LG Hamburg: Beweiswert von Rasch-Dokumenten

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 26.03.2008

LG Hamburg: Urteil zur Beweisführung in Filesharing-Klagen

Das Landgericht Hamburg hat am 14. März 2008 eine Klage von Sony BMG wegen illegalen Kopierens urheberrechtlich geschützter Musik abgewiesen. Die von Sony BMG vorgelegten Beweismittel seien unzureichend, stellte das Gericht
fest. Das Gericht sah es als nicht hinreichend an, dass der von Sony beauftragte Anwalt Rasch mit seiner Firma ProMedia nur nicht verifizierbare Ausdrucke des Bildschirmausdrucke beibrachte.

http://www.golem.de/0803/58526.html

Der Fall wirft m.E. einige grundsätzlichere Fragen auf: Wie kann es sein, daß ein Privatunternehmen die Staatsanwaltschaft für ihre Zwecke instrumentalisiert, Eltern von Computerkids drangsaliert und mit gewaltigen Geldforderungen einschüchtert? Ist der Musikindustrie wirklich geholfen, wenn solche Praktiken die Runde machen? Zum Glück rudern Gerichte und Staatsanwaltschaften zurück und verweisen die selbsternannten Internet-Fahnder in ihre Grenzen.

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8 Kommentare

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"Der Fall wirft m.E. einige grundsätzlichere Fragen auf"
Aber nicht erst dieser Fall, das wird ja auch nicht erst seit gestern so praktiziert (oder kritisiert). Auch wenn die Staatsanwaltschaften teilweise mit einer rechtzeitigen Verfahrenseinstellung reagieren ist letzten Endes der Gesetzgeber gefordert: Wenn der einschränken würde, wie viel Geld maximal fließen kann, wäre das Thema schnell wieder weg vom Tisch.
Zu denken ist dabei nicht nur an eine umfassende Begrenzung der Abmahngebühren gegenüber Verbrauchern, sondern auch an eine saubere Definition des Verbrauchers (es kann nicht sein, dass der private Verkauf von "zu viel"-ebay Artikeln schon zum Unternehmer führt). Ebenso sollte man sich des Problems annehmen und eine angemessene gesetzliche Bagatellgrenze für Urheberrechtsverstöße einführen. Ein 15-Jähriger, der im Laden stiehlt wird bestraft - ein 15-Jähriger der Musik tauscht, ruiniert sich (je nach Umfang) sein ganzes Leben.

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Wie Heise berichtet lehnt die Wuppertaler STA seit kurzem strafrechtliche Ermittlungen gegen Tauschbörsennutzer kategorisch ab.

http://www.heise.de/newsticker/Staatsanwaltschaft-verweigert-Ermittlung-...

Grundsätzlich halte ich es für richtig, daß sich die STA nicht zum Büttel der Musikindustrie machen lässt. Eine generelle Ablehnung der Bearbeitung halte ich aber für sehr fraglich und bin gespannt auf die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft.

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M.E. verbietet sich hier jedwede pauschale Betrachtungsweise. Aus den Anrufen betroffener Eltern weiß ich, daß einige Kids 800 und mehr Musiktitel auf ihren Rechnern gehortet haben. Aber es gibt eben auch Kids, die versehentlich noch eine einzige, legal erworbene Hörspieledition von Harry Potter auf dem Rechner hatten; deren Eltern sollten 8000 Euro dafür zahlen. Ich frage mich im übrigen, ob die Strategie der Musikindustrie nicht stark kontraproduktiv wirkt.

Das primitive Bestrafen von "bösen Kids" wird dem Phänomen der Piraterie nicht gerecht. Zum einen ist zu bedenken, dass der Begriff der Piraterie seinerseits schillernd ist. Er umfasst die krassen Fälle des Plagiats in Entwicklungsländern ebenso wie die vertragswidrige Überproduktion oder Auslieferung durch Vertragshändler. Auch wird er manchmal verwendet, um Handlungen zu bezeichnen, die rechtlich einwandfrei, aber aus Sicht der Industrie nicht wünschenswert sind. Zu denken ist hier z.B. an die Fälle der Parallelimporte. Schließlich umfasst der Piraterievorwurf auch das massenhafte Kopieren durch Private, etwa im Falle von Kazaa und anderen Peer-to-peer-Diensten.

