Heil: Beschlüsse des Betriebsrats per Videokonferenz sollen zulässig sein

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 23.03.2020
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtCorona2|3513 Aufrufe

Die Corona-Krise führt neuerdings vermehrt zu Stellungnahmen des Bundesministers für Arbeit und Soziales betreffend die Anwendung des geltenden Arbeitsrechts. Bei der Rechtsqualität solcher Verlautbarungen kann es sich nur um unverbindliche Einschätzungen bzw. Empfehlungen handeln. Ob die Arbeitsgericht ihnen folgen, bleibt abzuwarten.

Nun hat Arbeitsminister Hubertus Heil eine offizielle Erklärung veröffentlicht, aus der sich ergibt, das in Zeiten der Corona-Krise Betriebsratssitzungen auch mittels Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein sollen. Das soll sowohl für die Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder als auch für eine virtuelle Betriebsratssitzung gelten. Beschlüsse, die in einer solchen Sitzung gefasst werden, sollen wirksam sein. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:

Ministererklärung

– Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Betriebsräte mit Blick auf Covid-19 –

Die aktuelle Situation um Covid-19 stellt die gesamte Arbeitswelt vor erhebliche Herausforderungen. Das gilt natürlich auch für die Arbeit der Betriebsräte. Eine solche Ausnahmesituation kann allerdings keine Ausrede sein, um die Betriebsräte zu übergehen und ihre Rechte faktisch außer Kraft zu setzen.

Ich appelliere daher an die Arbeitgeber und die Betriebsrätinnen und Betriebsräte: Das Finden von schnellen und pragmatischen Lösungen hat derzeit die höchste Priorität, bitte beherzigen Sie dies bei all Ihrem Handeln.

Für die Betriebsrätinnen und Betriebsräte stellt sich nun allerdings zunehmend die Frage: Wie können wir noch zu einer Präsenzsitzung zusammenkommen, um die erforderlichen Beschlüsse zu treffen und einen Beitrag zur Bewältigung der Auswirkungen von Covid-19 zu leisten?

Der Normalfall ist, dass die Betriebsratsmitglieder zu einer Sitzung zusammenkommen; die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen ist nicht explizit im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen. Von einem solchen Normalfall können wir hier jedoch nicht sprechen, denn wir haben es mit einer Ausnahmesituation zu tun. Wir sind daher der Meinung, dass in der aktuellen Lage, wenn beispielsweise die Teilnahme an einer Präsenzsitzung zu Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder führt oder wegen behördlicher Anordnungen nicht möglich ist, auch die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie WebEx Meetings oder Skype, zulässig ist. Dies gilt sowohl für die Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder als auch eine virtuelle Betriebsratssitzung.

Die Beschlüsse, die in einer solchen Sitzung gefasst werden, sind nach unserer Auffassung wirksam. Weil es eine handschriftlich unterzeichnete Anwesenheitsliste in solch einem Fall nicht geben kann, sollte die Teilnahme gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden in Textform, also zum Beispiel per E-Mail bestätigt werden.

Auch bei einer Video- oder Telefonkonferenz muss der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gewahrt bleiben. Es ist also sicherzustellen, dass unberechtigte Dritte an der Sitzung nicht teilnehmen.“

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Betriebsräte: Wie die FAZ (Philipp Krohn/Marcus Jung), lto.de und community.beck.de (Markus Stoffels) berichten, können Betriebsräte in Zeiten des Coronavirus bei ihrer Beschlussfassung zur Videokonferenz greifen. Zwar sehe das Betriebsverfassungsgesetz eigentlich die persönliche Anwesenheit vor, jedoch habe Bundesarbeitsminister Heil (SPD) eine Erklärung abgegeben, nach der die Beschlussfassung des Betriebsrates in der momentanen Lage auch ohne sie zulässig sei. Nur so könne die Arbeitsfähigkeit der Betriebsräte sichergestellt werden. 

Zwar kann eine Einladung zu der nächsten Betriebsratssitzung per Videokonferenz oder per E-Mail erfolgen und auch auf diesem Wege über die Tagesordnung unterrichtet werden (soweit nichts Gegenteiliges in der Geschäftsordnung geregelt ist); jedoch steht der Wortlaut des § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wonach Beschlüsse mit der Mehrheit der "anwesenden Mitglieder" gefasst werden müssen, einer Beschlussfassung per Videokonferenz entgegen. Solange der Gesetzgeber keine Gesetzesänderung herbeiführt, sollte aus meiner Sicht von einer Videokonferenz- oder Umlaufbeschlussfassung abgesehen werden - vgl. hierzu im Einzelnen Kramer IT-Arbeitsrecht/Neu, 2. Aufl. 2019, C Rn. 156 ff. mwN. Eine ministerielle Erklärung ändert an dieser Rechtslage nichts. Praxisgerecht wäre vielmehr, die Örtlichkeit der Betriebsratssitzung so zu wählen, dass Gesundheitsgefahren minimiert bzw. ausgeschlossen werden können. So kann die Sitzung auch in einem ausreichend großen Raum mit "Sicherheitsabständen" außerhalb des - eventuell geschlossenen - Betriebes (unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit) stattfinden. Ansonsten droht nach der derzeitigen Rechtslage die Unwirksamkeit wichtiger Beschlüsse des Betriebsrats (wie beispielsweise zur Kurzarbeit).

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