Abschlussprüfungen während Covid-19 Pandemie – hier Staatsexamen Medizin

von Sibylle Schwarz, veröffentlicht am 06.04.2020
Rechtsgebiete: BildungsrechtCorona4|6658 Aufrufe

Die Prüfungen finden statt, sie finden nicht statt, sie finden vielleicht statt - Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung M2 Mitte nächster Woche.

Wegen ‚epidemischer Lage von nationaler Tragweite‘ zimmerte das Bundesgesundheitsministerium am 30. März hastig eine Verordnung, den „M2“ als zweites Staatsexamen Mitte April abzusagen. Stattdessen könnten die Studierenden der Medizin doch schon jetzt ihre praktische Ausbildung (PJ) beginnen und sofort in der Gesundheitsversorgung mitwirken.

Die Studierenden wollen sich zwar gerne engagieren, sorgen sich aber um eine ordnungsgemäße Ausbildung. Die Verschiebung der Prüfungstermine, aber vor allem die verkürzte Vorbereitung für die jeweiligen Termine stellen die Studierenden vor Probleme.

 

  • Ärztliche Ausbildung
  • Aktuelle Situation
  • Verfassungsrechtliche und prüfungsrechtliche Bedenken
    Föderalismus, Anmeldung und Zulassung, Chancengleichheit, Verhältnismäßigkeit

 

 und

  • Update: Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, Beschluss vom 14. April 2020, - 12 K 1887/20 -
  • weitere Update (Herbst 2021): Entscheidung der 2. Instanz des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, 9. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2021, - 9 S 3423/20 -

 

 

Ärztliche Ausbildung

Die Ausbildung zum Arzt/zur Ärztin soll im Folgenden in wenigen Worten skizziert werden:

Die ärztliche Ausbildung umfasst ein Studium der Medizin von einer Dauer von sechs Jahren an einer Universität oder gleichgestellten Hochschule, eine zusammenhängende praktische Ausbildung (Praktisches Jahr, PJ) von 48 Wochen, eine Ausbildung in erster Hilfe, einen Krankenpflegedienst von drei Monaten, eine Famulatur von vier Monaten und die Ärztliche Prüfung, die in drei Abschnitten abzulegen ist.

Die Ärztliche Prüfung wird abgelegt:

Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (schriftliche und mündlich-praktische Prüfung) nach einem Studium der Medizin von zwei Jahren,

Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (schriftlich) nach einem Studium der Medizin von drei Jahren nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung,

Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (mündlich-praktische Prüfung) nach einem Studium der Medizin von einem Jahr nach Bestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.

Die schriftlichen Prüfungen sind in bundeseinheitlichen Terminen abzuhalten und jeweils allen Prüflingen sind dieselben Prüfungsaufgaben zu stellen. Der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung wird stets im April und Oktober durchgeführt. Die Prüfung findet an drei aufeinander folgenden Tagen statt. Sie dauert an allen drei Tagen jeweils fünf Stunden und die Anzahl der in der Aufsichtsarbeit im Antwort-Wahl-Verfahren zu bearbeitenden Fragen beträgt 320. Die Studierenden nennen diese Prüfung M2.

Der mündlich-praktische Teil des Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung werden jeweils vor einer Prüfungskommission abgelegt.

Das Praktische Jahr (PJ) findet nach Bestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung statt. Diese 48-wöchige Ausbildung, bei der im Mittelpunkt die Ausbildung am Patienten steht, wird dementsprechend in den Universitätskrankenhäusern oder in anderen (Lehr) Krankenhäusern durchgeführt und beginnt jeweils in der zweiten Hälfte der Monate Mai und November. Die Universität erstellt einen Ausbildungsplan (Logbuch), nach dem die Ausbildung durchzuführen ist. Es wird weiterhin gefordert, dass „Die Studierenden dürfen nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihre Ausbildung nicht fördern.“

 

Martin Jonathan Gavrysh studiert im 8. Semester Medizin und engagiert sich in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd). Er hat in einem FAZ-Interview „Die Studierenden brauchen endlich Planungssicherheit“ (Uwe Ebbinghaus) vom 1. April 2020 die „Mediziner-Ausbildung“ anschaulich erklärt:

 

„Nachdem Medizinstudierende fünf Jahre lang ihre Ausbildung absolviert haben, schreiben sie das zweite Staatsexamen (M2), eine Prüfung mit 320 Fragen, aufgeteilt auf drei Tage, an denen man jeweils vier Stunden Zeit hat. Dafür bereiten sich die Studierenden in der Regel über drei Monate lang vor, man spricht hier vom „100-Tage-Lernplan“. Mit einem Abstand von etwa einem Monat gehen sie dann in das Praktische Jahr (PJ). Anschließend folgt das dritte Staatsexamen (M3), eine mündliche praktische Prüfung am Krankenbett. In diesem praktischen Jahr sind die Studierenden vollständig in die Stationsabläufe eingebunden.“

Der Prüfungstermin für den M2 (zweite Staatsexamen Medizin) liegt in diesem Jahr am 15. und 16. und 17. April 2020 – eigentlich.

 

Aktuelle Situation

„Die Weltgesundheitsorganisation hat am 30. Januar 2020 den Ausbruch des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen. Auch in Deutschland breitet sich das Virus aus und es erkranken immer mehr Menschen an COVID-19. Der Deutsche Bundestag hat daher mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Inkrafttreten des § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes am 28. März 2020 die epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Die zunehmende Ausbreitung des Virus hat auch Auswirkungen auf den Ablauf des Medizinstudiums. Viele Universitäten haben bereits den Lehrbetrieb zunächst bis zum 20. April 2020 eingestellt. Auch der für Mitte April 2020 angedachte Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung wird voraussichtlich nicht planmäßig in allen Ländern durchgeführt werden können. Um das Fachpersonal in den Kliniken und Praxen bei der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu unterstützen, können auch die Medizinstudierenden schon im Rahmen ihres Studiums in der Gesundheitsversorgung mitwirken. Sie leisten so schon vor dem eigentlichen Start in das Berufsleben als Ärztin oder Arzt einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Epidemie. Um dies angemessen zu würdigen, ist es von zentraler Bedeutung, dass ihnen dabei so wenige Nachteile wie möglich im Studienfortschritt entstehen.“

Mit diesen Worten beschreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die aktuelle Situation, die zuvor zu einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes führte, dort neu:

 „§ 5 Epidemische Lage von nationaler Tragweite

(1) Der Deutsche Bundestag stellt eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest. Der Deutsche Bundestag hebt die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder auf, wenn die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr vorliegen. Die Aufhebung ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit wird im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt, …“

und liefert sogleich die Lösung hinterher:

Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite - Vom 30. März 2020

 

Die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte trat am 1. April in Kraft und regelt nunmehr unter anderem:

„… Die Medizinstudierenden, die bereits zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zugelassen sind, beginnen auch dann mit dem Praktischen Jahr, wenn der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung wegen der epidemischen Lage nicht durchgeführt werden kann. Sie legen in diesem Fall den Zweiten und Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erst nach dem Praktischen Jahr ab. …“

Es hört sich doch zunächst gut an, schließlich sind wir alle in der Bevölkerung zur Solidarität aufgerufen, dazu, ältere Mitmenschen und Angehörige von Risikogruppen zu schützen, dazu, uns für das Gemeinwohl zu engagieren. Das Vorgehen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der Bundesländer begegnet dennoch verfassungsrechtlichen und prüfungsrechtlichen Bedenken.

 

Verfassungsrechtliche und prüfungsrechtliche Bedenken

Föderalismus

Die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte vom 30. März 2020 tritt am 1. April 2020 in Kraft und die M2 (Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung) liegt in diesem Jahr am 15. und 16. und 17. April 2020. Demnach wäre zwei Wochen vor dem Prüfungstermin die Prüfung abgesagt worden. Wer so denkt, hat die föderale Struktur Deutschlands mit 16 Bundesländern nicht beachtet und eine kleine Formulierung in § 7 Absatz 4 der Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte überlesen.

„(4) Die Länder können abweichend von den Absätzen 1 bis 3 vorsehen, dass der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach den Regelungen der Approbationsordnung für Ärzte durchgeführt wird, wenn die ordnungsgemäße Durchführung dieses Prüfungsabschnitts trotz der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gewährleistet ist.“

Die 16 Bundesländer könnten sich doch angesichts der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ auf ein einheitliches Vorgehen einigen. Weit gefehlt.

Nach dem Stand dieses Wochenendes möchten

10 Bundesländer den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M2) wie geplant Mitte des Monats (15., 16., 17. April 2020) stattfinden lassen,

2 Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg) planen das Zusammenlegen von Zweiten (M2) und Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M3),

3 Bundesländer wollen die Studierenden wählen lassen.

Das Bundesland Bremen hat keine medizinischen Fakultäten.

Unter diesem Link zur FAZ findet sich eine aktuelle Darstellung, wie die Bundesländer mit dem M2 verfahren.

 

Die Vorschrift der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) „Die schriftlichen Prüfungen sind in bundeseinheitlichen Terminen abzuhalten und jeweils allen Prüflingen sind dieselben Prüfungsaufgaben [hier in der Form Multiple Choice bzw Single Choice] zu stellen.“ wird nicht eingehalten. Hinsichtlich der diesjährigen Ärztlichen Prüfung / Mediziner-Staatsexamen ist Deutschland mal wieder ein Flickenteppich. Sogleich ist auch die Frage nach der Vergleichbarkeit von Staatsexamina aufgeworfen, der hier aber nicht nachgegangen werden soll. Zu dem Aspekt der Chancengleichheit unter den Prüflingen (Berufsbewerbern) als der Grundsatz eines Prüfungsverfahrens schlechthin, wird später noch eingegangen werden.

 

Anmeldung und Zulassung

Bis zum 10. Januar 2020 musste es geschehen sein. Ungefähr 4.600 Studierende der Medizin haben fristgerecht gemäß § 10 Absatz 3 Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) die Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung M2 beantragt.

Mit schriftlichem Bescheid vom 5. März 2020 hat beispielsweise das Bundesland Baden-Württemberg die Zulassung nebst Ladung zu M2 erklärt.

 

Am 30. März hat dann das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die „Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ verordnet.

Das Bundesland Baden-Württemberg habe „ohne direkten Kontakt mit den Prüflingen ein Dokument mit dem Hinweis der Prüfungsverschiebung seitens der zuständigen Landesstelle (Landesprüfungsamt) auf der Website hochgeladen.“

Das Bundesland Berlin habe „Mails an die betroffenen Studierenden versendet, dass bis zum darauffolgenden Tag um Mitternacht mitgeteilt werden soll, ob M2 zum Regeltermin oder nach dem Praktischen Jahr geschrieben werden soll. (Wahllösung)“.

Von Studierenden aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen ist zu hören, dass an sie Mails mit dem Anhang ‚Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte‘ und einem bloßen „bitte lesen“ versandt worden seien.

 

Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz

„(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.“

kann auch durch die Ausgestaltung von Prüfungen, die eine Ausbildungsstätte abschließen, beeinträchtigt werden. Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz garantiert nämlich die Freiheit, in einem selbst frei gewählten Beruf die dafür vorgeschriebene Ausbildung an einer selbst gewählten Ausbildungsstätte zu durchlaufen. Das Grundrecht der freien Wahl der Ausbildungsstätte umfasst den Zugang zu dieser, aber auch den Zugang zu und den Inhalt von berufsbezogenen Prüfungen.

 

Oder in den Worten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 13. November 1979 – 1 BvR 1022/78 –, BVerfGE 52, 380-391):

„… 24 1. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung schon mehrfach den engen Zusammenhang zwischen Ausbildung und späterer Berufstätigkeit hervorgehoben und demgemäß Vorschriften, die für die Aufnahme eines Berufs eine bestimmte Vorbildung und Ausbildung sowie den Nachweis der erworbenen Fähigkeiten durch Bestehen einer Prüfung verlangen, an Art 12 Abs 1 GG gemessen (vgl die Nachweise BVerfGE 37, 342 (352f) und 41, 251 (261)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dieses Grundrecht als unmittelbarer Prüfungsmaßstab darüber hinaus auch für Regelungen über die Durchführung berufsrelevanter Prüfungen in Betracht (BVerwGE 38, 105 (113); …“

 

Nachdem jedenfalls Studierende in Baden-Württemberg auf ihren Antrag auf Zulassung hin einen schriftlichen Bescheid über die Zulassung nebst Ladung erhalten haben, einen Verwaltungsakt also, hing die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Absage von Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung M2 bzw von der Verschiebung von M2 mehr vom Zufall ab.

Ob die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte aus dem Bundesgesundheitsministerium und die Information über Absage bzw Verschiebung der M2 auf der Website der Prüfungsbehörde das konkret-individuelle Prüfungsrechtsverhältnis gestaltet haben, darf in Zweifel gezogen werden. Meiner Einschätzung nach müssen die Studierenden im Bundesland Baden-Württemberg nach Erhalt des schriftlichen Verwaltungsakts ‚Zulassung nebst Ladung‘ eine förmliche Abladung zugestellt bekommen.

Denn überwiegend gilt, wer zu einer Prüfung zugelassen und geladen worden ist und ohne Entschuldigungsgründe nicht antritt, bei dem gilt die Prüfung als nicht bestanden. Die Prüflinge in Baden-Württemberg sind in rechtsunsicherer Lage. Es ist aber die ureigenste Aufgabe einer (staatlichen) Prüfungsbehörde, die Prüfung rechtskonform auszugestalten. Unklarheiten im Prüfungsverfahren gehen zu Lasten der Prüfungsbehörde.

