angesprochen) hat in seiner Entscheidung mit Recht darauf hingewiesen, dass in solchen Situationen nicht auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse, sondern auf der Grundlage einer Reihe von Unwägbarkeiten entschieden wird: Hätte der Terrorist von den Passagieren überwältigt werden können? Hätte das Stadion vielleicht noch in den letzten Minuten geräumt werden können?
Nach meinem Staatsverständnis darf den todgeweihten Passagieren kein "Bürgeropfer" abverlangt werden; der Staat hat für den Bürger da zu sein und nicht zu allererst der Bürger für den Staat. Das wäre nicht das Staatsverständnis des Grundgesetzes. Vielmehr geht es um die vorrangige Pflicht des Staates, Schädigungen seiner Bürger zu unterlassen. Hinter dieser Unterlassenspflicht treten Schutzpflichten zu Gunsten anderer Bürger grundsätzlich zurück , solange das zu rettende Interesse nicht höherwertig ist: Sicheres Ergebnis des Handelns von Lars Koch war die Tötung der Passagiere im Flugzeug, die Rettung der Besucher des Fußballländerspiels war lediglich ein Handlungsmotiv mit unsicherer Realisierung. Der Unterlassenspflicht gebührt im vorliegenden Fall eindeutig der Vorrang, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat (BVerfGE 115, 118, 154 ff, 158).
Das TV-Experiment, das einen interessanten Denkprozess ausgelöst hat, halte ich für ebenso notwendig wie gelungen.
StudUR kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Prof. von Heintschel-Heinegg,
zuvorderst muss ich sagen, dass ich mich bei der eigenen Entscheidungsfindung sehr schwer getan habe und immer noch tue. Ich hatte auch für "schuldig" gestimmt. Ich habe jedoch im Nachhinein weiter drüber nachgedacht, mich informiert und z.T. das Urteil selbst gelesen im 115. Band.
Der übergesetzliche entschuldigende Notstand, welcher als Entschuldigungsgrund angesehen wird, wird in der Urteilsbegründung aufgeführt. Eine Mindermeinung des übergesetzlichen entschuldigenden Notstands besagt, dass dieser Entschuldigungsgrund nicht greife, wenn für die gefährdeten Menschen zuvor überhaupt keine Gefahr bestand. Im Fall " Terror" würde ich jedoch sehr wohl eine bereits konkrete Gefahrenlage bejahen, da absehbar war, dass die Menschen sterben werden. Nun nehme man mal an, der Pilot sei entschuldigt gewesen. Dies hilft freilich - wie sie sehr richtig gesagt haben - noch nicht darüber hinweg, dass den Passagieren ein "Bürgeropfer" abverlangt wird und diese somit zum Objekt des Staates werden. Nimmt man jetzt Bezug auf das Urteil des BVerfG, so hat sich der 1. Senat jedoch nur insoweit geäußert, dass die Regelung in vollem Umfang verfassungswidrig und infolgedessen gem. § 95 III 1 BVerfGG nichtig ist (BVerfGE 115, 165).
Nicht geäußert hat sich das BVerfG allerdings dazu, wie es sich in einem Fall des Abschusses mit der Strafbarkeit des Piloten verhalten würde. Stellt man demnach einfach nur auf die Strafbarkeit des Piloten ab und berücksichtig den übergestzlichen Notstand, wäre auf "nicht schuldig" zu erkennen.
Meiner Meinung nach ist dies keine befriedigende Lösung, jedoch konsequent im Hinblick auf die Systematik des Schuldstrafrechts in Deutschlands. Die Vorgesetzten und die Regierung lassen den Piloten da oben in seinem Jet alleine und versuchen nicht, das Stadion räumen zu lassen und dies dem Piloten mitzuteilen, wodurch dieser den Schuss ggf. nicht als ultima ratio hätte erachten müssen. Der Staat hat hier versagt. Zugegeben hat sich der Pilot hier angemaßt eigenhändig über das Leben der Passagiere zu entscheiden, allerdings hat erst der Staat durch das stumpfe Untätigbleiben diese Menschen schon zum Objekt gemacht. Hierzu habe ich eine interessante Twitter-Meldung gelesen: "Wenn Rechtstheorie verhindert, dass der Staat seine Aufgaben erfüllt, verliert er das Gewaltmonopol".
Dieser Kommentar soll auch gerne weiter zur Diskussion zur anregen; auf Gegenmeinungen und ggf. Belehrungen bin ich gespannt,
mit den besten Grüßen,
StudUR
Minthu kommentiert am Permanenter Link
Genau diese Problematik beschäftigt mich auch. Zumal der Fall des Abschlusses eines Passagierflugzeug häufig als eine Art "Standardfall" für den übergesetzlichen Notstand angeführt wird.
