Obliegenheit zur Offenlegung der Schwerbehinderung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.06.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|576 Aufrufe

Wer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG mit der Begründung begehrt, der öffentliche Arbeitgeber habe ihn entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, muss seine Schwerbehinderung in der Bewerbung offengelegt haben. Das gilt bei einem durch eine dezentrale Einheit des öffentlichen Arbeitgebers durchgeführten Bewerbungsverfahren auch dann, wenn die zentrale Personalverwaltung von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung Kenntnis hatte.

Das hat das BAG entschieden.

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über den von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG iHv. knapp 8.000 Euro. Die einem schwerbehinderten Menschen mit einem GdB von 40 gleichgestellte Klägerin war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages an der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beschäftigt. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses bewarb sie sich auf Sekretariatsstellen an anderen Fakultäten angegliederten Instituten derselben Universität. Die Bewerbungsverfahren wurden dezentral durch das Institut für Physik bzw. das Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften durchgeführt. Diese hatten von der Gleichstellung der Klägerin keine Kenntnis, sie hatte diese in ihrem Bewerbungsschreiben auch nicht mitgeteilt. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe auf ihre Gleichstellung nicht hinweisen müssen, weil diese bei der Universität bekannt gewesen sei. Es sei ausreichend, dass die Personalabteilung als personalführende Stelle Kenntnis gehabt habe.

Dem ist das BAG nicht gefolgt und hat auf die Revision des beklagten Landes insoweit das klageabweisende Urteil der ersten Instanz wieder hergestellt:

In der vorliegenden Fallgestaltung spricht die Vielzahl der beim beklagten Land im Bereich der Universität beschäftigten Arbeitnehmer und die dezentrale Durchführung der Bewerbungsverfahren dafür, dass eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung in den Bewerbungsunterlagen mitzuteilen ist. Die Bewerbungsverfahren für die ausgeschriebenen Stellen sind in der Naturwissenschaftlichen Fakultät II, Institut für Physik, und in der Naturwissenschaftlichen Fakultät III, Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften, durchgeführt worden. Die das Bewerbungsverfahren durchführenden Fakultäten sind von der zentralen Personalabteilung organisatorisch getrennt. Während die Auswahl der Bewerber in den Instituten der verschiedenen Fakultäten durchgeführt wurde, ist die Personalabteilung zuständig für den anschließenden formalen Abschluss des Arbeitsvertrags mit den im Bewerbungsverfahren ausgewählten Bewerbern.

Die dezentrale Durchführung der Bewerbungsverfahren war für die Klägerin aufgrund der Stellenausschreibungen auch erkennbar. Danach sollte die Bewerbung unmittelbar an ein bestimmtes Institut in den unterschiedlichen Fakultäten gerichtet werden. Sämtliche in den Stellenausschreibungen angegebenen Kontaktdaten waren solche des jeweiligen Instituts, insbesondere des jeweiligen namentlich benannten Professors. Kontaktdaten der zentralen Personalabteilung enthielten die Stellenausschreibungen dagegen nicht.

Aus den Stellenausschreibungen war auch ersichtlich, dass alle für die Auswahlentscheidung relevanten Informationen in den Bewerbungsunterlagen mitgeteilt werden sollten. Die Bewerbungen sollten ausweislich der Stellenausschreibungen ausdrücklich „mit den üblichen Unterlagen“ eingereicht werden. Die Stellenausschreibungen enthielten auch keinen Hinweis darauf, dass die bei der Universität geführten Personalakten im Bewerbungsverfahren eingesehen werden würden, etwa in der Form, dass eine Einwilligung in die Einsichtnahme erteilt werden möge. Entsprechend hat die Klägerin auch jeweils vollständige Bewerbungsunterlagen bestehend aus einem Anschreiben, einem ausführlichen Lebenslauf sowie dem Zeugnis einer Berufsfachschule eingereicht.

BAG, Urt. vom 25.4.2024 - 8 AZR 143/23, BeckRS 2024, 13990

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen