Deniz Yücel „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“
von , veröffentlicht am 17.03.2018Wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung saß Deniz Yücel gut ein Jahr in türkischer Haft, bevor er am 16. Februar 2018 wieder in Freiheit kam. Nach seiner Entlassung legte die Staatsanwaltschaft eine Anklage (vermutlich mit diesen beiden Tatvorwürfen) vor.
Vor seiner Inhaftierung waren mir seine Texte nicht bekannt. Dann interessierte ich mich allerdings die Arbeit dieses mutigen Journalisten, für dessen Freilassung sich seine Redaktion und eine immer breitere Öffentlichkeit in so bewundernswerter Weise während der gesamten Zeit seiner Inhaftierung einsetzte.
Wenige Tage vor seiner Entlassung erschien am 14. Februar 2018 ein Buch mit seinen Reportagen. Bemerkenswert ist, dass dieser Vollblutjournalist aus türkischer Haft heraus gemeinsam mit Doris Akrap die Reportagen zusammenstellte, die jetzt in diesem Buch nachgelesen werden können.
Aus strafrechtlicher Sicht interessierten mich aus dem Sammelband zunächst einmal die beiden Texte, die aus Sicht der türkischen Strafverfolger oder klarer: der türkischen Regierung als Vorwurf für seine Inhaftierung herhalten mussten. Das Interview mit dem Vizechef der PKK Cemil Bayik („Ja, es gab interne Hinrichtungen“, S. 122 ff.), das Yücel im nordirakischen Kandil-Gebirge führte, sowie ein Report über den Machtausbau des türkischen Staatspräsidenten (Der Putschist, S. 167 ff.). Beiden Texte mögen der Regierung in Ankara nicht gefallen haben, aber von Terrorpropaganda findet sich da kein Wort!
Unbedingt lesenswert ist dieses Buch aber auch deshalb, weil es vier sehr beeindruckende Texte enthält, die Yücel während seiner Inhaftierung unter großen Schwierigkeiten, wie er näher berichtet, verfasst hat und nach draußen schmuggeln konnte (S. 185 ff.). Wer wenig Zeit zum Lesen findet, sollte jedenfalls den ersten Beitrag lesen, der mit dem Satz endet: „Alle, die ich hier kennen gelernt habe – kurdische Aktivisten, Makler, Katasterbeamte, Gangster –, alle haben mir gesagt: `Du musst das Aufschreiben, Denis Abi.` Ich habe gesagt: `Logisch, mach ich. Ist schließlich mein Job. Wir sind ja nicht zum Spaß hier.“
Sein Vorwort zu diesem ersten Beitrag endet mit einem Zitat: „Es geht nicht darum, gefangen zu sein / Sondern darum, sich nicht zu ergeben.“ Denis Yücel hat das während seiner Haft in sehr beeindruckender Weise gelebt!
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21 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenProf. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
Erstmals nach seiner Freilassung hat Deniz Yücel gemeinsam mit seiner Frau Dilek ein Interview gegeben, das vieles von dem vertieft, was mein Beitrag nur angerissen hat. Unbedingt lesenswert für jeden, der sich auch jetzt noch für den "Fall Yücel" interessiert!
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http://taz.de/!5114887/
Gast kommentiert am Permanenter Link
Der Artikel ist ja schon einige Jahre alt. Es zeigt sich aber, dass Deniz Yücel schon mit sehr, sehr spitzer Feder schreibt, was ihm natürlich hier wg. Art. 5 GG unbenommen und erlaubt ist. Man kann sich aber schon vorstellen, dass sich empfindlichere Egos, wie Erdogan, durch eine solch ungehemmt-spitze Schreibe "terrorisiert" fühlen könnten...
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Bitte verstehen Sie meine Bemerkung nicht falsch, aber Deniz Yücel hat - bedingt durch seine Prominenz - einfach "Glück gehabt". Während dessen sitzt eine Vielzahl u.a. von kurdischen Parlamentsabgeordneten und von Journalisten in türkischen Gefängnissen und darf sich - ohne jede realistische Aussicht auf irgend einen juristischen Erfolg - durch den türkischen Instanzenzug quälen. Denn der EGMR lehnt es nach wie vor ab, von den völlig realitätsfern übersteigerten Anforderungen an das "Subsidiaritätsprinzip" in irgend einer Weise abzurücken!
