Kein Münz-Mallorca für Minderjährige

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.01.2012
Rechtsgebiete: Familienrecht8|3931 Aufrufe

 

Immer wieder erstaunlich, mit was das Bundesverfassungsgericht sich so alles beschäftigen muss.

Gemäß § 4 des Gesetzes zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung darf Minderjährigen die Benutzung von Anlagen nach § 3 zur Bestrahlung der Haut mit künstlicher ultravioletter Strahlung in Sonnenstudios, ähnlichen Einrichtungen oder sonst öffentlich zugänglichen Räumen nicht gestattet werden.

Ein 1994 geborenes Mädchen erhob dagegen Verfassungsbeschwerde, denn es gebe keine allgemeine Pflicht der Verfassung, gesund oder vernünftig zu leben. Ihre Eltern schlossen sich an, sie rügten die Verletzung ihres Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, weil der Eingriff nicht verhältnismäßig sei.

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Das Nutzungsverbot sei zur Verfolgung des Ziels (Schutz vor schädlicher UV-Strahlung) geeignet , erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne.

Mit Rücksicht auf den gebotenen Schutz der Minderjährigen, ihre mangelnde Einsichtsfähigkeit und Reife sind deshalb seit langem verschiedene Regelungen auch zum Schutz der Minderjährigen vor Selbstgefährdung und Selbstschädigung in der Rechtsordnung etabliert. Das verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten EntWicklung der Jugend berechtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, durch welche der Jugend drohende Gefahren abgewehrt werden. Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welchem Zusammenhang und in welcher altersmäßigen Abstufung und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Dabei steht ihm unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Jugendlichen und dem Erziehungsrecht der Eltern ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu.

Der mögliche Eingriff in das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG sei allenfalls geringfügig, da es den Eltern unbenommen bleibe, ihrem Kind im privaten Lebensbereich den Zugang zu einer UV-Bestrahlung zu eröffnen, wenn sie dies für verantwortbar und richtig hielten. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen auch nicht gehalten, aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ein bloßes Verbot mit elterlichem Einverständnisvorbehalt vorzusehen. Angesichts der allenfalls geringen Eingriffsintensität habe er sich auf ein umfassendes, nicht nach Altersgruppen und daran anknüpfende Einverständnispflichten differenzierendes und damit für alle Beteiligten leicht praktikables Verbot entscheiden dürfen.

BVerfG Beschluss v. 21.12.2011 -1 BvR 2007/10

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8 Kommentare

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Hopper schrieb:

 

Immer wieder erstaunlich, mit was das Bundesverfassungsgericht sich so alles beschäftigen muss.

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Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Das Nutzungsverbot sei zur Verfolgung des Ziels (Schutz vor schädlicher UV-Strahlung) geeignet , erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne.

Der mögliche Eingriff in das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG sei allenfalls geringfügig, da es den Eltern unbenommen bleibe, ihrem Kind im privaten Lebensbereich den Zugang zu einer UV-Bestrahlung zu eröffnen, wenn sie dies für verantwortbar und richtig hielten. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen auch nicht gehalten, aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ein bloßes Verbot mit elterlichem Einverständnisvorbehalt vorzusehen. Angesichts der allenfalls geringen Eingriffsintensität habe er sich auf ein umfassendes, nicht nach Altersgruppen und daran anknüpfende Einverständnispflichten differenzierendes und damit für alle Beteiligten leicht praktikables Verbot entscheiden dürfen.

 

Der konkrete Fall mag geringfügig sein, die grundsätzliche Überlegung, inwieweit es dem Staat obliegt, dem Bürger Vorschriften und Verbote aufzuerlegen, die seine Grundrechte auch nur geringfügig einschränken, nur weil jemand meint, der Bürger sei nicht fähig selbst über sein Wohl zu entscheiden ist es jedoch nicht.

 

Ausnahmslos alle Einschränkungen der persönlichen Freiheit werden stets mit dem Schutz des Bürgers vor angeblicher Unbill begründet.

Das ist das Hauptmerkmal jedes totalitären Staates.

 

"Niemand hat die Absicht einen antifaschistischen Schutzwall zu errichten"

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@Guy Fawkes: "Das ist das Hauptmerkmal jedes totalitären Staates"

Ich wusste  ja gar nicht, dass Anonymous und Occupy jetzt schon bei Ayn Rand angekommen sind ;)

Wenn man als Minderjähriger zwar nicht auf den Proletentoaster darf, dafür z.B. aber auch Privilegien des Jugendstrafrechts und zivilrechtliche Haftungsprivilegierungen genießt, ist das doch recht ausgewogen.

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Klabauter,

es ist mir schon klar, dass es bei Minderjährigen da ggf. eher den Bedarf gibt schützend einzugreifen.

 

Dennoch bleibt das auch bei Minderjährigen zunächst mal die Aufgabe der Eltern.

Zumindest steht das so im GG, womit wir wieder beim BVerfG wären.

 

Aber auch so profane Dinge wie das Tragen eines Helmes oder Gurt sollte man dem mündigen Bürger überlassen.

Das geht den Staat einfach nichts an.

Auch wenn es noch so viele Staatsdiener mit einer ausgeprägten Regelungswut gibt.

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Mit dem Argument können Sie auch harten Alkohol und Zigaretten für unter 18-jährige freigeben ... 

Mit 17 ist man eben noch nicht mündig und wenn Eltern das für richtig halten, können sie ihrem 14-jährigen Nachwuchs zuhause Schnaps, Kippen und eine Sonnebank hinstellen - niemand verbietet es ihnen.

@Guy Fawkes:

Das mit Gurt und Helm geht den Staat solange etwas an, wie er aufgrund des Sozialstaatsprinzips auch dafür bezahlen muss, wenn ein Gurt- oder Helmloser nach einem selbst verschuldeten Unfall im Krankenhaus und danach dauerhaft im Pflegeheim landet. Wer absolute Freiheit will, muss im Gegenzug dann auch auf Ansprüche gegenüber der Gesellschaft/dem Staat verzichten. 

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@Klabauter, dann müssten aber auch umgekehrt, andere gefährliche Aktivitäten verboten werden bzw. der Haftung des Sozialstaates entziehen.

 

Ich verhehle ja nicht, dass es eine Frage der Grenzen ist, finde es aber falsch diese Grenze immer weiter nach unten zu verschieben, wie z.B. jetzt bei der Überlegung zur Helmpflicht für Radfahrer, die konsequenterweise zur Helmpflicht für Fussgänger und im Haushalt führen müsste, bis hin zum Verbot, eine Strasse zu überqueren.

 

Wir sind schon sehr weit fortgeschritten auf dem Weg vom Fürsorge-, zum Gängelungsstaat und dafür vermag ich keinen Auftrag oder Rechtfertigung im Grundgesetz zu erkennen.

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@Pascal, was wollen Sie uns denn damit sagen?

Solange das da drin steht ist alles gut?

So ähnlich wie "Die Rente ist sicher" oder "Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten" oder "Deutsche Demokratische Republik"?

Vielleicht sollte man den Griechen einfach mal den Tipp geben in ihre Verfassung zu schreiben, dass die Staatsfinanzen ausgeglichen sind.

Oder wir schreiben einfach in die Verfassung dass das deutsche Familienrecht gerecht, ausgewogen dem Kindeswohl dienlich und menschenrechtskonform sei.

Dann hört der EGMR bestimmt auf, Deutschland ständig wegen Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen.

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