EuGH schränkt Führerscheintourismus ein: Kommt es jetzt auf die richtige Vorbereitung an?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.06.2008

Der EuGH hat sich zum wiederholten Male mit der Frage des Führerscheintourismus befasst. Es ging um zwei Betroffene (Wiedemann und Funk), die jeweils in Tschechien eine sog. "EU-Fahrerlaubnis" erworben hatten. Beide waren offenbar so ungeschickt gewesen, gegenüber den tschechischen Behörden bzw. im Verfahren vor der deutschen Verwaltungsbehörde anzugeben/zuzugestehen, zur Zeit der Erteilung ihres tschechischen Führerscheins ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt zu haben. Sicher hatte nicht nur ich nach den bisherigen Entscheidungen des EuGH eigentlich erwartet, dass alle Versuche deutscher Behörden, in Nachbarländern unter derartigen Umständen erteilte EU-Fahrerlaubnisse "einzukassieren"  von dem EuGH abgestraft werden. Nach dem Schlussantrag des Generalanwaltes Yves Bot vom 14. Februar 2008 jedoch kündigte sich bereits eine Umkehr an. Nun liegt die Entscheidung vom heutigen Tage im Volltext vor. Grundsätzlich bleibt es danach bei der gegenseitigen uneingeschränkten Anerkennung der in EU-Staaten ausgestellten Fahrerlaubnisse. Aus dem Info-Dienst Beck-Aktuell ist aber u.a. folgende Zusammenfassung zu entnehmen:

Allerdings könne ein Mitgliedstaat einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewandt worden sei, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins versagen. Dagegen könne ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat außerhalb einer Sperrzeit ausgestellten Führerscheins nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Inhaber dieses Führerscheins die Voraussetzungen nicht erfüllt, die nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätige, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorlägen.

Der EuGH wies darauf hin, dass die Mitgliedstaaten aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs ihre innerstaatlichen Vorschriften über den Entzug der Fahrerlaubnis auf jeden Inhaber eines Führerscheins anwenden könnten, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet habe. Diese Befugnis könne jedoch nur aufgrund eines Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ausgeübt werden. Die Voraussetzung eines einzigen ordentlichen Wohnsitzes gewährleiste die Sicherheit des Straßenverkehrs, da sie unerlässlich sei, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen, so der EuGH in seiner Urteilsbegründung. Soweit in den vorliegenden Rechtssachen nicht anhand der von den deutschen Behörden stammenden Informationen, sondern auf der Grundlage von Angaben in den tschechischen Führerscheinen selbst oder anderen von der Tschechischen Republik herrührenden unbestreitbaren Informationen feststehe, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht erfüllt gewesen sei, könne Deutschland es ablehnen, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung anzuerkennen, die sich aus den fraglichen tschechischen Führerscheinen ergebe.

 

Ausführliche Besprechungen der Entscheidung werden sicher in den nächsten Monaten stattfinden. 

Zu bemerken ist natürlich: Grundsätzlich verhält sich die Entscheidung nur über die Frage des Umgangs der Verwaltungsbehörden mit der sog. "EU-Fahrerlaubnis".

Eine wichtige Frage wird sein, ob die Entscheidung auch dazu führen wird, dass die Staatsanwaltschaften/Strafgerichte wieder Fahrten mit EU-Führeschein nach vorher erfolgter Entziehung/Versagung durch deutsche Behörden verfolgen werden. In den letzten Monaten hatte es hier erkennbar keine neuen Verurteilungen gegeben, da die Gerichte die EU-Fahrerlaubnisse ohne "wenn und aber" anerkannten.

Bei einer ersten knappen Durchsicht der Entscheidung steht natürlich zu vermuten, dass der Führerscheintourismus weitergeht und sich die Vermittler derartiger Angebote auf die Entscheidung einstellen werden ("Ist Ihre Sperre abgelaufen? Wohnen Sie im Ausstellerstaat? Können wir einen Wohnsitz vermitteln?"). Der Führerscheintourismus wird also (leider) weitergehen... 

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14 Kommentare

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Der EuGH schränkte den sogenannten EU Führerschein Tourismus nach anderen EU-Ländern mit dem neuen Urteil ein. Die deutschen Behörden müssen wenn bestimmte Voraussetzungen nicht gegeben sind nicht anerkennen.