Würde es hier nicht eigentlich im Kern darum gehen, die Frage seines Eingreifens ("ob"), seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen auszuloten (für ein Fernsehpublikum zweifelsohne eine Überforderun)? Da ich keine Strafrechtlerin bin, ist dies überhaupt schon geschehen? Dies vermisse ich ein wenig, auch in dem ansonsten großartigen Kommentar von Herrn Fischer in der Zeit.
Unter diesem Gesichtspunkt könnte man dem Film etwas Positives abgewinnen. Denn ich finde, er macht deutlich, dass in der Anerkennung eines solchen Rechtsfigur ein Missbrauchsrisiko liegt, wenn die Bundeswehr gewissermaßen darauf setzt, dass der Pilot im Zweifel schießen würde, solche Piloten gezielt auswählt und andere Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr nicht eingeleitet werden. Auch die Frage des Gewissenskonflikts müsste bei einem Soldaten genauer beleuchtet werden: Da er ja auch in Afghanistan auf ein Flugzeug schießen würde, darf sein Konflikt in dem Fall nicht nur darin bestehen, einem Befehl zuwider zu handeln.
Mich beschleicht der Eindruck, dass das eigentliche "Dilemma" dieses Falls darin liegt, dass diese Rechtsfigur noch immer nicht aus der Welt ist. Mich würde interessieren, wie die Experten das sehen..
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Leider war es so, wie ich oben schon vermutet/befürchtet habe. Das Stück/der Film arbeitet mit einem "Trick": Die strafrechtliche Einkleidung und die Alternative schuldig/nicht schuldig bzw. Freispruch/Verurteilung führen dazu, dass die Fragen nach dem Recht untrennbar mit den Fragen der individuellen Schuld vermischt werden und man bei dem Ergebnis von 87 % für Freispruch nicht mehr wissen kann, wie viele dieser Stimmen für die Rechtmäßigkeit des Abschusses und wie viele lediglich für die Nichtbestrafung des Soldaten gestimmt haben. In der nachträglichen Diskussion nimmt dann jeder diese "Volksabstimmung" für sich in Anspruch. Beispiel: Ein Twitterer meinte, das BVerfG sehe sich nun 87% Ablehnung gegenüber. Die Differenz zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld wird um der Dramatik Willen über Bord geworfen. Dass etwa der auch im Urteil (erstmals!) genannte "übergesetzliche Notstand" nur für die Schuld, nicht aber für die Rechtswidrigkeit eine Rolle spielt, wird nicht deutlich gesagt. Herr Schirach hätte das Gericht klar sagen lassen müssen, dass der Soldat gegen geltendes Recht und auch gegen den Befehl gehandelt hat; in einem zweiten Schritt erst wäre es dann um die "Schuld" in Extremsituationen wie diesen gegangen. Bedürfnisse der Dramaturgie erlaubten dies jedoch offenbar nicht. Die richtigen Argumente Herrn Baums werden in der strafrechtlichen Einkleidung damit quasi untergebuttert.
Nach der Diskussion in meiner Familie: Viele werden wahrscheinlich auch nach dem Motto "Im Zweifel für den Angeklagten" abgestimmt haben - wenn schon die Experten (mit jeweils guten Argumenten) uneinig sind, dann kann man den Soldaten nicht verurteilen. Man hat sich im Film ja auch erspart zu erklären, dass dieses Prinzip hier weitgehend keine Geltung hat, weil es ja im Film kaum tatsächliche, sondern allenfalls rechtliche Zweifel gab.
Das Argument, immerhin habe der Fernsehabend mit Abstimmungsmöglichkeit die Leute in den Familien zur Diskussion über ein ernstes Thema gebracht, wurde neben den obigen Einwänden auch durch die extrem kurze Abstimmungszeit konterkariert (deren Ende auch nicht, wie sonst üblich, vorher angekündigt wurde).
Anders als mein Kollege von Heintschel-Heinegg halte ich das TV-Experiment deshalb nur für eingeschränkt gelungen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Bei der Geschichte mit dem dicken Mann, den man erstechen und dann von der Brücke schubsen muss, damit er den Zug aufhält und bei der Frage der Staatsanwältin Martna Gedeck, ob der Angeklagte das Flugzeug auch dann abgeschossen hätte, wenn Frau und Kind in der Maschine gesessen wären, geht es um ein und dasselbe Problem. In meinen Augen das Kernproblem der ganzen Sache. Nur werden bei diesen hypothetischen Fallgestaltungen in unzulässiger Weise zwei grundverschiedene Dinge vermengt: Auf der einen Seite geht es eigentlich einzig und allein darum, ob es objektiv zumindest vertretbar ist, die Maschine abzuschießen, um damit das Leben der Leute im Fußballstadion zu retten. Diese an sich glasklare Frage wird - eben in unzulässiger Weise - überlagert von den - nur allzu nachvollziehbaren - moralischen Bedenken: Im einen Fall des Piloten, der über Abschuss oder Nicht-Abschuss entscheiden muss, im anderen Fall des Passanten, der den dicken Mann erstechen und von der Brücke schubsen könnte. In beiden Fällen können aber meiner Überzeugung nach die moralischen Bedenken nichts an der Richtigkeit - oder zumndest Vertretbarkeit - der Entscheidung ändern, das Flugzeug abzuschießen.
xy kommentiert am Permanenter Link
Das beste an Schöffen ist, dass sie nichts zu sagen haben. Und hätten sie etwas zu sagen, entstünde derart peinlicher Unfug wie dieser Film. Hoffentlich beginnt jetzt nicht Lieschen Müller, künftig die Juristerei mit diesem Degeto-Machwerk in feste gedankliche Verbindung zu bringen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Och, "Lieschen Müller" lag eben doch nicht so ganz daneben. Und der Film war auch alles andere als ein "Machwerk". Im Gegenteil: Ich war zu Beginn des Films ziemlich skeptisch. Den Film fand ich aber am Ende so richtig und uneingeschränkt gut.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
In Bayern 2 geht es heute zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr um unser Thema. Experte im Studio wird Julian Nida-Rümelin sein. Wird sicher anregend.
Gast kommentiert am Permanenter Link
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terr...
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
"Und die richtigen Argumente Herrn Baums" .......
..... wären überzeugender gewesen, wenn er sie auch in einem weniger gereizten und weniger lauten Tonfall und mit weniger Unterbrechungen anderer Gäste vorgetragen hätte.
(Wer schreit, hat nicht recht, könnte man fast etwas überspitzt dabei denken.) Jedenfalls bot Herr Baum damit ein höchst interessantes Psychogramm bei Plasberg.
Auch was seine "Ewigkeitsgarantie" betrifft, hatte er auch dabei an den Art.146 GG noch gedacht?
Zumindest steht der ja noch im GG, das schon im Namen sich von einer Verfassung abhebt, auch wenn es de facto einer solchen gleichkommt. Auch ganze Verfassungen haben keinerlei "Ewigkeitsgarantie", das ist Hybris in meinen Augen, wenn jemand so etwas glaubt. In der Weimarer Verfassung z.B. ging der Artikel 178 darauf ein, in dem die vorherige Verfassung aufgehoben wurde. Und die Weimarer Verfassung selber hatte auch keine "Ewigkeitsgarantie" gehabt.
Auch die Baumsche Klassifizierung aller Terroristen als Kriminelle, mit denen der Rechtsstaat mit seinen eigenen Mitteln des Rechts fertig werden muß/wird, die läßt ein Zahlenproblem und ein Machtproblem außen vor. Das Recht braucht auch ausreichend Macht, also bewaffnete Macht als Polizei nach innen und Streitkräfte nach außen, sonst ist es ein Papiertiger. Und auch ohne Notstandsbestimmungen wird ein Rechtsstaat nicht auskommen können, der es bleiben will, auch in Zeiten des internationalen Terrorismus, von dem man auch nicht weiß, wie weit der noch geht.
Da hatte Gerhart Baum aber nur Formel-Beschwörungen des Grundgesetzes m.E. zu bieten gehabt.
Stephan Lahl kommentiert am Permanenter Link
Liebe Kommentatoren,
da uns die Umfrage ein wenig technische Schwierigkeiten bereitet (sie steht auch bei den anderen Blogbeiträgen), haben wir sie jetzt entfernt. Das Ergebnis hier lautete wie folgt:
61% (31 Stimmen) stimmten für „schuldig“
39% (20 Stimmen) stimmten für „unschuldig“
Vielen Dank für Ihre Teilnahme.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Ich bin zwar kein Fan von Fischer, aber hier stimme ich sachlich voll überein. Und weil es viel eindringlicher formuliert ist, hier ein Ausschnitt aus Fischers Kommentar, der in der Sache (nicht im Ton) ziemlich genau das wiedergibt, was ich oben auch anmerkte:
In der hart aber fair - Diskussion nach dem Film fehlte dann ein Strafrechtswissenschaftler, und wie er fehlte (!).
Henning Ernst Müller
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Soso: "Schäbig"
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Exakt, Fischer stimme ich ebenfalls vollkommen zu. Da ja eine Theologin dabei war, die zwar sehr ruhig und reflektiert, wenn auch etwas langatmig vorgetragen hatte, wäre bei etwas mehr gedanklicher und sprachlicher Disziplin in der Sendung auch ein kurzes Statement von Fischer - oder einem anderen Strafrechtler - evtl. lediglich per Einspieler, doch m.E. wohltuend gewesen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Auch das sehe ich genau umgekehrt: Juristischer Sachverstand war genügend da. Wenn Sie heute mittag im Bayerischen Rundfunk den Philosophen Julian Nida-Rümelin gehört haben sollten, wird Ihnen aufgefallen sein, dass ein philosophischer Input wesentlich dringlicher gewesen wäre.
Leser kommentiert am Permanenter Link
Ich auch. Bringt jetzt inhaltlich nicht weiter, weiß ich, aber musste mal gesagt werden. Eine dermaßen blöde Verkürzung der Thematik ist erstens Volksverblödung, zweitens zu einem Thema, bei dem das ziemlich gefährlich ist. Wäre von Schirach Politiker, würde man das Populismus nennen. Wie nennt man das bei einem Künstler? Wie nennt man es bei einem Künstler, der mit seiner Qualifikation als Rechtsanwalt wirbt? Das ist m. E., als wenn ein Arzt unter Berufung auf seine Profession ein Theaterstück schreiben würde, das vermeintliche Gefahren des Impfens darstellt. Kunstfreiheit hin oder her, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk m. E. deplatziert.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Und dass dieser unsägliche Ex-Verteidigungsminister Jung nach wie vor nicht klüger geworden ist und immer noch einem Verfassungsbruch das Wort redet, müßte eigentlich dazu führen, dass man seine Verfassungstreue überprüft und ihm die Pension entzieht.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
"Wenn Sie heute mittag im Bayerischen Rundfunk den Philosophen Julian Nida-Rümelin gehört haben sollten, wird Ihnen aufgefallen sein, dass ein philosophischer Input wesentlich dringlicher gewesen wäre."
Diese Sendung kann jederzeit noch gehört werden, was am "philosophischen Input" sehen Sie denn daran so dringlich an, was bei Plasberg nicht zur Sprache kam?
"Und dass dieser unsägliche Ex-Verteidigungsminister Jung nach wie vor nicht klüger geworden ist und immer noch einem Verfassungsbruch das Wort redet, müßte eigentlich dazu führen, dass man seine Verfassungstreue überprüft und ihm die Pension entzieht."
Dazu gibt es doch auch den §87a GG, und der müßte dann noch weiter präzisiert werden und eine klare Kommandostruktur mit schnellerer Entscheidungsübertragung auf einen Kommandeur institutionalisiert werden.
Im Film gab es ja auch bereits ein Kommando: "Nicht abschießen", das hätte ja theoretisch dann auch anders lauten können.
Auch der Verteidigungsminister wäre gefordert, wenn die Bundesregierung in so einer Situation nicht zu einer raschen Entscheidungsfindung fähig ist, ob ein "Spannungsfall" oder eine "drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung" vorliegt.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Hier die übliche Verlinkung ins Nachbar-Studio
http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/ferdinand-von-schirach-terror-ard-t...
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
Es geht nicht um Fehler, Vereinfachung oder Dramatik in einem Film. Das ist doch Alltag. Es geht um etwas Anderes.
Zitat:
"Meineswegen kann die ARD jeden Abend Abstimmungen veranstalten darüber, ob man zu Gulasch lieber Semmelknödel oder Kartoffelknödel essen sollte. Oder ob Sky Dumont, Matthieu Carrière oder Herr Kaiser von der Allianz Weinkönigin von Köln werden sollen.
Das Problem und die Infamie dieser Art von Unterhaltung ist ihre ganz wirkliche, schauderhafte Nähe zu "1984" oder "Fahrenheit 451": Die Menschen werden aufgefordert, sich zu entscheiden in einer (fiktiven) "allzumenschlichen" Frage; in Wahrheit wird ihnenn eine ganz andere Frage untergejubelt.