Wer nach schärferen Sanktionen verlangt, geht davon aus, dass die Gesellschaft insgesamt an den Schutz von Kreativität und Innovation glaubt. Es gehörte bislang zu den scheinbar unangreifbaren Grundannahmen moderner Industrienationen, dass das sog. geistige Eigentum an sich und damit auch rechtlich schützenswert sei. Doch durch Limewire & Co. werden wir eines anderen belehrt. „Geiz ist geil“ - inzwischen ist es ein Volkssport, sich über das Internet kostenlos zu bedienen. Flächendeckend und durch alle Altersschichten droht eine tiefe Erosion des ethischen Bewusstseins: Viele wollen nicht mehr verstehen, wieso sie für Musik oder Videos noch etwas bezahlen sollen, wenn es alles über das Internet umsonst gibt. Diese „Umsonst-Mentalität“ findet sich nicht nur im Urheberrecht. Auch die Markenindustrie sieht sich einer Bevölkerung gegenüber, die den besonderen Wert einer Marke nicht mehr versteht. Kein Wunder, wenn es die Streifen auf den Schuhen auch billiger gibt, wenn H&M-Modetrends kopieren, wenn es die Benetton-T-Shirts beim Türkeiurlaub so günstig gab. Die Wirtschaft ist all diesen gefährlichen Trends gegenüber völlig ratlos. Sie schreit eben nach der Strafe und schafft damit symbolische Strafrechte, was wiederum den Wert der Strafe selbst desavouiert.

Und die Lösung? Es reicht nicht aus, an der Oberfläche nur mit Strafen zu drohen, die gegenüber dem Massenphänomen der Piraterie nicht durchsetzbar sind. Es bedarf der langfristigen Etablierung und Wiedergewinnung eines gesamtgesellschaftlichen Normbewusstseins, das die Sinnhaftigkeit des Schutzes von Innovation und Kreativität wieder als selbstverständlich anerkennt. Dazu ist eine Erziehungsarbeit notwendig, die weit über den Rahmen rechtlicher Maßnahmen hinausgeht. Es ist doch sehr auffällig, dass es keinen einzigen Unterrichtsentwurf gibt, der sich mit dem Schutz der Rechte am geistigen Eigentum beschäftigt. Warum ist die Musikindustrie nicht an den Schulen und bringt den Kindern vor Ort ein Gespür für den Wert musikalischer Leistungen nahe? Wo sind die Aufklärungskampagnen der Markenartikelindustrie, die positiv die Bedeutung einer Marke auch zu Gunsten des Verbrauchers vermitteln. Wann werden sich die Lobbyisten einmal aus ihren Glaspalästen in Berlin oder Brüssel wegbewegen, um dem angeblich kleinen Mann von der Straße den Wert einer Marke, eines Urheberrechts oder eines Patents zu erklären?

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Was ist eigentlich aus der Idee geworden, eine Art "Warnschuss-Abmahnung" durchzuführen, die entweder

1. kostenlos oder
2. kostenmäßig begrenzt ist (Bsp.: 50 EUR)

RAe wie Rasch werden nicht mehr so gerne tätig werden, die Belastung der StAen nimmt ab, aber die Abschreckung durch eingeleitete Ermittlungsverfahren besteht weiterhin. Die wenigstens wissen doch, dass die Keule tatsächlich im Zivilrecht liegt, fürchten Strafe (Worauf ja auch die "Raubkopierer sind Verbrecher"-Kampagne abzielt).

Für eine Kulturflatrate sind wir nicht bereit, oder? Als Verbraucher klingt das für mich gut und die GEMA ist ja quasi auch eine Art Flatrate (für bestimmte Bereiche) und: Es klappt!

Matthias

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Ich bin mir nicht sicher, ob die Umsetzung der Enforcement-Richtlinie substantiell etwas ändern wird. Zwar mag in der nächsten Woche die 100 Euro-Grenze kommen. Aber die gilt nur für einfach gelagerte Fälle. Die Massenabmahner werden sofort kommen und argumentieren, daß mehrfache Nutzung von P2P kein "einfach gelagerter Fall" mehr ist (das habe ich schon wörtlich so in einer mir übersandten Urheberechtsabmahnung so gelesen). Gruss IHr TH

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Davon gehe ich ebenfalls aus. Ich meine auch bereits einen Aufsatz in der Hand gehabt zu haben, der den "einfach gelagerten Fall" erörtert hat, kann mich aber leider grade nicht an die Fundstelle erinnern. Bei einer solchen Limitierung wird das Abmahnen weniger rentabel und der Abschreckungsfaktor sinkt auch (wobei auch 100€ ziemlich abschreckend sind, wenn das Risiko erwischt zu werden sehr hoch ist).