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Gerade eben habe ich den LTO-Artikel dazu entdeckt:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/emrk-egmr-tuerkei-journalisten-...
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
DAV begrüßt EGMR-Entscheidung zur Türkei
Am Dienstag verurteilte der EGMR die Türkei wegen der Inhaftierung zweier Journalisten. Er stellte eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung fest. Der DAV hatte in der Vergangenheit wiederholt an den EGMR appelliert, sich nicht hinter Formalia wie fehlender Rechtswegerschöpfung zu verstecken, und begrüßt daher die erste materiell-rechtliche Entscheidung des EGMR im Zusammenhang mit dem seit Juli 2016 ausgerufenen Notstand (DAV-Pressemitteilung Nr. 10/18). Wichtig sei jetzt, dass der EGMR den Mut beweise, auch in den anderen tausenden Fällen in der Sache zu entscheiden. Der DAV setzt sich dafür ein, dass europäische Menschenrechtsanwälte stärker kooperieren, um Fälle vor den EGMR zu bringen. Hierzu hat der DAV Anfang März in einer gemeinsamen Konferenz mit Anwaltvereinen aus ganz Europa den ersten Schritt initiiert (DAV-Depesche Nr. 10/18).Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Gast, sehr geehrter Herr Würdinger,
Mit besten Grüßen
Bernd von Heintschel-Heinegg
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass der politischen Klasse rechtsstaatliche oder gar humanitäre Belange im Grunde genommen ziemlich egal sind, Hauptsache, die Türkei bleibt als NATO-Partner an Bord. So kommt es, dass sich die politische Klasse um den einen - prominenten - Fall kümmert, um alle anderen, unter irgendwelchen Vorwänden Inhaftierten eben nicht.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Würdinger,
so sehr ich Ihre vielfältigen Kommentare im Blog schätze, teile ich Ihre Einschätzung diesmal nicht. Im Fall Yücel hat der frühere Außenminister Gabriel hervorragende Arbeit geleistet, wenn auch wohl nicht ganz uneigennützig.
Natürlich geht es darum, die Türkei als NATO-Partner nicht zu verlieren, aber eben auch um humanitäre Belange inhaftierter deutscher Staatsangehörigen in der Türkei aber auch um Hilfe zumal für die türkischen Journalisten. Das ist in den diplomatischen Aktivitäten auch jeweils deutlich geworden!
Diplomatie als die Kunst und Praxis des Verhandelns zwischen Nationen muss auf vielfältige Belange Rücksicht nehmen, ist aber deshalb nicht von Hause aus zu verurteilen. Manchmal braucht es, um Erfolg zu haben, einen langen Atem und auch manchmal Geheimdiplomatie, von der wir nichts erfahren.
Unsere Diplomatie hat in der Vergangenheit auf rechtsstaatliche und humanitäre Belange geachtet. Selbstverständlich kann man darüber streiten, ob die einzelnen Aspekte jeweils den richtigen Stellenwert eingenommen haben. Über die Außenansicht der jeweiligen Außenpolitik gilt es dann innenpolitisch zu diskutieren. Schließlich hat dann der Wähler das Wort.
Mit besten Grüßen
Bernd von Heintschel-Heinegg
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Nach meinem politischen Geschmack ist eben das Agieren von deutscher Seite allzu "diplomatisch". Außerdem habe ich die Befürchtung, dass vor lauter Jubel über die Freilassung des einen prominenten Journalisten das Schicksal von Tausenden anderen Inhaftierten (deren Namen man in Deutschland noch nicht einmal kennt) völlig aus dem Blick gerät.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Der Vergleich mag Ihnen als sehr weit hergeholt erscheinen, aber ich denke, dass das Verhalten der deutschen Behörden seinerzeit im Fall der Elisabeth Käsemann durchaus eine "Blaupause" für das aktuelle Agieren der deutschen Behörden darstellt.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Ich kann mir ganz einfach nicht vorstellen, warum die deutschen Diplomaten heute weniger zynisch agieren sollten als seinerzeit die deutschen Diplomaten zu Zeiten von Helmut Schmidt.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Wie anders als Zynismus gegenüber geltendem (Verfassungs-) Recht bezeichnet man denn Entscheidungen wie am 12./13. Sept. 2015? Recht gegen medial-propagandistisch unhübsche Bilder?
