Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen Verurteilung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die Mitarbeit in einem Yoga- und Meditationszentrum

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 21.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|1532 Aufrufe

Wir hatten über diesen Fall mehrfach berichtet (siehe Beiträge vom 1.5.2023 zur Entscheidung des BAG und zuletzt vom LAG Hamm vom 17.5.2024). Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Klage einer ehemaligen Priesterin aus einem Yoga-Ashram, die für ihre Vollzeitarbeit nur Kost und Logis sowie ein Taschengeld von monatlich 390 Euro erhielt. Nach der Trennung von der spirituellen Gemeinschaft forderte sie eine Gehaltsnachzahlung von 46.000 Euro. Das BAG (25.4.2023 – 9 AZR 253/22, NZA 2023, 1175) hatte im April 2023 entschieden, dass für ihre Tätigkeit (u.a. Seminarplanung und Onlinemarketing) der gesetzliche Mindestlohn statt eines Taschengeldes zusteht.

Mit Beschlüssen vom 2.7.2024 (1 BvR 2244/23, 1 BvR 2231/23) hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zwei Verfassungsbeschwerden einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts richten. Die Verfassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg. Es könne offenbleiben, ob die Annahme des BAG, bei dem Beschwerdeführer handele es sich nicht um eine Religionsgemeinschaft, mit Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz vereinbar ist. Denn es sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die geleisteten Dienste der Aufrechterhaltung des Beherbergungs- und Seminarbetriebs des Vereins und des Vertriebs von Yoga-Produkten, um deren arbeitsrechtliche Beurteilung es hier geht, für sich genommen religiös geprägt waren.

Von einer weiteren Begründung der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wurde nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist wohl so zu interpretieren, dass das Bundesverfassungsgericht von einer ehemals hinsichtlich Art 4 GG sehr zentralen Entscheidung abgerückt zu sein scheint: Lumpensammler Entscheidung des BVerfG (Beschl. v 16.10.1968, Az. 1 BvR 241/66). Damals hatte das BVerfG zunächst primär auf das Selbstverständnis einer Vereinigung als Religionsgemeinschaft abgestellt und diese Wertung auf die Tätigkeit ausgeweitet.  Wenn die Vereinigung selbst vom Schutzbereich erfasst sei, müsse sich diese Wertung auch auf die Tätigkeiten beziehen, mit denen die Mitglieder die Mittel für die religiösen oder karitativen Zwecke besorgen. Anderenfalls kann durch staatlicherseits individuell oder generell angesetzter Maßstäbe die Möglichkeit zur Selbstorganisation auf tatsächlicher Ebene ausgehöhlt oder gar unmöglich gemacht werden.

Der Artikel 4 GG sollte weiterhin einen im Spektrum der Grundrechte gleichberechtigten Schutzbereich beschreiben.

Eine möglicherweise fehlerhafte, unvollständige Sachverhaltsaufnahme durch die Arbeitsgerichtsbarkeit stellt auch einen effektiven Verstoß gegen das Grundgesetz dar und höhlt dieses aus.

Zum effektiven Schutz von Vereinigungen, die sich auf Art 4 GG berufen, zur Selbstverwaltung wurden deshalb in den Sozialgesetzbüchern die ausführlichen Regelungen zu geistlichen Genossneschaften vorgesehen.

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Es widerspricht sich für Lebensgemeinschaften in geistlichen Genossenschaften, in denen alle jede:r für sich freiwillig und aus Überzeugungsgründen für ihr Zusammenleben verpflichtend auf Fleisch, Alkohol, Drogen und Tabak verzichtet haben, ein Arbeitsverhältnis anzunehmen. Bei Klassifizierung als Arbeitsverhältnis gibt es beispielsweise in solchen Fällen des Verstoßes keine Möglichkeiten zur Maßregelung oder Kündigung. Es wird also die effektive Selbstverwaltung solcher Lebensgemeinschaften gehindert. Deshalb gibt es zum Schutz für solche in Lebensgemeinschaften ausgestaltete geistliche Genossenschaften wie auch für deren Mitglieder hinreichende Regelungen in den gültigen Sozialgesetzbüchern, die anzuwenden sind. Anderenfalls ist das Selbstverwaltungsrecht in seiner Ausprägung von Art 4 GG unterbunden.

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