Mir fallen ad hoc zwei Kriterien ein, anhand derer ein Fall als "einfach" oder "nicht einfach" eingestuft werden kann:
Die rechtliche Bewertung und Bearbeitung. Dies dürfte jedoch in den allermeisten Fällen der P2P-Börsen kaum ein Problem darstellen, da die Rechtsinhaberschaft klar ist und auch die Verletzung - von der Beweisebene abgesehen - ziemlich offen auf der Hand liegt.
Die Ermittlungsebene. Hier sitzen zwar Unternehmen wie proMedia und Logistep hinter, die eigentliche Ermittlung - noch dazu im Einzelfall - stellt sich aber aufgrund der weitgehend automatisierten Verfahren als unproblematisch dar.
Ausweislich der ursprünglichen Gesetzesbegründung (BTDrucks. 16/5048, S. 49) ist ein Fall "einfach gelagert",

wenn er nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand
zu bearbeiten ist, also zur Routine gehört.

Sowohl die automatisierte Ermittlung - zumindest Logistep verwendet hier ein automatisiertes Verfahren - wie auch die serienbriefmäßige Fertigung der Abmahnschreiben erfüllen mE exakt dieses Kriterium.

Die "unerhebliche Rechtsverletzung" als weiteres einschränkendes Kriterium dürfte als nächste Ebene angeführt werden. Ich vermute, dass bereits bei einer einzigen Rechtsverletzung mindestens aber bei zweien von den Anwälten der Urheber eine "erhebliche Rechtsverletzung" behauptet werden wird. Gerade bei top-aktuellen Kinofilmen könnte man dies wohl aus qualitativer Hinsicht auch annehmen. Die Gesetzesbegründung will aber ausdrücklich auch quantitative Aspekte berücksichtigt sehen - für die bliebe bei einer solchen Argumentation aber kaum Platz.

Korrigieren Sie mich gerne, wenn ich mich irre :)

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ich habe eine negative Feststellungsklage gegen die deutsche Musikindustrie erhoben. Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft gegen mich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, da die Kanzlei Rasch eine Strafanzeige erstattet hatte und der Provider mitgeteilt hatte, dass die IP-Nummer mir als Anschlussinhaber zugeordnet gewesen sein soll. Ich habe daraufhin die Kanzlei Rasch sowie ihre Mandanten mehrfach angeschrieben und aufgefordert zu erklären, dass keinerlei Ansprüche gegen mich bestehen oder geltendgemacht werden. Eine Reaktion auf diese Schreiben erfolgte nicht. Ich habe daher gegen alle sechs Mandanten (Musikindustrie) eine negative Feststellungsklage eingereicht. Dabei geht es mir darum aufzuzeigen, dass es nicht richtig sein kann, dass allein der Besitz eines Computers mit Internetanschluss sowie die Tatsache, dass minderjährige Kinder im Haushalt leben dazu führen kann, dass ruinöse Schadenersatzforderungen geltendgemacht werden. Legt man die Streitwerte in den mir bekannten Verfahren zu Grunde so käme ich auf einen Betrag der in die Millionen geht. Bekanntermaßen macht die Musikindustrie aus Kulanz in der Regel weitaus geringere Beträge geltend. Ich ich gehe jedoch davon aus, dass ich als Bürger, gegen den ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde ein berechtigtes Interesse daran habe, dass der Anzeigeerstatter erklärt ob und in welcher Höhe er Ansprüche geltend macht. Zumindest dann wenn er konkret dazu aufgefordert wird, was mehrfach geschehen ist. Die Kanzlei Rasch stellt sich auf den Standpunkt es obliege allein dem Verletzten zu entscheiden, ob und wann Ansprüche geltendgemacht würden. Die Strafanzeige gegen unbekannt sei allein sei kein "sich berühmen" gegenüber dem Anschlussinhaber.
Meines Erachtens stellt die negative Feststellungsklage die einzige Verteidigungsmöglichkeit dar. Ansonsten kann die Musikindustrie nicht nur entscheiden wen und wann Sie jemanden in Anspruch nimmt, sondern auch wo. Bekanntermaßen entscheiden die Landgerichte derzeit nicht einheitlich. Dem Bürger als Betroffenen wird gewissermaßen eine Art Duldungsstarre verordnet. Desweiteren sehe ich ein Problem in den immensen Streitwerten. Auch in dem von mir betriebenen Verfahren, stellt sich die Frage, wie hoch ist überhaupt der Streitwert? Wenn man die hierzu bisher ergangene Rechtsprechung heranzieht kann man nur jedem empfehlen eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und einen Prozess nicht zu riskieren, da man damit rechnen muss, dass die Musikindustrie sich auf den Standpunkt stellt, man habe ja noch gar nicht entschieden, ob man Ansprüche geltend machen wolle. Es dürfte schon finanziell nicht möglich sein, den Gerichtskostenvorschuss zu zahlen.

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