Aber auch die anderen Bundesländer bzw ihre Prüfungsbehörden halten es nicht für nötig, den einzelnen Prüfling individuell zu informieren.

 

Ein faires bzw verfassungsgemäßes Prüfungsverfahren sieht anders aus. Auch in Zeiten einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ist das Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz zu beachten und sind die Belange der Studierenden in die Abwägungen des Gesetzgebers/Verordnungsgebers einzustellen. Der zweifellos notwendige Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist nicht automatisch gewichtiger als die anderen Grundrechte. Leider ist festzustellen, dass bei der verordnungsgeberischen Tätigkeit der Einfluß dieses Grundrechts aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz außer Acht geblieben ist, nämlich als Maßstab für Regelungen über die Durchführung der berufsrelevanten Prüfungen (M2).

Einfachgesetzlich lässt sich zudem noch auf die Regelung in § 3 Absatz 4 Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) hinweisen: „Die Studierenden dürfen nicht zu Tätigkeiten herangezogen werden, die ihre Ausbildung nicht fördern.“ Oft ist in der Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte die Rede von „die Medizinstudierenden schon im Rahmen ihres Studiums in der Gesundheitsversorgung mitwirken.“ Der Verordnungsgeber muss sich den Verdacht gefallen lassen, dass beim neuen sog. Vorzeitigen Praktischen Jahr die Ausbildung nicht im Vordergrund stehe.

 

Chancengleichheit

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 1974 – 1 BvL 11/73 –, BVerfGE 37, 342-361) zwar zur juristischen Ausbildung passt dennoch auch hier:

„… daß das Bestehen dieser Prüfung Voraussetzung für die Aufnahme eines juristischen Berufes ist und daß darüber hinaus der Zugang zu manchem dieser Berufe sowie das weitere berufliche Fortkommen auch von der erzielten Abschlußnote abhängen. …

… sowie bei einer Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften die Entscheidung, ob überhaupt eine Überleitung erfolgen und nach welcher Methode sie durchgeführt werden soll. Der Gesetzgeber ist aber nicht befugt, Prüflinge durch differenzierende Bestimmungen bis an die Grenze evidenter Unsachlichkeit verschieden behandeln zu dürfen und durch eine solche Ungleichbehandlung die Berufschancen eines Teils der zu prüfenden Berufsbewerber zu verschlechtern. Vielmehr ist er umgekehrt gehalten, die Chancengleichheit der Prüflinge soweit wie irgend möglich sicherzustellen und dann, wenn bei Übergangsregelungen eine Verschiedenbehandlung unvermeidbar wird, jedenfalls übermäßige unzumutbare Benachteiligungen zu vermeiden. …“

 

Bei der Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften - wie hier durch die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte - gibt es Gruppen, die nach altem und nach neuem Recht (je nach Bundesland, siehe oben) ausgebildet / geprüft werden.

Im alten Recht war/ist die Prüfungsabfolge: erst M2, danach PJ und danach M3.

Durch die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte verläuft es in manchen Bundesländern nunmehr: erst PJ, danach M2 und M3

M2 = Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (schriftliche Prüfung im April bzw Oktober) nach einem Studium der Medizin von drei Jahren nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.

M3 = Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (mündlich-praktische Prüfung) nach einem Studium der Medizin von einem Jahr nach Bestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.

PJ = Das 48-wöchige Praktische Jahr (PJ) wird in den Universitätskrankenhäusern oder in anderen (Lehr) Krankenhäusern durchgeführt, dabei steht die Ausbildung am Patienten im Mittelpunkt. Es beginnt Mitte/Ende Mai bzw November.

Dabei stellt sich nicht die Verschiebung von Prüfungsterminen als Problem dar, sondern hauptsächlich die Dauer der Prüfungsvorbereitung für die jeweiligen Prüfungstermine.

 

erst M2, danach PJ und danach M3

Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfungwird von den Studierenden als M2 bezeichnet (früher zusammen mit M3 als das „Hammerexamen“). Im Selbststudium lernen die Studierenden anhand eines „100 Tage Lernplans“ ungefähr 3 bis 4 Monate auf diese Prüfung, sie üben mit Altklausuren.

 

Für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung M3 als mündlich-praktische Prüfung vor einer Prüfungskommission lernen die Studierenden 3 Wochen. Viele Studierende nutzen aber zusätzlich die Möglichkeit, von den 30 „erlaubten“ Fehltagen im PJ 20 Fehltage ganz am Ende des PJ zu nehmen, um auch in dieser Zeit zu lernen. Die Dauer der Prüfungsvorbereitung für M3 ergibt damit 3 Wochen plus etwaige weitere 3 Wochen, insgesamt können somit 6 Wochen für das Lernen zur Verfügung stehen.

