Telekom - Netzsperre ohne gesetzliche Grundlage schon ab 17. Oktober?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 28.09.2009

Selbst wenn (wegen eines offenbar europarechtlichen Versäumnisses der Bundesregierung) das Zugangserschwerungsgesetz dann noch nicht in Kraft getreten ist, will die Telekom, laut Auskunft eines hier zitierten allerdings nicht namentlich genannten Sprechers, die Netzsperre von kinderpornographischen websites, die vom BKA listenmäßig erfasst werden, schon ab dem 17. Oktober aktivieren - (ob dies technisch zu diesem Zeitpunkt gelinge, sei aber noch nicht sicher). Grundlage sei der zuvor abgeschlossene Vertrag, der aber von der Justizministerin und vom Bundestag zu Recht als unzureichende Rechtsgrundlage angesehen wurde - was ja Anlass der Verabschiedung des Zugangserschwerungsgesetzes war.

Vielleicht ist das "Drängen" auf schnelle Vertragserfüllung durch das BKA darauf zurückzuführen, dass Frau Justizministerin a.D. Leutheusser-Schnarrenberger von der  FDP, die im Bundestag geschlossen gegen das Gesetz gestimmt hatte, vor der Wahl versprochen hat, das Zugangserschwerungsgesetz zu stoppen bzw. noch einmal unter die Lupe zu nehmen.

Andererseits ist kaum vorstellbar, dass das BKA schon Listen herausgibt, solange die gesetzliche Grundlage dafür fehlt.

(via internet-law und netzpolitik.org)

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9 Kommentare

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"Andererseits ist kaum vorstellbar, dass das BKA schon Listen herausgibt, solange die gesetzliche Grundlage dafür fehlt."

 

Satire, Wunschdenken, oder Traum? 

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Das BKA will wohl am Tag X - dem Inkrafttreten des Gesetzes - in den Startlöchern sitzen. Aber ich habe doch die Hoffnung, dass sich die Mitarbeiter der Polizeibehörde an Recht und Gesetz gebunden sehen und nicht vor dem gesetzlichen Startschuss losspurten .

 

Man beachte ggf. diese "Verschlusssache": 

Die technische Richtlinie enthält nicht die Liste der zu sperrenden Webseiten. Sie soll regeln, in welcher Form und nach welchem Verfahren die Sperrliste und die Aufstellung über die Anzahl der Zugriffsversuche zur Verfügung gestellt werden. Sie wurde vom Bundeskriminalamt als “VS-NfD” (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch”) deklariert. Die Verbände der betroffenen Unternehmen dürfen die Richtlinie weder zur Kenntnis nehmen noch kommentieren. Auch die Stellungnahmen der Unternehmen dürfen nicht veröffentlicht werden.

http://www.kieslichdaily.de/das-erbe-der-zensursula/

 

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"FDP geschlossen dagegen gestimmt"

Präzisierung:

54 FDPler haben dagegen gestimmt, 7 FDPler haben keine Stimme abgegeben. http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/20090618_kinderporno...

Einer von denAbgeordneten, denen die Stimme die Abgabe nicht wert gewesen war, wird demnächst Vizekanzler.

Derzeit ist höchst fraglich, was von der FDP zu erwarten ist. Das hier haben sie gerade mitgemacht. Und wer hat es mit unterschrieben? Schnarri.

Und dann war da noch dieser zwielichtige Milliardär, der sogar aufgrund guter Kontakte vor einer Hausdurchsuchung gewarnt wurde, aber nicht glauben wollte, dass das Gesetz auch für sehr reiche Leute gilt. Und als man bei ihm dann doch durchsuchte, ließ er ein bisschen Kleingeld für eine eigens gegründete Pressure Group springen, um Druck auf die Staatsanwaltschaft auszuüben. Und wer hat sich da in die Kampagne einspannen lassen? Schnarri. Der Skandal, der Ursache für die Hausdurchsuchung gewesen war, ist seltsamerweise nie gerichtlich öffentlich aufgeklärt worden.

