Rechtlicher Hinweis im OWi-Verfahren bei Erhöhung der Geldbuße erforderlich? Vielleicht...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.12.2009

Das OLG Hamm, OLG Hamm, Beschl. v. 13.11.2009 – 3 Ss OWi 622/09 hat im Anschluss an OLG Jena, Beschl. v. 22.5.2007 – 1 Ss 346/06 = BeckRS 2007 18120 einen rechtlichen Hinweis bei der Erhöhung der Regelgeldbuße erforderlich gehalten, wenn diese nicht im Bußgeldbescheid enthalten war. Statt im Bußgeldbescheid vorgesehener Regelbuße von 25 Euro hatte der Tatrichter 50 Euro festgesetzt.

Leider setzt sich das OLG in der aktuellen Entscheidung nicht mit OLG Hamm NJW 1980, 1587 auseinander, wo es noch (etwas gekürzt) hieß:

„…§ 265 Abs. 2 StPO, der gem. § 46 Abs. 1 OWiG im Bußgeldverfahren entsprechende Anwendung findet, untersagt dem Gericht, vom Strafgesetz besonders vorgesehene strafbarkeitserhöhende Umstände, die sich erst in der Verhandlung ergeben, der Urteilsfindung zugrunde zu legen, ohne zuvor den Angeklagten auf diese Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben zu haben. Im vorliegenden Fall muss trotz der gegenteiligen dienstlichen Erklärung des Tatrichters davon ausgegangen werden, dass ein solcher Hinweis nicht erfolgt ist, da das Hauptverhandlungsprotokoll einen entsprechenden Vermerk nicht enthält und der Hinweis gern. § 265 Abs. 1 und 2 StPO zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung gehört, deren Beobachtung nach § 274 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG nur durch das Protokoll bewiesen werden kann. Ein Hinweis gem. § 265 Abs. 2 StPO (i.V. mit § 46 Abs. 1 OWiG) war hier jedoch nicht erforderlich. Zweck des § 265 StPO ist es, die sachgemäße Verteidigung des Angeklagten und damit einen fairen Prozess i.S. des Art. 6 Abs. 1 und 3 MRK zu sichern und zugleich zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen. Es soll verhindert werden, dass der Angeklagte von neu hervortretenden Umständen, die er nicht aus der zugelassenen Anklage entnehmen konnte, überrascht wird). Diese Zielsetzung ist für die Auslegung des § 265 maßgebend und bestimmt auch die Interpretation des in Abs. 2 enthaltenen Begriffs der straf- (bzw. bußgeld-)erhöhenden Umstände. Danach stellen die Gründe, die das Gericht veranlassen, über die im Bußgeldbescheid festsetzte Geldbuße hinauszugehen, keine Umstände dar, welche die Hinweispflicht nach § 265 II StPO, § 46 Abs. 1 OWiG auslösen. Der Bußgeldbescheid, der nach Einspruch die Funktion einer Beschuldigung annimmt und damit der Anklageschrift im Strafverfahren entspricht, führt die für die Bemessung der Geldbuße maßgebenden Umstände (§ 17 OWiG) regelmäßig nicht auf (vgl. § 66 Abs. 1 OWiG). Er gibt somit dem Betroffenen keinen Anlass, in dieser Hinsicht seine Verteidigung in besonderer Weise einzurichten. Der von § 265 Abs. 2 verfolgte Zweck, den Angeklagten bzw. Betroffenen nicht mit neu hervortretenden Umständen zu überraschen, die er nicht aus der Anklage bzw. dem Bußgeldbescheid entnehmen konnte), ist deshalb hier gegenstandslos. Zu der für das Strafverfahren umstrittenen Frage Stellung zu nehmen, ob unbenannte Schärfungsgründe - z.B. §§ 263 III, 266 II StGB - der Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 StPO unterliegen, besteht kein Anlass. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Zumessungsgründe, die innerhalb eines ordentlichen gesetzlichen Rahmens (§ 17 OWiG, § 24 StVG) Berücksichtigung finden. Dass solche Gründe nicht unter die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 StPO fallen, ist selbst für das Strafverfahren unstreitig, obwohl dort die Anklageschrift regelmäßig auch zumessungsrelevante Tatsachen aufführen soll….“.

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