Das Urteil sagt eindeutig dass Führerscheine ohne eine Meldeanschrift aus dem führerscheinausstellenden Land in Deutschland nicht akzeptiert werden müssen, wenn zuvor hierzulande eine Führerscheinversagung oder Eignungsmängel festgestellt wurden.

Zum anderem sagt das Utreil klar aus, das die Vorausetzungen zur zum Führerscheinerwerb nur vom führerscheinausstellendem Land geprüft werden können. Sind die voraussetzungen gegeben so darf dies nicht von einem anderem Land in Zweifel gezogen werden.

Wer ordnungsgemäß seinen Führerschein mit Wohnsitz bzw. Nebenwohnsitz in einem anderem EU-Land erwirbt und dies auf dem Führerschein ersichtlich ist, und wenn sowohl die Gesetze als auch Verwaltungsvorschriften des führerscheinausstellenden Landes eingehalten wurden und wer sich nach Erhalt des Führerscheins nichts zu Schulden kommen lässt dem darf der Führerschein nicht entzogen werden.

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Vollkommen richtig - wichtig ist wohl, dass der EuGH nicht wirklich zurückgerudert ist, sondern seine vorherigen drei Entscheidungen zu dieser Frage (Kapper - NJW 2004, 1725; Halbritter - NJW 2006, 2173; Kemer - NJW 2007, 1863)bestätigt hat. Er hat nur der Rechtswirklichkeit durch eine Art Missbrauchskontrolle Rechnung getragen.
Ich denke aber, dass das Wohnsitzerfordernis leicht ausgehebelt werden kann (und wird). Natürlich wird es kein Problem sein, eine Person im Ausstellungsstaat für einen Tag (nämlich den der Führerscheinprüfung) anzumelden. Der EuGH hat nämlich nur zwei Möglichkeiten eröffnet, einen offensichtlichen Verstoß hiergegen festzustellen:
- entweder ergibt sich der Verstoß aus den Angaben im ausgestellten Führerschein
- oder aus anderen von dem ausstellenden Staat herrührenden unbestreitbaren Informationen.
Nicht möglich ist also der einfachere Weg einer Recherche in Deutschland, ob der Fahrer jemals seinen Wohnsitz hier aufgegeben hat...derartige Erkenntnisse dürfen nicht eingestellt werden in die Erwägungen deutscher Behörden.

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Vorab ist klarzustellen, daß es um einen sog. EG-Führerschein geht, da Grundlage eine EG-Richtlinie nach dem EG-Vertrag ist (es gibt keine EU-Richtlinien und deshalb auch keinen EU-Führerschein).

Von einem Ende des Führerscheintourismus kann nicht gesprochen werden, höchstens von einer Erschwerung.

Demnächst erscheint in der NZV (Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht) meine Anmerkung zum EuGH-Urteil,
außerdem in der VR (Verwaltungsrundschau) der Aufsatz "Kein Ende des Führerscheintourismus".

Klaus Weber
www.hansklausweber.de

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Lieber Herr Weber

Vielen Dank für die Klarstellung, was den Führerschein angeht. Auf die Anmerkung in NZV bin ich natürlich sehr gespannt. Sehen Sie es denn auch so wie ich, dass sich die Führerscheinanbieter darauf einrichten werden, das "Führerscheinpaket" auch mit Wohnsitzbescheinigung im Ausstellungsstaat anzubieten? Dann würde sich ja tatsächlich gar nichts durch die EuGH-Rspr. ändern, oder?
Und: Was denken Sie in strafrechtlicher Hinsicht: Wird es wieder zu Verurteilungen gem. § 21 StVG kommen?

PS: Ihre Internetpräsenz kannte ich noch nicht, bin aber sehr beeindruckt von der Masse an Informationen dort und habe sie mir gleich unter meine Favoriten gepackt...

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Lieber Herr Kollege Krumm,
natürlich wird es "neue" Angebote aus dem Ausland geben, ich selbst habe im Internet derartige Angebote (als Reaktion auf den EuGH) lesen können.
Zur strafrechtlichen Problematik enthält mein Manuskript, das der Redaktion der NZV vorliegt, Ausführungen unter Berücksichtigung des neuen Urteils.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Weber

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Sehr geehrter Herr Weber
Ich bin wirklich gespannt. Ich weise hier schon einmal auf eine Besprechung in SVR 2007, 270 hin, die leider noch nicht bei beck-online verfügbar ist, aber in den nächsten Tagen eingestellt werden dürfte. Der Präsident des VG München Harald Geiger weist für die verwaltungsgerichtliche Praxis hierin auch darauf hin, dass sich an der Praxis des Führerscheintourismus vermutlich nichts ändern wird, zumal - worauf ich bereits eingangs des Blogs hingewiesen habe - nur eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten bestehen.

