Beschneidungsgesetz beschlossen - eine faire Anerkennung religiöser Tradition?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 13.12.2012

Gestern hat der Bundestag das Beschneidungsgesetz beschlossen (Link zum Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten), über dessen Enstehung die ganze Republik politisch wie juristisch diskutiert hat, nachdem das LG Köln die Beschneidung von Kleinkindern als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft hatte. Die Diskussion fand auch hier und  hier im Blog statt.

Die Neuregelung des § 1631 d BGB lautet nun:

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Hans-Michael Heinig, Prof. für Öffentliches Recht und Kirchenrecht, hat das neuen Gesetz im Verfassungsblog begrüßt. Der Beschneidungserlaubnis gibt er das Siegel des Philosophen Habermas aus einem Artikel in der NZZ - es handelt sich nach Heinig beim neuen Gesetz um eine "faire(n) Anerkennung der partikularistischen Selbstbehauptungsansprüche religiöser und kultureller Minderheiten."

Allerdings hat das neue Gesetz keineswegs alle Fragen beantwortet, die sich in der Diskussion stellten. Hier noch einmal meine Überlegungen, die ich im Juli hier im Blog angestellt hatte, und die Gegenüberstellung mit der neuen gesetzlichen Regelung:

Eine gesetzliche Regelung kann versuchen, die voherige Rechtfertigung durch (religiös motivierte) Einwilligung der Sorgeberechtigten wieder zu etablieren bzw. zu bestätigen. Insofern wäre die gesetzliche Regelung eine "Erlaubnis". Die meisten Politiker, die sich geäußert haben, tendieren genau dazu: Sie wollen den (bzw. bestimmten)  Religionsgemeinschaften zugestehen, dass sie dieses bisher weitgehend akzeptierte Ritual weiter strafrechtlich unbehelligt durchführen können.

Das Gesetz enthält eine solche Erlaubnis. Diese ist allerdings nicht auf religiöse Motive beschränkt: In § 1631 d BGB  ist von Religion nicht die Rede, auch wenn alle wissen, dass es praktisch nur darum gehen soll.

Allerdings wird dies nicht geschehen können, ohne zugleich die Grenzen der Erlaubnis aufzuzeigen, d. h. in anderer Beziehung wird das Gesetz auch Verbote enthalten müssen. Und in diesen Details stecken erhebliche Probleme!

Die Grenze ist das "Kindeswohl", auf diese Grenze wird nun auch im Gesetz hingewiesen. Aber wie ist dies inhaltlich auszufüllen?  Und wie soll die Abwägung mit dem "Zweck der Beschneidung" erfolgen? Die Gegner einer Beschneidung meinen ja  unter Hinweis auf Schmerzen und Risiken der Operation, die Beschneidung des Genitals eines Neugeborenen oder Kleinkindes könne generell nicht dem Kindeswohl entsprechen. Dies ist offenbar nicht die Ansicht des (jetzigen) Gesetzgebers: Die Beschneidung des männlichen Kindes ist erst einmal kindeswohlgerecht. Aber wann denn nicht mehr? Präzisiert wird dies im Gesetz nicht.

Denkbar (und teilweise notwendig) erscheinen: - Altersbegrenzungen (Mindest- bzw. Höchstalter),

In dieser Hinsicht ist der zweite Absatz des neuen § 1631 d BGB  unverständlich, wenn man ihn unvoreingenommen liest: Gerade die jüngsten, schützenswertesten Kinder werden vom Gesetz weniger gut geschützt? Das ist ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Religion nicht zu legitimieren. Wenn der Gesetzgeber versucht, das Wort "Religion" zu vermeiden, wird es hier erforderlich, um die eigentliche Sachfrage wie um einen heißen Brei herumzuregeln. Das ist jedenfalls nicht transparent. Ist es "fair"?

- die Beschränkung auf Ärzte mit chirurgischer Erfahrung

In Absatz 1 ist von "Regeln ärztlicher Kunst" die Rede, in Absatz 2 wird (für die Jüngsten) ausdrücklich auch Nichtärzten erlaubt, Beschneidungen durchzuführen.