Dauer Prüfungsvorbereitung für M2         3 bis 4 Monate

Dauer Prüfungsvorbereitung für M3         höchstwahrscheinlich 6 Wochen

 

erst PJ, danach M2 und M3

Die Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte vom 30. März 2020, die am 1. April 2020 in Kraft trat, bringt nicht nur die Prüfungstermine und die Prüfungsabfolge, sondern vor allem die Prüfungsvorbereitung heftig durcheinander.

Das neue sog. Vorzeitige Praktische Jahr beginnt neuerdings schon im April. Es dauert mindestens 45 Wochen, kann aber auch wie früher 48 Wochen dauern. Nach dem Ende des Vorzeitige Praktische Jahr können die Studierenden 6 Wochen bzw nur 3 Wochen für den M2 lernen. Nach dem dreitägigen M2 können die Studierenden 2 Wochen für den M3 lernen.

Dauer Prüfungsvorbereitung für M2-neu              6 Wochen, ggf. nur 3 Wochen

Dauer Prüfungsvorbereitung für M3-neu              2 Wochen

 

In der Gegenüberstellung der Dauern der Prüfungsvorbereitungen nach altem und neuen Recht wird schnell offensichtlich, dass der das Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz der Chancengleichheit nicht gewahrt ist. Klar ist, dass das Bestehen dieser Prüfungen (M2 und M3) Voraussetzung für die Approbation ist und dass darüber hinaus der Zugang zu manchem ärztlichen Beruf sowie das weitere berufliche Fortkommen auch von der erzielten Abschlußnote abhängt. Aber auch bei einer Änderung von Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften wie hier ist der Gesetzgeber/Verordnungsgeber gehalten, die Chancengleichheit der Prüflinge (Berufsbewerber) soweit wie irgend möglich sicherzustellen. Im neuen Recht hätte es eine ähnliche lange Dauer zur Prüfungsvorbereitung geben müssen wie im alten Recht.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Studierenden, die sich bis zum 10. Januar 2020 für den M2 im April 2020 anmelden mussten, den verbleibenden Monat Januar und die Monate Februar und März schon zur Prüfungsvorbereitung auf den M2 genutzt haben. Dieses bereits erlernte Wissen muss jetzt „konserviert werden“, sprich bis zum neuen Prüfungstermin M2 im April 2021 aufrechterhalten werden. Diese Prüflinge sind übermäßig benachteiligt. Der Grundsatz der Chancengleichheit aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz ist verletzt.

 

Verhältnismäßigkeit

Zu guter Letzt sei noch angemerkt, dass das neue Recht (Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte) den rechtstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (geeignet, erforderlich, angemessen) nicht einhält.

Die geänderte Abfolge erst PJ, danach M2 und M3 bringt gerade einmal eine zeitliche Vorverlagerung von 2 Wochen, höchstens 3 Wochen, in der die Studierenden nun früher in der Gesundheitsversorgung mitwirken könnten. Der erklärte Zweck der Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte ist, Medizinstudierende „sofort“ in der Gesundheitsversorgung einsetzen zu können, um Fachpersonal in Kliniken und Praxen bei der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu unterstützen. Die Neuregelung ist nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Das Praktische Jahr beginnt ohnehin Mitte Mai. Es hätte grundrechtskonform und verhältnismäßig dahingehend geregelt werden können, dass die Studierenden der Medizin in allen Bundesländern den M2 bis Freitag 17. April 2020 um 14 Uhr absolvieren. Ohne Prüfungsergebnis hätten sie verpflichtet werden können, unverzüglich ab Montag 20. April 2020 das Praktische Jahr zu beginnen. Nur so hätten die Interessen des Staates, bzw des Gemeinwohls mit den Interessen der Studierenden an einem ordnungsgemäßen Prüfungsablauf in einen schonenden Ausgleich gebracht werden können.

Gerade vor dem Hintergrund einer Meldung, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags rechtliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des geänderten Infektionsschutzgesetzes geäußert haben soll.

 

Auch sei noch erwähnt, dass BAföG weiterhin gewährt werde, da das Praktische Jahr als Bestandteil des Studiums gelte.

 

- - -

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) hat mit Informationen zu diesem Blog Beitrag beigetragen, wofür ich danke. Auch den angehenden Ärzten Ruth und Nils danke ich für Ihre Mithilfe.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

4 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Hallo,

vielen Dank für diesen Beitrag!