80 Prozent haben gestern Pilot Koch "freigesprochen". Morgen oder übermorgen wollen wir diese 80 Prozent gern: Abhören, Abschießen, Opfern, Ausforschen, Einsperren, Foltern, Verhören, in ein Stadion bringen, usw., usf: Weil es "wichtig" ist. Weil "wir" dem Terrorismus oder der falschen Weltanschauung oder dem Aufstand der Armen nicht nachgeben dürfen. Weil Herr Minister Jung, Alt, Meier oder Kasperle angeordnet hat, dass 80 Prozent der Einwohner von Ludwigshafen das "Kleinere Übel" sind gegenüber der Bedrohung ganz Deutschlands mit dem Ausfall wichtiger BASF-Produkte...
Anders gesagt: Im "Richtigen Leben" kriegen Sie von der Bevölkerung, wenn Sie es einigermaßen schlau anstellen, eine Mehrheit für beinahe ALLES. Warum sonst würden halbwegs gebildete, vernünftige Menschen in Kriege ziehen?
tf"
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terr...
Dem schließe ich mich an.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Vielleicht um diesen Rechtsstaat im Verteidigungsfall als Soldaten und rechtmäßige Kombattanten gemäß Eid (früher auch noch gemäß Gelöbnis) nach dem Soldatengesetz zu schützen, oder kommt das in Ihren Überlegungen schon überhaupt nicht mehr vor?
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
Die Antwort steht in den Sätzen davor. Zusammengefasst:
So leitet es tf in einem Kommentar zum Thema bei Fischer im Recht her. Wenn Sie mich nun persönlich fragen:
Die Verteidigung des deutschen Rechtsstaats wurde bereits vor Jahren am Hindukusch und anderen Regionen der Welt ausgerufen, die nachweislich nicht mehr oder noch nie deutsches Staatsgebiet waren. Erst viel später wurde die Sinnhaftigkeit und Legitimität dieser Kriegshandlungen wenigstens im Ansatz hinterfragt. Gleiches gilt für den Waffenhandel. Demnach sind es bisher vor allem Entscheidungen der deutschen Politik, die den deutschen Rechtsstaat und dessen Sicherheit angreifen. Zivile, also politische und juristische Mobilmachung zur Verteidigung im Inland wäre also mehr als angebracht. Wenn Sie den Soldateneid zum Schutz des Rechtsstaats Deutschland ansprechen, dann beziehen sie sich wohl auf Soldaten wie den ehemaligen Major Pfaff, die ehemalige Stabsfeldfebel(in) Christiane Ernst-Zettl, den ehemaligen Oberleutnant Philip Klever und andere. Nur geht es ja dabei darum, gerade nicht soldatisch gehorsam in zweifelhafte Kriege zu ziehen und Waffen in Krisengebiete zu verteilen, um sich dann letztlich wirklich noch einen militärischen Verteidigungsfall im Innern erfüllen zu können. Was haben Sie und ich davon? Kommt das in Ihren Überlegungen jetzt schon wieder nicht mehr vor?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Auch Heribert Prantl kritisiert in der SZ die Fragestellung als falsche Alternative:
Zugleich belegt der Kommentar von Stephan Kabosch in der Münchener Abendzeitung, dass die Täuschung (zu Lasten der Justiz bzw. zu Lasten des Rechtsstaats) gelungen ist:
Den Schwarzen Peter haben also das Recht und die Juristen, die für extreme Fälle angeblich keine angemessene Lösung bereit halten, weshalb dann die Moral und das gesunde Volksempfinden(?) aushelfen müssen.
Und gerade weil der Film von der schauspielerischen Qualität und Inszenierung her überdurchschnittlich war, ist die Botschaft (das Recht ist im Zweifel unmoralisch) umso fragwürdiger.
Henning Ernst Müller
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Dazu auch aus LTO:
"Einsatz im Inland
Soldaten gegen den Terror"
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/einsatz-im-inland-soldaten-gegen...
Zitat daraus:
"Für mehr Sicherheit sind klare Regelungen erforderlich
Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese Trennung vom Gesetzgeber nie absolut verstanden worden ist, sondern in Ausnahmefällen sollte auch die Bundeswehr bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit im Inland zur Unterstützung der Polizeikräfte eine Rolle spielen (vgl. Art. 143 GG alte Fassung).
Es ist unverantwortlich, dass große Teile der Politik eine Verfassungsänderung bei der Gefahrenabwehr im Luftraum und auf See beharrlich ablehnen. Ohne die Schaffung klarer Regelungen für den Einsatz der Bundeswehr bei der Abwehr von terroristischen Angriffen läuft die Bundesrepublik Gefahr, das Sicherheitsversprechen gegenüber ihren Bürgern nicht einlösen zu können."