Wenn die gute Frau wieder BMJ werden möchte, dann wäre das in etwa so, als ob man jemanden mit miserablen English-Kenntnissen zum Außenminister machen würde. Die kommenden vier Jahre werden uns noch viel Spaß bringen.

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Sehr geehrter Herr Kompa,

was die Politik der FDP und ihres Vorsitzenden angeht, bin ich auch angesichts der geschilderten FDP-Justiz- und Innenpolitik in einigen Bundesländern skeptisch, aber Ihre Argumentation überzeugt mich nicht in allen Punkten, zum Teil ist sie sogar abwegig.

1. Dass einige wenige FDP-Fraktionsmitglieder beim Zugangserschwerungsgesetz nicht abgestimmt haben, ist v.a. im Vergleich mit den anderen Fraktionen (siehe etwa Linke und leider auch Grüne!) kaum bedeutsam.

2. Soweit meine Erinnerung reicht, ist Leutheusser-Schnarrenberger eine der ganz wenigen Minister, die (nicht wegen irgendwelcher Skandale, sondern) aus Überzeugung gegen den Lauschangriff freiwillig zurückgetreten sind.

3. Dass sie sich für die Unschuldvermutung und gegen voreilige Hausdurchsuchungen einsetzt, kann ja wohl nicht beklagt werden, oder möchten Sie mit zweierlei Maß messen?

Was Sie Frau Leutheusser-Schnarrenberger "vorwerfen" wollen, ist doch, dass sie im Stiftungsbeirat der "pro justitia" sitzt, der folgende Zusammensetzung hat: Dr. Karlmann Geiss, Präsident des BGH a. D.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  MdB, Bundesjustizministerin a. D.
Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz,  Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts a. D.
Dr. Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik  der Süddeutschen Zeitung, Staatsanwalt a. D.
Prof. Dr. Franz Salditt, Rechtsanwalt
Nicht gerade die schlechteste Gesellschaft, oder?

4. Überhaupt nicht einverstanden bin ich mit Ihrer subtilen und unwahrhaftigen Unterstellung, Hopp, bei dem durchsucht wurde, habe durch "Kontakte" und seine pressure group Druck ausgeübt, damit das Verfahren eingestellt werde. Dieser Darstellung muss ich sogar entschieden entgegentreten. Soweit ich informiert bin (in der Übersicht auf "Fall Hopp" klicken), wurde Hopp von dem Untreue-Vorwurf vollständig entlastet, das Verfahren nach § 170 Abs.2 StPO eingestellt. Dass dann eine gerichtliche Klärung des Vorwurfs nicht ansteht, ist selbstverständlich und wie Sie wissen, juristisch korrekt. Hopp war trotzdem sauer wegen der Durchsuchung (wäre ich auch) und gründete die genannte Stiftung (hätte ich nicht das nötige Kleingeld dazu, aber warum nicht?). Unterstellungen in der Öffentlcihkeit wie die Ihre sind es gerade, weshalb eine praktizierte Unschuldsvermutung so wichtig ist, natürlich nicht nur für Milliardäre. Denn Sie schließen offenbar allein aus der Hausdurchsuchung, der Milliardär sei "zwielichtig".

Ich halte Frau L-S jedenfalls im Vergleich zum künftigen Außenminister für die glücklichere Wahl. Aber mal sehen was kommt. Wir können ja in ein, zwei Jahren  mal eine Zwischenbilanz ziehen.

 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

ich verfüge in diesem Fall über Sonderwissen, weil ich mal den "Kronzeugen" der Anklage in späteren Angelegenheiten selbst vertreten hatte. Die eigentliche Anklage richtete sich gegen drei Herrschaften aus der betreffenden Firma und wurde nach rekordverdächtigem Zwischenverfahren gegen Geldzahlung geräuschlos eingestellt. Schon aufgrund anwaltlicher Schweigepflicht werde ich mich nicht weiter äußern, schon gar nicht öffentlich. Aber soviel: Es lohnt sich, Freunde in der Politik zu haben (gemeint ist hier nicht nicht die FDP.)