- Vorschrift einer (Voll-)Narkose

Ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, gehört aber wohl zur "ärztlichen Kunstregeln" im ersten Absatz. Eine Vollnarkose bei Neugeborenen ist hingegen riskant und dürfte auch nicht von Nicht-Ärzten durchgeführt werden. Man muss es wohl so hart aussprechen: Die Jüngsten müssen halt die Schmerzen ertragen. Das ist (neben den OP-Risiken) dann die Zumutung, von der Habermas schreibt: "Den religiösen wie den nichtreligiösen Bürgern wird dabei einiges zugemutet." Ich würde allerdings sagen, dass bei einem Neugeborenen bzw. Säugling  die Rede von "religiös/nichtreligiös" überhaupt nicht sinnvoll ist. Aber da mögen der Philosoph und der Kirchenrechtler anderer Auffassung sein.

- Beschränkungen auf bestimmte Religionsgemeinschaften

Ist nicht erfolgt. In eine Beschneidung kann von Eltern grds. auch unabhängig von ihrer religiöser Überzeugung oder Zugehörigkeit eingewilligt werden. Eine Kontrolle der Motive wäre auch kaum praktikabel.

- Beschränkung auf bestimmte anerkannte/etablierte/vergleichsweise risikoarme Rituale

Ist nicht geregelt.

- Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht

Beschneidung ist auf männliche Kinder beschränkt. Dies könnte (hinsichtlich zum Teil weniger eingriffsintensiver Rituale weiblicher Beschneidungen) ein Gleichheitsproblem aufwerfen

- Verpflichtung von (Ärzten in) öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zur Durchführung

Nicht geregelt.

- Haftungsregelungen für Fälle, in denen sich ein Schadensrisiko trotz lege artis durchgeführter Zirkumzision verwirklicht (Haftungsfonds der Religionsgesellschaften?)

Nicht geregelt.

 

Der Bundestag hat entschieden, das ist erst einmal (noch dazu bei einer so großen Mehrheit) zu akzeptieren und im Kern auch zu begrüßen, da die Rechtsunsicherheit zwar nicht vollständig beseitigt (s.o.) aber immerhin begrenzt wird. Und ich stimme ohne Weiteres mit Herrn Prantl (in der SZ) darin überein, dass man in der Diskussion nicht dem Diskussionsgegner Unlauterkeit oder Schlimmeres unterstellen sollte.

Aber auch über verabschiedete Gesetze darf diskutiert werden.

 

 

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78 Kommentare

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Gast schrieb:

Beschneidungsgesetz

Am Ende werden wohl die Richter entscheiden

Noch ist das Beschneidungsgesetz nicht beschlossen, doch Klagen dagegen sind wahrscheinlich.

 

Bundesregierung und Bundestag wollen klarstellen, dass die Vorhautbeschneidung von Jungen in Deutschland nicht strafbar ist. Allerdings werde wohl auch beim Streit über die Beschneidung am Ende das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben, vermutet Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die geplante gesetzliche Regelung müsse daher besonders gründlich vorbereitet werden, sagte sie dem Spiegel am Wochenende.

 

http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/am-ende-werden-wohl-die-richter-entscheiden--61934974.html

 

Was muß denn noch gründlich vorbereitet werden ?

Ich denke alles ist in trockenen Tüchern.

 

 

Der von Ihnen zitierte Beitrag ist vom Juli 2012 und daher zeitlich überholt. Wie der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gezeigt hat, haben sich die Wünsche der Frau Justizministerin, die übrigens für dieses Gesetz gestimmt hat (s. Link im Eingangsposting), nicht bewahrheitet. Vielleicht werden dies ja auch die Richter aufzeigen...

Film "Streitfall Beschneidung" (Erstausstrahlung September 2012) läuft heute Abend im MDR um 22.35 Uhr

http://www.mdr.de/nah_dran/beschneidung130.html

ARD Mediathek: http://www.ardmediathek.de/das-erste/gott-und-die-welt/streitfall-beschn...

Bericht über die Veranstaltung in der Berliner Urania: http://hpd.de/node/14731

„Der Streit um die Knabenbeschneidung – symptomatisch für das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland?“

Ist mit dem Gesetz schon das letzte Wort in Sachen Beschneidung gesprochen? Könnte mit gleicher Begründung auch das Verbot der weiblichen Genitalbeschneidung fallen? Wie kommt es, dass deutsche Politiker in vielen Fällen dazu tendieren, religiöse Interessen stärker zu gewichten als säkulare Rechtsnormen? Ist die politische Entscheidung in der Beschneidungsfrage symptomatisch für das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland?

Wie sich die Argumente doch gleichen - ein besseres Beispiel für zweierlei Maß gibt es kaum:

http://www.taz.de/Genitalbeschneidung-in-Indonesien/!109704/

Weibliche Genitalbeschneidung als verfassungsmäßiges Recht? Darauf pochen in Indonesien Vertreter des Rats der Muslimgelehrten (MUI). Dieses „Recht“ sieht das konservative Gremium durch die im vergangenen Monat beschlossene Resolution der UN-Vollversammlung gegen weibliche Beschneidung in Gefahr.
...
„Wir wehren uns entschieden gegen ein Verbot. Wenn jemand eine Beschneidung durchführen lassen will, darf er nicht zurückgewiesen werden, äußerte der Vorsitzende des MUI, Maruf Amin, am Montag vor Medienvertretern. Amin forderte alle Krankenhäuser und Gesundheitszentren des Landes auf, bei Bedarf weibliche Beschneidungen vorzunehmen.
...

„Beschneidung ist ein Teil der islamischen Lehre und wird für Männer und Frauen empfohlen, so der MUI-Vizegeneralsekretär Amirsyah Tambunan, am Montag auf einer Pressekonferenz.
...

Der Akt der Beschneidung wird vom MUI verharmlost. Nach islamischer Lehre sei es bei weiblichen Beschneidungen ausreichend, die Klitorisvorhaut zu entfernen, so der MUI-Chef Maruf Amin.
...

„Weder im Koran noch in den Hadithen wird weibliche Beschneidung als verpflichtend erwähnt“, so Muzaenah Zain, Leiterin des Arbeitskreises für Gesundheit bei Fatayat. Weibliche Beschneidung sei kein religiöses Gebot, sondern ein Produkt kultureller Normen, so Muzaenah Zain, Leiterin des Arbeitskreises für Gesundheit bei Fatayat. Weibliche Beschneidung sei kein religiöses Gebot, sondern ein Produkt kultureller Normen.
...

Außerdem bestehe die Gefahr, dass Frauen durch diesen Eingriff ihrer Möglichkeit, lustvollen Sexualverkehr zu erleben, beraubt werden.

Laut SPÖ soll sich der Europarat mit der Zirkumzision befassen:

http://www.ots.at/touch/presseaussendung/OTS_20130124_OTS0163

"Die europäische Diskussion über die Beschneidung von Knaben wurde heute engagiert auch im Europarat aufgegriffen, mit dem Ziel, die körperliche Unversehrtheit von Kindern zu garantieren und medizinisch nicht notwendige Eingriffe zu bannen ... Mit einer erschreckenden Dokumentation von Experten über die Folgen von Beschneidungen, von den Schmerzen der Knaben, vom Schmerzverlauf wurden die Erörterungen eröffnet, nach dem Motto und dem Bewusstsein, wir können das auf Europäischen Boden nicht länger so laufen lassen."

Ein Blick nach Österreich:

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130206_OTS0016/integral-umfrage...

  • Mehr als die Hälfte wollen religiöse Beschneidung Minderjähriger bestrafen
  • Fast niemand würde sein Kind religiös beschneiden lassen
  • Große Mehrheit verlangt Schutzalter von 16

Besonders bemerkenswert:

Jugendliche zwischen 14-18 Jahren lehnen Beschneidung zu beinahe 100% ab.

Mehr als 2/3 der Befragten verlangen ein Schutzalter von mindestens 16 für die religiöse Beschneidung. Innerhalb der persönlich betroffenen Gruppe der 14 bis 19-Jährigen sind 80% für die Einführung des Schutzalters.

Selten wird aus einer simplen Statistik so deutlich, wie massiv die Zwangsbeschneidung das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verletzt.

 

Keine staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Rabbiner Goldberg

Pressemitteilung 02/13 der Staatsanwaltschaft Hof

Der Gesetzgeber hat durch eine gesetzliche Neuregelung in § 1631 d BGB ausdrücklich klarstellend geregelt, dass die elterliche Personensorge auch das Recht umfasst, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll, soweit durch die Beschneidung nicht das Kindeswohl gefährdet ist. Dabei darf die Beschneidung gemäß § 1631 d Abs. 2 BGB in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes auch durch von einer Religionsgemeinschaft dazu vorgesehene Personen, die kein Arzt sind, durchgeführt werden, wenn sie dafür besonders ausgebildet worden sind und für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind. 
Diese Voraussetzungen erfüllt der angezeigte Rabbiner, so dass durch ihn vorgenommene Beschneidungen keiner Strafbarkeit unterliegen.

Ob die verabschiedete Gesetzesänderung, mit der die Entscheidung über eine Genitalverstümmelung  von Knaben ohne jede Kontroll- oder Schutzinstanz in das willkürliche Ermessen der Eltern gelegt wird, verfassungsgemäß ist, darf allerdings angezweifelt werden Das BVerfG hat in seiner Begründung über die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden gegen das Waffengesetz, die im Zusammenhang mit dem Massenmord ("Amoklauf") von Winnenden eingereicht wurden (2 BvR 1645/102 BvR 1676/102 BvR 1677/10), festgestellt:

In seinem klassischen Gehalt schützt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vor staatlichen Eingriffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich das Grundrecht jedoch nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegenüber solchen Eingriffen. Aus ihm ist vielmehr auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, deren Vernachlässigung von dem Betroffenen grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>; 77, 381 <402 f.>). Die Schutzpflicht gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57>; 56, 54 <73>). Eine solche Schutzpflicht besteht auch hinsichtlich der Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen (vgl. BVerfGK 1, 95 <98>).

 Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kommt dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt jedoch ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>). Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann nur begrenzt nachgeprüft werden. Das Bundesverfassungsgericht kann eine Verletzung der Schutzpflicht daher nur dann feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen (vgl.BVerfGE 56, 54 <80 f.>; 77, 381 <405>; 79, 174 <202>; stRspr).

 

Gab es nicht eine Anzeige gegen einen Rabbiner , der das Blut mit dem Mund entfernt hat und der ohne Betäubung beschnitten hat ?

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@ Professor Müller:

was bedeutet im Fall der Anzeige gegen Goldberg "keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen" bzw. wie wurde festgestellt, ob der Angezeigte die vom Gesetz vorgeschriebene Befähigung besitzt? Wurde das der Presse oder Selbstdarstellung des Angezeigten auf seiner Homepage entnommen oder wurden entsprechende Befähigungsnachweise eingesehen bzw. dokumentiert?

Wie will die Staatsanwaltschaft ohne Ermittlungen feststellen, ob ein Angezeigter tatsächliche die gesetzlichen Auflagen erfüllt (Hygiene, Betäubung)? Oder ging es hier nach dem Motto "der Mann war im Fernsehen und hat gesagt, er mache das schon seit Jahrzehnten - das genügt uns"? Und wo ist der Unterschied zum 77-jährigen Sünnetci, der 2006 verurteilt wurde?

Kann die Polizei nach Eingang einer solchen Anzeige ohne staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsauftrag beim Angezeigten vorbeigehen und sich Befähigungsnachweise zeigen lassen und selbst beurteilen, ob diese ausreichen?

Nun auch wissenschaftlich-empirisch wasserfest: Beschnittene empfinden weniger Lust

Beschneidung kostet Sex-Spaß (Ärzte-Zeitung 19.02.2013)

Kurz zusammengefasst lautet das Ergebnis der Untersuchung: Beschnittene haben schlechteren Sex. Jeweils auf einer nach Intensität aufsteigenden Fünf-Punkte-Skala verortet, gab es signifikante Unterschiede zuungunsten der zirkumzidierten Männer.

Damit ist klar: Zirkumzision ist Genitalverstümmelung!

Zitat der Autoren: In the debate on clitoral surgery the proven loss of sensitivity has been the strongest argument to change medical practice. In the present study there is strong evidence on the erogenous sensitivity of the foreskin.

 

Durchweg positiv. Es ist eine Provokation, direkt und unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes dieses sogleich mit den Füßen zu treten. Ein Arzt der so operieren würde, wäre sofort im Gefängnis. Aber es war ja auch vorherzusehen, dass sämtliche Schutzklauseln, die das Gesetz bietet nur dafür geschaffen wurden, unterlaufen zu werden. Das Kindeswohl und die Rechte des Kindes haben für den Bundestag genau gar keine Rolle gespielt, es ging um die maximale Legalisierung der bisherigen Praxis.

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Aber es war ja auch vorherzusehen, dass sämtliche Schutzklauseln, die das Gesetz bietet nur dafür geschaffen wurden, unterlaufen zu werden. 

 

Isensee nennt dies "symbolische Referenz".

 

Übrigens kommt Isensee, nachdem er die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes festgestellt hat, zu dem Schluss, es zeuge dennoch von "politischer Weisheit", dass der Gesetzgeber den Bruch des Tabus, dass das Judentum mit allen Mitteln geschützt wird und das Praeter constitutionem ungeschriebenes Verfassungsrecht sei, und damit einen "Kulturkampf" verhindert habe.

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Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob sie Ermittlungen aufnimmt. Nach Ansicht Putzkes muss sie dies. Es liege ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vor, sagte er. „Wegen der Bedeutung der Sache und der klaren Missachtung der gerade erst verabschiedeten gesetzlichen Vorgaben vermag selbst eine Geldauflage das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht zu beseitigen.“ Die Staatsanwaltschaft müsse einen Strafbefehl beantragen oder Anklage erheben. Sollte sie das Verfahren „wider Erwarten“ mangels hinreichenden Tatverdachts einstellen, sei dies als Strafvereitelung und Rechtsbeugung zu werten.

http://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-beschneidung-nicht-nach-altem-brauch-/8075612.html

 

 

 

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Sehr geehrte Kommentatoren,

der Beck-Blog ist ein juristisches Fachforum. Ich bitte dringrend von unsachlichen Angriffen auf andere Kommentatoren abzusehen.

Besten Dank

Henning Ernst Müller

http://www.welt.de/politik/deutschland/article115600764/Israels-Oberrabb...

Israels Oberrabbiner haben sich in den Streit um ein umstrittenes jüdisches Beschneidungsritual in Deutschland eingeschaltet. Sie sprachen sich für eine Beibehaltung der Beschneidungspraxis aus, bei der der Beschneider das beim Entfernen der Vorhaut austretende Blut mit dem Mund absaugt, statt eine Pipette zu benutzen, berichtet die Tageszeitung "Haaretz".

Die Kommentare in der - als linksliberal geltenden - Haaretz sprechen sich sämtlich gegen die Metzitzah b'peh aus und einige auch gegen die Beschneidung selbst.

(Die "Welt" dagegen fürchtet wohl die Diskussion - die Merkel als Genitalverstümmelungslegalisiererin schlecht aussehen lässt -  und hat die Kommentare nach nur einem geschlossen)

Wenn es um religiöse Rituale geht ,egal wo, ob bei Sekten oder Kirchen etc.,  geben die meisten Gesetzgeber nach.

 

Mich würde nicht wundern, wenn die Metzitzah b'peh nicht als ein Anfangsverdacht auf eine Straftat von der Staatsanwaltschaft gesehen wird.

 

Ohne Betäubung eine Beschneidung zu vollziehen, ist ja auch keine Straftat.

 

Kindern und Erwachsenen mit religösen Äußerungen aus den Schriften Angst und Schrecken zu  machen, ist ja auch erlaubt.

 

 

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Es ist zwar dem Grund nach PR, aber dennoch interessant:

http://www.openpr.de/news/716167/Sorgerecht-und-Beschneidung-Recht-auf-g...

