Wenn die Servicegeschäftsstelle von einem Entbindungsantrag telefonisch erfährt, darf Gericht den tatsächlich vorhandenen Antrag nicht übergehen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.06.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1099 Aufrufe

Das AG hatte den Entbindungsantrag des Verteidigers übersehen/übergangen. Das kann bei kurzfristig gestellten Anträgen schon einmal passieren. Das darf aber nicht passieren, wenn die Serviceeinheit telefonisch von der Antragsstellung weiß. Dann ist die Einspruchsverwerfung rechtsfehlerhaft. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen Verletzung rechtlichen Gehörs zulässig:

 

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 5.02.2024 wird zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Westerstede zurückverwiesen.

Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Ammerland verworfen. Durch diesen Bußgeldbescheid ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 100,- € festgesetzt worden.

In den Gründen des angefochtenen Urteiles heißt es, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ausgeblieben sei, obwohl er von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbunden gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden ist. Die Rüge ist insoweit ordnungsgemäß ausgeführt worden und führt zugleich zur Begründetheit der Rechtsbeschwerde:

Zwar könnte zweifelhaft sein, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig vor dem Termin gestellt worden ist. Allerdings hat der Verteidiger versichert, kurze Zeit nach Übersendung des Antrages die zuständige Serviceeinheit telefonisch über den übermittelten Antrag informiert zu haben. Das Amtsgericht hat in Kenntnis der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Anlass gesehen, dieser Darstellung entgegenzutreten. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes durfte der Betroffene davon ausgehen, dass sein Antrag Berücksichtigung finden würde.

Über den Entbindungsantrag hat das Amtsgericht nicht entschieden und damit das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt, wobei die Voraussetzungen für eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen auch erfüllt waren.

Es ist auch nicht so, dass das Urteil nicht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, weil wegen der Abwesenheit auch des Verteidigers ohnehin eine Verwerfung hätte erfolgen müssen. Dass im Falle einer Entbindung auch der Verteidiger nicht erscheint, rechtfertigt die Verwerfung nämlich nicht (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 9. März 2010, 2 SsRs 38/10 mit weiteren Nachweisen).

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

 

OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.05.2024 - 2 ORbs 63/24, gefunden bei www.burhoff.de

 

 

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