Was eine weitere Erschwernis für die Studenten mit verschobenem M2 darstellt ist, dass für Prüfungen ab kommenden Frühjahr ein neuer Gegenstandskatalog des IMPP gilt.

D.h. eine bloße Wissenskonservierung reicht nich einmal, sondern es ist tatsächlich die Erarbeitung neuen / anderen Wissens erforderlich.

MfG

0

Update 22. April 2020

VG Stuttgart, Beschluss vom 14. April 2020 - 12 K 1887/20 -

Mit Bescheid vom 5. März 2020 wurde der Antragsteller, der Humanmedizin an der Universität H. studiert, zum Frühjahrstermin 2020 für den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung zugelassen, die im Zeitraum vom 15. bis zum 17 April für den Antragsteller am Prüfungsstandort K. stattfinden sollte.

In Baden-Württemberg entschied das Sozialministerium in Rücksprache mit den medizinischen Fakultäten, von dieser Abweichungskompetenz [siehe Beitrag oben] keinen Gebrauch zu machen, da eine Durchführung der Prüfung ohne Ansteckungsrisiko für Teilnehmer und Aufsichtspersonal nicht gewährleistet werden könne.

Die Information über das Nichtstattfinden der Prüfung wurde am 1. April 2020 auf der Internetseite des Landesprüfungsamtes für Medizin und Pharmazie eingestellt.
Am 8. April 2020 erhielt der Antragsteller zusätzlich über sein elektronisches Postfach ein Schreiben, das ihn darüber informierte, dass der zweite Abschnitt der ärztlichen Prüfung erst nach einem vorzeitigen praktischen Jahr durchgeführt wird.
Der Antragsteller könne wie in der Verordnung vorgesehen am 20. April mit dem vorgezogenen praktischen Jahr beginnen und die Prüfung im Frühjahr 2021 ablegen. Daneben bestehe jedoch auch die Möglichkeit, nicht mit dem vorzeitigen praktischen Jahr zu beginnen und die Prüfung stattdessen im Herbst 2020 abzulegen.

Am 9. April 2020 hat der Antragsteller beantragt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die Ablegung des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung am ursprünglich vorgesehenen Termin vom 15. April bis zum 17. April 2020 zu ermöglichen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart - 12. Kammer, 12 K 1887/20 - hat am 14. April 2020 beschlossen: Der Antrag wird abgelehnt.

 

Aus den Gründen des Verwaltungsgerichts Stuttgart:

„Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich nicht auf Grundlage seines Prüfungsanspruchs. Zwar wurde der Antragsteller mit Bescheid vom 5. März 2020 zum zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung zugelassen. Mit Zulassung zur Prüfung wird ein Prüfungsrechtsverhältnis begründet, das dem Prüfling grundsätzlich einen Anspruch auf Durchführung der Prüfung verleiht. Der Prüfungsanspruch beinhaltet die Pflicht der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren ohne vermeidbare Verzögerungen durchzuführen und zum Abschluss zu bringen. Dies gilt jedoch nur, soweit keine rechtserheblichen Hinderungsgründe vorliegen (Jeremias in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 166).“

 

„Die Verordnung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig …

1.

Die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zur Abweichung von der Approbationsordnung ist rechtmäßig. Insbesondere beruht sie auf einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Rechtsgrundlage für die Verordnung bildet § 5 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b) IfSG. Die Verordnungsermächtigung wahrt dabei insbesondere die Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, da sie Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung genau bestimmt. Die Vorschrift sieht vor, dass zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung durch Verordnung abweichend von der Approbationsordnung für Ärzte die Zeitpunkte und Anforderungen an die einzelnen Abschnitte der ärztlichen Prüfung festgelegt werden können und dabei zu regeln ist, dass Medizinstudierende infolge ihrer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung keinen Nachteil für ihr Studium erleiden.

 

b) Die Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte ist auch in materiell-rechtlicher Sicht nicht zu bestanden.

aa) Die Verordnung entspricht dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage. ….

 

bb) Die Verordnung überschreitet hinsichtlich ihres Regelungsinhalts auch nicht den ihr von der Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Rahmen, denn es sind gerade Zeitpunkte und Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der ärztlichen Prüfung, die zur Sicherstellung der oben genannten Ziele in die Regelungskompetenz des Verordnungsgebers gestellt wurden.

 

cc) Die Verordnung ist auch vereinbar mit höherrangigem Recht.

(1) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit liegt nicht vor. … Damit gelten für alle Prüflinge im Ausgangspunkt dieselben rechtlichen Prüfungsbedingungen.