Der entsprechenden Firma, die da so ein kleines strafrechtliches Problem hatte, gehört der neben Hopp wesentliche Sponsor von Pro Justitia. Der Druck, der damals auf die Mannheimer Staatsanwaltschaft durch die Kampagne ausgeübt wurde, endete mit der Versetzung einer brillanten Staatsanwältin für Wirtschaftskriminalität in das Verkehrsressort, wo sie seither Parkknöllchen bearbeiten durfte. Zuvor hatte sie u.a. Vater Graf in den Knast gebracht und dicke Bretter in Sachen Korruption gebohrt.

Insofern hat die Nennung von Franz Salditt, der beruflich mit besagter staatsanwältin konfrontiert gewesen war, einen schalen Beigeschmack. Von Prantl halte ich viel, aber der tanzt auf vielen Hochzeiten.

Pro Justitia ist aus meiner Sicht nichts weiter als ein PR-Gag eines gekränkten Milliardärs. Der Homepage nach zu schließen wird auch keine ernsthafte Arbeit etwa zugunsten von Opfern geleistet, sondern allenfalls ein bisschen akademischer Wind gefächelt.

In den anderen Fragen gehen wir konform. Wer wissen will, an wen Schnarris Chef Guido Westerwelle morgens wohl als erstes denkt, wenn er aufsteht, der kann sich hier informieren.

Mit freundlichen Grüßen

 

RA Kompa

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Zurück zum Thema: Die oben mitgeteilte (angebliche) Planung der Telekom steht im Widerspruch zu dem im März 2009 vermittelten Eindruck, die Telekom sei in den Vertragsverhandlungen eher der Bremser und werde keinesfalls eine Netzsperre ohne gesetzliche Grundlage durchführen. Meine Einschätzung: Entweder hat sich die Haltung der Telekom verändert, aus welchem Anlass auch immer, oder die im Netz von Herrn Hamm verbreitete Mitteilung ist nicht verlässlich.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

bereits im Juni hat Christoph H. Hochstätter auf ZDnet darüber berichtet, dass die ISPs eigene, wirtschaftliche Interessen an einer Infrastruktur zur Inhaltskontrolle haben.
http://www.zdnet.de/sicherheits_analysen_zensurgesetz_beschlossen_aus_fu...

Da man über den Vertrag der Provider mit dem BKA nur spekulieren kann, könnte man die "Technologiefreiheit" bei der Umsetzung des ZugErschwG heranziehen. Daraus ließe sich schließen, dass die ISP die Initiative von Frau von der Leyen und dem BKA genutzt haben, weil sie so Technologien implementieren "dürfen", deren flächendeckende Einführung aus betriebswirtschaftlichen Gründen eher auf Widerstand gestoßen wäre als aufgrund von moralisch "hochwertigen" Anliegen.

Angesichts des Beharrens z. B. der Deutschen Telekom, rein aufgrund des Vertrags, somit auch ohne gesetzliche Grundlage zu handeln, erscheinen mir diese Überlegungen nicht mehr abwegig.

Auch wenn er eher technisch orientiert ist, ist auch der folgende Artikel lesenswert, da er beschreibt, wie sehr die Service-Provider bereits in den Datenverkehr eingreifen:
http://www.zdnet.de/sicherheit_in_der_praxis_sperre_von_freien_dns_serve...

"Netzneutralität" muss einem bei diesen Vorfällen ja wie ein Märchen aus alten Zeiten vorkommen...

MfG

HelliH

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"Der Minister (Schäuble) gab handwerkliche Fehler beim sogenannten Zugangserschwerungsgesetz für Stoppschilder im Internet zu. Das Gesetz zum Schutz vor Kinderpornografie sei im Endspurt des Wahlkampfes auch deshalb entstanden, um die CDU gegenüber anderen Parteien abzusetzen." (Quelle)

Soso.

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