Schon eine VORLÄUFIGE Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil reicht für den begünstigten Elternteil, die Beschneidung von männlichen Säuglingen und Kleinkindern – gegen den Willen des anderen Elternteils – in die Wege zu leiten (alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht reicht hingegen nicht).
...
Soeben hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag eines Elternteils, der Sorge hatte, der nun alleinsorgeberechtigte Elternteil würde dieses nach Inkrafttreten des neue § 1631 d BGB nunmehr nutzen, um eine Beschneidung des gemeinsamen Kindes vornehmen zu lassen, abgeschmettert: Der Antragsteller müsse zunächst beim Familiengericht – und gfs. anschließend noch beim Oberlandesgericht (II. Instanz) – versuchen, eine Änderung der sorgerechtlichen Entscheidung nach § 1696 BGB oder ein Einschreiten des Familiengerichts nach § 1666 BGB herbeizuführen.
...

Das wird m. E. aber in der Praxis kaum möglich sein, da das neue Gesetz sinngemäß erklärt: Die Beschneidung von Jungen ist GRUNDSÄTZLICH mit ihrem Kindeswohl vereinbar (!). Die Ausnahmeregel – Absatz 1 Satz 2 - (“Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird”) ist mit Blick auf den vorherigen Satz 1 nicht mehr als ein Feigenblatt der Parlamentarier ohne juristischen Mehrwert - unzureichend, um das Kindeswohl vor willkürlichen Beschneidungen zu schützen. Der Antragsteller wird daher nach einer ´Ehrenrunde´ bei den Fachgerichten wohl wieder beim Bundesverfassungsgericht sein Glück versuchen müssen; die Beschneidung kann dann längst erfolgt sein.
Da der Bundestag bei der Verabschiedung des neuen § 1631 d BGB wesentliche kritische Stimmen aus von medizinischen Fachverbänden bzw. Kritik von Seiten der Kinderärzte und Kinderpsychologen entweder wissentlich missachtet oder übersehen hatte – und sich ergebnisorientiert und einseitig hat beraten lassen, ist – theoretisch – denkbar, dass die neue “Vorschrift” – besser gesagt: Erlaubnis, da Einschränkung des Rechts von Kindern auf gewaltfreie Erziehung - vom Bundesverfassungsgericht noch gekippt wird. Für viele Kinder wird das dann zu spät sein.
Auch nach der Novelle zum Sorgerecht nichtehelicher Eltern gilt: Sofern die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung bei Notar oder Jugendamt abgegeben haben, hat zunächst einmal die Mutter das alleinige Sorgerecht. Und darf daher - z. B. innerhalb der mehrwöchigen Frist zur Stellungnahme auf einen etwaigen Mitsorgeantrag des Vaters - in Sachen Beschneidung für vollendete Tatsachen sorgen.
Fazit: Neben den in einer Art Grauzone stattfindenden eigenmächtigen Umzügen unter Mitnahme des Kindes schwebt über Eltern ohne Sorgerecht nun ein weiteres Damoklesschwert: Die Beschneidung des gemeinsamen Kindes. Notabene: Sofern das Kind männlich ist. Allein dadurch m. E. unter dem Aspekt einer Gleichberechtigung der Geschlechter äußerst kritisch zu sehen.

Bezeichnend ist, dass die Knabendiskriminierung, die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz (das die Beschneidung weiblicher Genitalien ausdrücklich unter Strafe stellt) festgezurrt werden soll, in den Medien derzeit totgeschwiegen wird:

http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/4...

Nur Prof. Hardtung bringt es auf den Punkt:

Eine Sonderstrafnorm, die pauschal alle Formen der Frauenbeschneidung erfasste, würde an das Geschlecht des Tatopfers anknüpfen, nicht an Unrechtsunterschiede zwischen der Frauen- und der Männerbeschneidung. Sie könnte deshalb vor dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG keinen Bestand haben.
Deshalb sind alle vorgelegten Entwürfe zu Sonderstraftatbeständen der Frauenbeschneidung gleichheitswidrig: Sie wollen Frauenbeschneidungen, die genauso schwer wiegen wie eine Män-nerbeschneidung oder sogar leichter, schwerer bestrafen; sie wollen schwere Formen der Frau-enbeschneidung schwerer bestrafen als vergleichbar schwere (dann: misslungene) Formen der Männerbeschneidung. Einen Körperverletzungs-Sondertatbestand zu schaffen, der nur für weib-liche Opfer gilt, wäre verfassungswidrig. Er könnte keinen Bestand haben vor Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG bestimmt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes … benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Das gilt auch für Opfer von Straftaten.
...
§ 1631d BGB, der ausdrücklich nur für die Knabenbeschneidung konzipiert wurde, muss ent-sprechend auch auf diejenigen Formen der Mädchenbeschneidung angewendet werden, die in ih-rem Schweregrad der Knabenbeschneidung gleichstehen oder sogar dahinter zurückbleiben. Art. 3 GG lässt keine Differenzierung zu, er stellt das gleich doppelt klar: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Abs. 2 S. 1); „Niemand darf wegen seines Geschlechtes … benachteiligt oder bevorzugt werden“ (Abs. 3 S. 1).
Kein Ausweg wäre es, den Entwürfen folgend, die Mädchenbeschneidung mit einer drakonischer Sonderstrafandrohung zu versehen. Das wäre nur eine leicht zu durchschauende Maskierung der Tatsache, dass die leichten Formen der Mädchenbeschneidung in ihrer Unrechtsschwere mit der Knabenbeschneidung vergleichbar sind. Außerdem würde eine solche Sonderstrafnorm, die als Opfer nur Frauen nennt, ihrerseits unentrinnbar mit Art. 3 GG in Konflikt geraten.

Im Beck'scher Online-Kommentar zum StGB heißt es inzwischen: "Das Gesetz [§1631d] ist offensichtlich verfassungswidrig" und weiter: "das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung
und ungestörte kindliche Sexual- und Gesamtentwicklung zählt zum Unverfügbaren (Art 1 Abs 1 GG, Art 79 Abs 3 GG). Politik und Religion dürfen darüber nicht verfügen."

Jedem Bundestagsabgeordneten, der diesem Unrechtsgesetz zugestimmt hat, sollte dies die Schamesröte in das Gesicht treiben.

Ich habe nichts mehr zu sagen: Antonius Theiler

Israels Oberrabbiner haben sich in den Streit um ein umstrittenes jüdisches Beschneidungsritual in Deutschland eingeschaltet. Sie sprachen sich für eine Beibehaltung der Beschneidungspraxis aus, bei der der Beschneider das beim Entfernen der Vorhaut austretende Blut mit dem Mund absaugt, statt eine Pipette zu benutzen, berichtet die Tageszeitung „Haaretz“. Wenn der Beschneider keine übertragbare Krankheit oder Halsentzündung habe, gebe es keinen Grund, das Ritual zu meiden, wird der Vorsitzende der zuständigen Abteilung des Großrabbinats, Mosche Morsiano, zitiert. Er äußerte sich demnach auf Anfrage des Berliner Rabbiners Yehuda Teichtal; dieser ließ seinen Neugeborenen im März auf diese Weise beschneiden. Dagegen reichte ein Verein für Kinderrechte Strafanzeige ein.

Der Bundestag hatte im Dezember die religiös motivierte Beschneidung von Jungen auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Demnach verstoßen Juden und Muslime in Deutschland damit nicht gegen geltendes Recht. Sie muss jedoch „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ erfolgen. Vorausgegangen war im Mai 2012 ein Urteil des Kölner Landgerichts, das Beschneidung in einem Einzelfall als Körperverletzung gewertet hatte. Internationale Proteste waren die Folge.

(kna 25.04.2013 mg)

Dieser Text stammt von der Webseite http://de.radiovaticana.va/news/2013/04/25/israel_d:_oberrabbiner_f%C3%BCr_umstrittenes_beschneidungsritual/ted-686221
des Internetauftritts von Radio Vatikan
 

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Es bleibt spannend, wie sich die Staatsanwaltschaft in Berlin im Fall Teichtal herauszuwinden versuchen wird, in dem genau dieses Ritual praktiziert wurde, von dem es in der Sitzung des Ethikrates noch gehießen hatte, dass das in Deutschland nicht praktiziert würde.

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