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Info zum EuGH Urteil 26.06.2008:
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Durch das EuGH Urteil vom 26.06.08 wurde der EU-Führerschein als solcher und der Erwerb eines EU-Führerscheins nochmals klar bestätigt und den Zweifel von deutschen Behörden am EU-Führerschein eine deutliche Absage erteilt.
Allerdings wurde im Sinne der deutschen Behörden auch klargestellt, dass zwingend eine Wohnsitzadresse des ausstellenden Landes für 185 Tage vorhanden sein muss.
Durch dieses Urteil werden nun einige im Zeitraum von 2004 bis 2006 ausgestellte tschechische EU-Führerscheine durch deutsche Führerscheinbehörden in Zweifel gezogen, da bei einigen dieser 2004 bis 2006 erworbenen Führerscheine unter Punkt 8 auf dem Führerschein (unterhalb des Lichtbildes) eine deutsche Wohnadresse eingetragen wurde.
Nun werden diese EU-Führerscheininhaber von deutschen Führerschein-Behörden angeschrieben, sich zu Ihrem EU-Führerschein zu äußern und diesen in der Führerscheinstelle zur Überprüfung vorzulegen.

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Ich gehöre auch zu den Betroffenen.Ich habe 2005 den Fs in der Tschechei gemacht und hatte bis jetzt keine Probleme.
Samstag bekam ich das Schreiben der Verkehrsbehörde,daß mein Schein nicht mehr gültig ist und ich ihn vorlegen muß,daß ein Stempel darauf gemacht wird und er für die BRD nicht mehr gilt.
Dabei war ich 2005 insgesamt 9 Monate auf Montage in der Tschechei.Aber ich wußte ja nicht,daß die tschechische Adresse darauf stehen muß und leider meine Heimatadresse angegeben.
Was kann ich jetzt tun?

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Vielleicht noch ein Zusatz:
Auf dem Schreiben steht:Durch uns sind keine weiteren Auklärungsmaßnahmen zu treffen,da unbestreitbar feststeht,daß Sie ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt dr Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
Das heißt wohl im Prinzip:Ich muß den Beweis erbringen,daß ich damals einen Wohnsitz in der Tschechei hatte.Aber ich habe keine Papiere mehr,die das beweisen würden.Es ist ja schon über 3 Jahre her.
Das kann doch alles nicht wahr sein!!!

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Du solltest dich umgehend mit der Deutsch-Tschechischen Anwaltskanzlei Prexler&Dr.Belling in 93437 Furth im Wald, Schafberg 28 Tel. 09973-802074 in Verbindung setzen. Habe ich auch gemacht weil ich das gleiche Problem habe, die vorbezeichnete Kanzlei besorgt dann die damals ( bei mir 2004 ) erforderliche Meldebestätigung, somit wäre ein rechtsmissbräuchlicher Erwerb des Tschechischen Führerscheins ausgeschlossen. Insbesondere vor dem hintergrund, das die Wohnsitzforderung erst ab dem 01.07.2006 in die tschechische Rechtsordnung eingefügt wurde. MFG. H. Siemer  

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"Führerscheintourismus" - ein negativ besetzter Begriff

Ich würde gern für meine Tochter eine Möglichkeit finden, den Führerschein kostengünstiger als in Deutschland zu machen, - gern auch in Kombination mit
einer Urlaubsreise. (Ich kaufe ja auch nicht die teuren
deutschen Bananen).

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Schließe mich mit meinem Posting einem vorherigen Kommentar an da es eine neue Entscheidung des EuGH gibt.

Deutschland muss nach dieser grundsätzlich tschechische Führerscheine anerkennen die deutschen Staatsbürgern nach dem Entzug einer deutschen Fahrerlaubnis ausgestellt worden sind.

Deutschland kann jedoch die Anerkennung dieser Führerscheine verweigern, wenn sich aus dem tschechischen Führerschein oder aus Informationen aus der Tschechischen Republik ergibt, dass diese Staatsangehörigen zum Zeitpunkt der Ausstellung dieser Führerscheine ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik hatten.

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