(Der Autor Dr. Manuel Ladiges, LL.M. (Edinburgh) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand an der Georg-August-Universität Göttingen und hat 2006 zum Thema "Die Bekämpfung nicht-staatlicher Angreifer im Luftraum" promoviert.)
Hier werden also "große Teile der Politik" als Gesetzgeber verantwortlich gemacht, "das Sicherheitsversprechen gegenüber ihren Bürgern nicht einlösen zu können", und da gehört m.E. die Verantwortlichkeit auch hin, der Gesetzgeber ist also gefordert.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Auch nach dem ablehnenden Artikel in der SZ und dem zustimmenden Artikel in der AZ krankte der Film und die anschließende Debatte bei Plasberg m.E. auch noch an dem völlig absurden Bemühen von Diskutanten im Film und danach, einen konstruierten Fall mit seiner (natürlich fragwürdigen) situativen, also fallbezogenen Lösung durch andere konstruierte Fälle widerlegen zu wollen (als Unrecht), bei denen aber nicht die gleiche situative Lösung damit schon automatisch impliziert ist. Auch ein Verweis auf eine "Rettungsfolter" oder anderer dieser Konstrukte verbietet sich daher, weil das argumentativ auf eine Gleichheit im Unrecht abhebt.
Also konkret: Wenn vom Piloten des Kampfflugzeugs im Film gesagt wurde, er hätte in dieser speziellen Situation mit dem Tod von 164 Menschen 70.000 andere Menschen retten wollen (im noch letzten Moment), wurde ihm dann zur (fast schon krampfhaften) Widerlegung eine Frage nach einem Verkehrsunfallopfer als potentiellem Organspender und vier anderen potentiellen Organempfängern gestellt, wenn ich es noch richtig erinnere.
Ein Kampf-Pilot ist aber kein Transplantations-Arzt, solche situativen Fragen können doch nicht über einen einzigen Leisten gezogen werden, denn das ist der Rechtsprechung doch fremd als eine unzulässige Pauschalisierung.
Darauf hatte ja auch schon Fischer hingewiesen, der aber als Verfassungsrichter nicht alle Mängel und Fehler des Gesetzgebers ausgleichen kann, die Polizei hat ja keine eigenen polizeilichen Mittel in der Gefahrenabwehr gegen schnelle Flugzeuge in der Luft, ihre eigenen Hubschrauber sind dazu nicht geeignet.
Auch gegen schwer bewaffnete Angreifer mit Kriegswaffen im Inland und bei Geiselnahmen haben Polizisten nur sehr begrenzte Abwehrmöglichkeiten.
Olympia 1972 in München hatte das ja auch schon gezeigt.
Ein Zitat dazu:
"Das Scheitern der Befreiungsaktion infolge Fehlens entsprechend ausgebildeter und geeignet bewaffneter Polizeibeamter führte zur Gründung der Antiterroreinheit Grenzschutzgruppe GSG 9.[...]
Die bayerische Polizei war den Ereignissen nicht gewachsen, was durch die Live-Übertragungen der Medien in aller Welt sichtbar wurde. Der Einsatz der Bundeswehr, die im Gegensatz zur Polizei über speziell ausgebildete Scharfschützen verfügte, war nach geltendem Recht nicht möglich. Ein entsprechendes Gesetz wurde erst 2012 verabschiedet. Der Einsatz des Bundesgrenzschutzes wäre zwar möglich gewesen, nach deutschem Verfassungsrecht obliegt die Polizeihoheit jedoch grundsätzlich den Ländern. Eine Anforderung des Bundesgrenzschutzes durch den Hoheitsträger, den Freistaat Bayern, war nicht erfolgt."
(Quelle ist WP: Geiselnahme von München)
Wer denkt da nicht an das Bild mit dem Kind und dem Brunnen?
Aber zu einem anderen Kommentar noch eine Bemerkung.
Speziell zu diesem Zitat:
"Die Verteidigung des deutschen Rechtsstaats wurde bereits vor Jahren am Hindukusch und anderen Regionen der Welt ausgerufen, die nachweislich nicht mehr oder noch nie deutsches Staatsgebiet waren."
Das hat mit einem Einsatz im Inneren der BRD doch überhaupt nichts zu tun, ist also ein reiner Pappkamerad, wie der Rest des Kommentars.
Die Feststellung und Ausrufung des Verteidigungsfalls ist im Art. 115a GG geregelt, wie Sie ja hoffentlich wissen, Auslandseinsätze sind aber nicht das Thema hier.
Lutz Lippke kommentiert am Permanenter Link
Ich kenne diese Spezialität im Juristischen ;-). Erst das Nebenthema ausbauen und dann die Reaktion darauf als sachfremd zum eigentlichen Thema geißeln.