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Nun, also bei dem Gladbecker Geiseldrama galt es sehr schnell als verwerflich, Verbrecher durch - als solche kaum propagandistische - Interviews "salonfähig" zu machen. Terroristen durch Interviews "salonfähig" zu machen - könnte darin nicht eine Beihilfe stecken?
Gast kommentiert am Permanenter Link
Wollen Sie uns damit sagen, dass Y. ein “Verbrecher“ und “Terrorist“ ist? Jetzt schlägt's aber 13!
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Nun, "Gast", die schlichte Anwendung von Logik und deutscher Sprache würde recht schnell zu dem Ergebis führen, dass ich die Interviewführer, die sog. "Journalisten" als Gesprächskonterpart der Verbrecher (Gladbeck) bzw. Terroristen ( evtl. Türkei) genannt habe. Die EU incl, Deutschland schätzt übrigens permanent die PKK als terroristische Organisation ein. Wenn laut jüngeren BGH-Weistums "Täterschaft" ohne Tatbeteiligung möglich ist, ja wie weit geht dann "Beihilfe"? Ob's bei Ihnen 13, 17,5 oder irgendwas bimmelt, ist mir so was von egal. Hauptsache, es macht "bim" und der Groschen fällt.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
BERLIN taz | Endlich! Super! Wunderbar!............Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Eine Nation, deren größter Beitrag zur Zivilisationsgeschichte der Menschheit darin besteht, dem absolut Bösen Namen und Gesicht verliehen und, wie Wolfgang Pohrt einmal schrieb, den Krieg zum Sachwalter und Vollstrecker der Menschlichkeit gemacht zu haben; eine Nation, die seit jeher mit grenzenlosem Selbstmitleid, penetranter Besserwisserei und ewiger schlechter Laune auffällt; eine Nation, die Dutzende Ausdrücke für das Wort „meckern“ kennt, ................Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich aufteilen?.............Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal." Zitate Ende. In der Tat - für solche Leute (und Leut_#*Innen ) allemal, Anatolien. Dort leuchtet dann auch die wahre Humanität, einen leicht Behinderten öffentlich als "lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur" zu bezeichnen. Manche(auch_#*Innen) tragen vor, es gäbe keine "spezifisch deutsche Kultur". Es gilt eher: es gibt sie durchaus, aber solche haben sie nicht, kennen sie nicht einmal.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrte Herren,
zwischenzeitlich sind wir in der Dikussion vom eingangs vorgestellten Buch aber auch von dem Journalisten Deniz Yücel völlig abgekommen! Bitte lassen Sie uns jetzt hierauf wieder zurückkommen!
Mit freundlichen Grüßen
Bernd von Heintschel-Heinegg
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Professor, Ihre Bemerkung verstehe ich nicht ganz. Meine Zitate stammen ausschließlich von Herrn Y. ( mit Ausnahme der "spezifisch deutschen Kultur"). Nennen Sie jemanden, der in Zeitungen drucken lässt, nicht "Journalisten"? Man ist völlig bei Herrn Y. angekommen! Peus.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Wer sich so ins Abseits schreibt wie Sie, muss sich nicht wundern, wenn er abgepfiffen wird. Da hilft dann auch kein uneinsichtiges Meckern, sondern nur Besserung in der Zukunft.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Gast, Sie bewegen sich auf Ferbsehtalkshw-, also unterstem Niveau. Sie quatschen hinein. Ich hatte Herrn Professor v. Heintschel-Heinegg gefragt. Denn er vertrat die mir etwas fernliegend erscheinende Auffassung, man komme ausgerechnet dann, wenn man einen Jornailisten zitiere, gerade von ihm ab.