(2) Die Verordnung wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. …

Die Verordnung dient dem legitimen Zweck, einerseits der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken, indem auf die mit einem Ansteckungsrisiko belastete Durchführung des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahrstermin 2020 verzichtet wird. Andererseits soll damit gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Medizinstudierenden als dringend benötigte Unterstützung in der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen und nach Möglichkeit keine Nachteile für den Fortschritt ihres Studiums erleiden.

Zur Erreichung dieses Zwecks sind die in der Verordnung getroffenen Regelungen geeignet. Zudem stehen keine milderen, gleich wirksamen Mittel zur Verfügung.

Die Verordnung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Interesses der Studierenden, die Prüfung möglichst bald ablegen zu können und dabei bestmögliche Bedingungen für eine optimale Prüfungsvorbereitung zu haben, als angemessen.

 

2.

Die Anwendung dieser Vorschriften durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden. …

… Die Entscheidung des Beklagten, von der Abweichungskompetenz keinen Gebrauch zu machen, da die Prüfung in Baden-Württemberg nicht risikofrei durchgeführt werden könne, erweist sich nicht als ermessenfehlerhaft. Es handelt sich hierbei um eine politische Entscheidung, die sich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit bewegt. …

 

… Zusätzlich zu den Neuregelungen der Verordnung, die bereits weitgehend Nachteile für den Studienverlauf der Betroffenen vermeiden, hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass als weitere Option die Möglichkeit besteht, das vorzeitige praktische Jahr nicht wahrzunehmen und den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung stattdessen im Herbsttermin 2020 abzulegen. Dies verzögere zwar den Studienablauf um ein Semester, verringere jedoch die Wartezeit auf die Prüfung und ermögliche eine umfassende Vorbereitung. Angesichts dieser Umstände hat der Beklagte den Interessen des Antragstellers und der übrigen Betroffenen in hinreichendem Maße Rechnung getragen.

 

Ein Anspruch des Antragstellers gegen den Beklagten darauf, von der Abweichungskompetenz des § 7 Abs. 4 der Verordnung Gebrauch zu machen, besteht daher nicht.“

 

Das Verwaltungsgericht Stuttgart äußerte sich auch zu den Bedenken der Medizinstudierenden nach dem Praktischen Jahr das

sog. „Hammerexamen“

absolvieren zu müssen:

„Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Regelungen der Verordnung zum geänderten Studienablauf so ausgestaltet wurden, dass die daraus resultierenden Nachteile für die Studierenden möglichst geringgehalten werden. Zum einen kommt es durch die Möglichkeit des vorzeitigen praktischen Jahres zu keinen Verzögerungen im Studienfortschritt. Die Studierenden können den dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung wie ursprünglich vorgesehen im Mai 2021 ablegen und damit ihr Studium zum gleichen Zeitpunkt abschließen, wie dies bei einer Durchführung des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im April 2020 der Fall wäre.

Wie sich aus der Begründung zu § 5 Abs. 2 der Verordnung ergibt, wurde zudem durch Verkürzung der Ausbildungsabschnitte von 16 Wochen auf 15 Wochen sichergestellt, dass den Studieren-den nach Abschluss des praktischen Jahres bis zum Beginn der Prüfungen des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2021, der vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungen auf den 13. April 2021 festgelegt wurde, mindestens ein Zeitraum von sechs Wochen zur Verfügung stehen wird, um sich ungestört erneut auf die Prüfungen vorbereiten zu können.

Angesichts des Umstandes, dass kein komplettes Neuerarbeiten des Prüfungsstoffes erforderlich ist, sondern die Teilnehmer bereits auf die Ablegung der Prüfung vorbereitet waren und es hier um die Reaktivierung des bereits erworbenen Wissens geht, ist dieser Zeitraum auch als angemessen zu betrachten.

Als weiterer Ausgleich sollen gemäß § 8 der Verordnung in Abweichung zu § 28 ÄApprO auch die berufspraktischen Anforderungen an den Arzt und die Krankheitsbilder, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite stehen, Prüfungsgegenstand sein. Damit sollen sich die Prüfungsfragen verstärkt auf Inhalte beziehen, mit denen die Studierenden im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung in besonderem Maße konfrontiert waren. Im praktischen Jahr erworbenes Wissen soll insoweit honoriert werden. Auch ist durch die Festlegung der Prüfungstermine sichergestellt, dass zwischen dem Ablegen des zweiten Ab-schnitts der ärztlichen Prüfung und dem dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung ein Monat liegt.“

Die Bedenken sind nachvollziehbar. Nur - warum soll es den angehenden Ärzten besser gehen als permanent den Juristen? Wann immer Prüfung anberaumt wird - man soll ja die Exkremente des Gesetzgebers und Abgänge  der Gerichte bis zum Prüfungstag kennen!