Mein "Pappkamerad-Kommentar" bezog sich gar nicht konkret auf den Einsatz im Innern oder den Verteidigungsfall, sondern auf das fehlende Bewusstsein für die politischen Verantwortlichkeiten zu Terror und Kriegen in der Welt. Aber all das war hier eigentlich gar nicht Thema. Der Film "denkt" dafür viel zu affektiv. Ging es eigentlich nicht nur um die Frage der strafrechtlichen Verantwortung bzw. Schuld für eine persönliche Entscheidung in einer absoluten Notlage? Die normierte (Straf-)Rechtswidrigkeit einer Tat bedeutet eben nicht automatisch strafrechtliche Schuld, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Was hat das mit der Verfassung oder dem militärischen Einsatz im Innern zu tun?
Mein Kommentar bezog sich auf den von Ihnen zumindest gedanklich eingeforderten Patriotismus für den Fall, dass es mit der Vernunft noch weiter bergab geht. http://community.beck.de/2016/10/02/terror-verfilmung-des-viel-diskutier...
Ich hatte daraufhin für politische Vernunft statt militärische Heldenträume argumentiert. Wie alt sind Sie? Gehen Sie noch selbst für Ihre Soldatenehre in den Schützengraben? Oder möchten Sie dafür etwa meine Söhne im Krieg sehen? Ich habe 3 junge Söhne und ich sehe, wer deren Zukunft und Sicherheit gefährdet.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Zu a) Der Einsatz der BW im Inneren war kein Nebenthema, sondern Hauptthema der Handlung des Films und auch der Debatten im Anschluß daran.
Zu b) Richtig.
zu c) Das ist ebenfalls richtig.
Zu d) Die Verfassung/Gesetzgebung hat es bisher versäumt, sich auf derlei Fälle besser vorzubereiten, ohne sie aber bereits erschöpfend präjudizieren zu wollen.
Zu e) Das gibt nur die Rechtslage wieder, hat auch nichts mit fehlgeleitetem Patriotismus zu tun.
Zu f) Vernunft ist immer gut, militärische Heldenträume weniger. Mein Alter ist das des GG, also Jahrgang 1949. In den Schützengraben während meines Wehrdienstes ging ich auch nicht wegen einer Soldatenehre, sondern nur aus Vernunft.
Und was Ihre 3 jungen Söhne betrifft, die werden doch mal selbst entscheiden können mit deren eigener Volljährigkeit, wie sie alle diese Fragen selber sehen, auch wie sie ihr Verhältnis zum GG und zum notwendigen Schutz des Rechtsstaates sehen.
Besten Gruß
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Gerade eben lief in Bayern 2 die allmorgenliche "Presseschau". Allgemeiner Konsens im Blätterwald: Der Film war super. Das heißt natürlich nur, dass in der öffentlichen Wahrnehmung einmal mehr alle Differenzierungen unter dem Teppich bleiben.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Allgemeiner Konsens der Fachöffentlichkeit: Kritik an "Terror"
http://www.lto.de/recht/presseschau/p/presseschau-19-10-2016-kritik-an-t...
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die Analyse von Frank Bräutigam ist von verblüffend guter Qualität.
Schulze kommentiert am Permanenter Link
Ich fand den Film sehr gelungen. Angesichts des konkreten Falles hatte ich auch wenig Probleme damit, die verfassungsgemäße Wertung für zutreffend zu erachten. Die staatsanwaltschaftliche Argumentation war beachtlich. Zwei Aspekte waren dabei besonders bedeutsam:
a) Alternatives Rettungshandeln (Stadionräumung) war -wenn auch nicht durch den Angeklagten- möglich. Auf diesem Felde (Suche nach Handlungsalternativen) sehe ich grundsätzlich ganz erheblichen Handlungsbedarf bei allen Katastrofenplanungen.
b) Abläufe sind nicht vorhersehbar. Passagiere hätten den entführer überwältigen können, der Pilot hätte steil in den höhenflug gehen können oder oder.
Unabhängig davon bleibt immer die Frage der individuellen Entscheidung im Einzelfall, für die der Einzelne die Verantwortung trägt. Da sehe ich es wie Baum bei "Hart aber fair". Auch bei einem "Schuldig" muss effektiv die Freiheitsstrafe nicht lebenslang sein - Totschlag, mildernde Umstände, evtl.Begnadigung, auch da gibt es viel Spielraum.
xy kommentiert am Permanenter Link
"Der Abend "Terror" sollte die breite Öffentlichkeit über Rechtsfragen aufklären, höhlte aber die Grundlagen unseres Staates aus: Die Menschenwürde steht einem "sinnvollen" Ergebnis entgegen, nämlich die Zahl der Todesopfer so gering wie möglich zu halten. Ein ehemaliger Verteidigungsminister erklärt, dass er Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die Prinzipien über Menschenleben stellen, nicht folgen kann, sodass die Gewaltenteilung auch nur einzuhalten ist, wenn es opportun erscheint. Einen solchen Abend mit Zwangsgebühren mitfinanziert zu haben – das müsste für eine Verfassungsbeschwerde reichen."
http://www.lto.de/recht/feuilleton/f/ferdinand-von-schirach-terror-ard-f...
Wie wahr! Leitmeier spricht mir aus der Seele.
Rudolphi kommentiert am Permanenter Link
Sollte die öffentliche Kritik an diesem Film der ARD aber weiter zunehmen bzw. nicht mehr abreißen, dann hielte ich es für nicht ausgeschlossen, daß dieser Film dann noch als eine Art von Satire bezeichnet wird, Böhmermann vom ZDF läßt grüßen.
Eines möchte ich hier aber auch noch anmerken: Wenn Hr. Baum die "Ewigkeitsgarantie" im GG - oder von Artikeln des GG - mit solcher Verve hervorgehoben hatte, dann darf doch auch an die Entstehung des GG erinnert werden:
"Warum Deutschlands Verfassung Grundgesetz heißt"
Zitat:
"Wie aber kam es, dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland "nur" ein Grundgesetz war? Und warum wurde es nicht vom deutschen Volk in einer Abstimmung verabschiedet? Aus heutiger Sicht, vor allem nach der deutschen Wiedervereinigung vom 3. Oktober 1990, scheint diese Frage anachronistisch zu sein. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass das Grundgesetz die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist. Dass das Grundgesetz 1949 nicht vom Volk verabschiedet worden war, ist hingegen nahezu in Vergessenheit geraten."
Quelle: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/grundgesetz-und-parlame...
Vieles wird ja heute schnell vergessen, auch von einem Herrn Baum, aber nicht von allen Bürgern, die weder einer gesetzlichen Simplifizierung/Unterregulierung, noch einer Überregulierung das Wort reden, auch nicht mit selektiven Differenzierungen. Wozu Juristen neigen, das kann man auch in der deutschen Geschichte der letzten Jahrhunderte bis heute sich ja anschauen.
Und das nicht Fragen der jeweiligen Bevölkerungen/Völker in Abstimmungen zu ganz zentralen Fragen hat sich ja in Europa nach der deutschen Wiedervereinigung auch noch weiter fortgesetzt bei der angedachten europäischen Einigung mit der EU.
Wie aber heißt in einem Sprichwort, das fast alle Menschen aller Völker auf der Erde kennen: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.
Anders ausgedrückt: Die Völker bzw. deren Menschen wollen doch auch mal selber etwas mehr gefragt werden, die Reaktionen der Zuschauer nach diesem Film könnten auch ein Indiz dafür gewesen sein.
Kann man sie als (Verfassungs) Jurist nun wirklich noch überzeugend dafür schelten (diese Frage sei nicht nur dem Herrn Baum gestellt)?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Rudolphi,
Sie schreiben:
Ca. 7 Millionen Menschen sehen das TV-Drama, etwa 600.000 stimmen ab (wg. technischer Schwierigkeiten nicht mehr), und Sie werten das als Votum für mehr Volksbeteiligung in Sachfragen?
Das sehe ich ganz anders: Eine Volksabstimmung über den Ausgang eines Strafprozesses befürwortet wohl niemand ernsthaft. Über das GG bzw. einzelne Artikel der Verfassung wurde hier auch nicht abgestimmt, dies wird nur jetzt teilweise in das Ergebnis hineininterpretiert, weil man bei der Frage nicht differenziert hat zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld bei der Tat des Angeklagten.
Wenn überhaupt etwas, dann belegt diese Abstimmung eher das Gegenteil Ihrer Auffassung: Besser keine Volksbefragungen auf diesem Niveau durchführen, denn durch geschickte Manipulation der Fragestellung lässt sich aus dem Ergebnis nachher Vieles herauslesen.
Bestem Gruß
Henning Ernst Müller
PS.: Gegen mehr Bürgerbeteiligung habe ich gar nichts einzuwenden - auch nichts gegen eine Abstimmung über das GG -, aber die TV-Abstimmung zu "Terror" war dafür keine geeignete Werbung.
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