Im alten Recht war/ist die Prüfungsabfolge: erst M2, danach PJ und danach M3.

Durch die (neue) Abweichung-Approbationsordnung für Ärzte verläuft es in manchen Bundesländern nunmehr: erst PJ, danach M2 und M3.

Im Streit stand die Durchführung des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (M2) nach Absolvierung des vorzeitigen Praktischen Jahrs (PJ) – Vorziehen des PJ unter Verschiebung der M2-Prüfung.

 

In meinem (ersten) Kommentar-Update habe ich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart dargestellt, Beschluss vom 14. April 2020 - 12 K 1887/20 -.

Nun in einem weiteren Update möchte ich eine Entscheidung der 2. Instanz nicht vorenthalten -> Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 9. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2021, Aktenzeichen: 9 S 3423/20

(Verfahrensgang hier aber: vorgehend Verwaltungsgericht Karlsruhe 11. Kammer, Beschluss vom 6. Oktober 2020, 11 K 3679/20)

 

Problemlage:

Die Antragstellerin, eine Studierende der Humanmedizin an der Universität Heidelberg, begehrt vorläufigen Rechtsschutz wegen der pandemiebedingten Verschiebung des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (im Folgenden: M2-Prüfung) vom Frühjahr 2020 auf das Frühjahr 2021.

 

Entscheidung:

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Die Regelungen der Approbationsordnung für Ärzte vom 27.06.2002 - ÄApprO - (BGBl. I S. 2405) sehen in § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1 Satz 1 vor, dass nach dem Bestehen der M2-Prüfung das Praktische Jahr (im Folgenden: PJ) stattfindet, das sich aus drei Abschnitten zu je 16 Wochen zusammensetzt. An dessen Ende wird der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M3-Prüfung) abgelegt.

… das Praktische Jahr abweichend von § 3 Abs. 1 ÄApprO nach einem Studium der Medizin von fünf Jahren und der Zulassung zur M2-Prüfung stattfindet (vorzeitiges Praktisches Jahr).

 

Mit Schreiben vom 08.04.2020 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die M2-Prüfung erst nach einem vorzeitigen Praktischen Jahr durchgeführt werde und dass sie damit am 20.04.2020 beginnen und die Prüfung im Frühjahr 2021 ablegen könne. Demgemäß begann die Antragstellerin am 20.04.2020 mit dem vorzeitigen Praktischen Jahr.

 

Soweit sie geltend macht, dass sie auf der Basis der Neuregelung die M2- und die M3-Prüfung in relativ kurzer Zeit hintereinander absolvieren müsse („Hammerexamen“) und sich dies womöglich auf ihre physische und psychische Belastungssituation auswirke, entziehen sich derartige Belastungen einer objektiven Bewertung; sie hängen ausschließlich von der individuellen körperlichen und psychischen Verfassung des einzelnen Prüflings während der Prüfungen ab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.06.2015 - 6 B 11.15 -).

Im Rahmen der normativen Vorgaben bestimmt aber jeder Prüfling eigenverantwortlich, nach welchen Methoden und mit welchem zeitlichen Aufwand er sich auf die Prüfung vorbereitet. Dabei ist hervorzuheben, dass der Prüfungserfolg weniger von dem Umfang des vorzubereitenden Prüfungsstoffes als vielmehr von Faktoren wie der individuellen Begabung, dem persönlichen Lerneifer und der Intensität der Vorbereitung abhängt …

Die Folgen einer Verlegung des Prüfungstermins wurden dadurch abgemildert, dass das PJ nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 ÄApprOAbwVO insgesamt um drei Wochen verkürzt worden ist, … erweist sich die der Antragstellerin zur Verfügung stehende Vorbereitungszeit nicht als unangemessen kurz. … Soweit die Antragstellerin wegen der kürzeren Prüfungsvorbereitung ein schlechteres Abschneiden in den Prüfungen befürchtet, erweist sich dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt als spekulativ. … Denn die Antragstellerin hat die Möglichkeit, sich nach Absolvierung der Prüfung gerichtlich gegen deren Ergebnis zu Wehr zu setzen. …

 

Der Vollständigkeit halber sei auch noch erwähnt:

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, Beschluss vom 11. März 2021, Aktenzeichen: 7 CE 21.17,

Kommentar hinzufügen