Dresden - Überwachung von Demonstrationsteilnehmern durch polizeiliche Telefondatenauswertung?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 22.06.2011

Wie die taz seit vorgestern berichtet (Quelle), hat die Dresdner Staatsanwaltschaft mit richterlicher Anordnung die Telefonverbindungsdaten von hunderten (tausenden?) Demonstranten einer Anti-Nazi-Demonstration am 19. Februar (aber auch von Anwohnern, Journalisten, Passanten und Polizisten) bei den Providern abgefragt und gespeichert, um sie zur Aufklärung von demonstrationsbezogenen Straftaten zu verwenden. Die Datenerhebung  geschah durch eine Abfrage, bei der für bestimmte Handy-Funkzellen und für einen bestimmten Zeitraum sämtliche Verbindungsdaten dort registrierter Mobiltelefone ermittelt werden. Es handele sich um insgesamt 138.000 Datensätze.

Die Funkzellenabfrage ist in vielen Fällen zu einem ermittlungstaktischen Standardmittel der Polizei geworden: Nach einer Straftat, man denke etwa an ein Tötungsdelikt oder einen schweren Raub, kann man so ggf. einen Tatverdächtigen ermitteln, der in der Nähe des Tatorts mobil kommuniziert hat. Solche Anfragen sind Routine, wie Christian Rath unter Heranziehung der Max-Planck-Studie zur Telefondatenabfrage (2005, publiziert hier 2008) berichtet:

Dabei ergab sich, dass im Jahr 2005 allein bei T-Mobile (damals 31 Millionen Kunden) knapp 6.000 Mal der Verkehr einer oder mehrerer Funkzellen ausgewertet wurde. Neuere Daten sind nicht bekannt. Am häufigsten nutzte die Polizei diese Methode damals bei Entführungen und Raubüberfällen. Eine Polizei-Annahme lautete, dass bei arbeitsteiligen Delikten die Täter im Tatzeitraum öfter miteinander telefoniert haben müssen.(Quelle)

Wenn mich mein "Radar" nicht täuscht, ist aber die Abfrage einer Funkzelle zur Zeit einer Demonstration heikel: Das Recht aus Art. 8 GG wird vom BVerfG besonders stark betont. Dass die Polizei über eine solche Funkzellenabfrage praktisch eine Liste der Demonstrationsteilnehmer erstellen und speichern kann, erscheint missbrauchsanfällig und hat die Tendenz zur Demokratiefeindlichkeit. Und prompt soll die Polizei die Daten missbraucht haben: Es sollen nicht nur die Ermittlungen  "erheblicher Straftaten", sondern auch solche zu harmloseren Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, sprich: Blockaden, mit den Daten gefüttert worden sein.

„Unser Ziel ist die Aufklärung der schweren Straftaten. Dafür müssen wir wissen, wer sich zum Tatzeitpunkt innerhalb der Funkzelle aufgehalten hat“, teilte Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch mit. Die Daten wurden in mehreren Fällen allerdings auch zweckentfremdet und flossen in Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. „Aufgrund der Festlegung der Staatsanwaltschaft ist eine Verwertung in Bezug auf Blockadeaktionen ausgeschlossen“, stellt die Polizeibehörde dazu zerknirscht fest.(Quelle)

Etwas anders ist die Darstellung im Dresden Fernsehen (hier), von Missbräuchen ist dort nicht die Rede.

Den Gegnern der Vorratsdatenspeicherung hat die Polizei damit ungewollt einen Gefallen getan, denn dieser Fall belegt: Im polizeilichen, staatsanwaltlichen und gerichtlichen Alltag spielen die verfassungsrechtlich erforderlichen Begrenzungen, zu denen sich Politik und Praxis in Sonntagsreden gern bekennen, keine große Rolle mehr.  Auch im empfindlichen Bereich der Demonstrationsfreiheit wird großflächig gerastert, Kollateralschäden am Datenschutz nicht ausgeschlossen.

Ähnlich wie in der Vorlesung oder im Kino sollte man wohl denjenigen, die künftig an Demonstrationen teilnehmen wollen, ohne zugleich eine Datenspur zu legen, empfehlen: Handy aus!

 

 

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Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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24 Kommentare

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Zum Gesichtspunkt Beeinträchtigung der Demonstrationsfreiheit:

Anlass der FZA war nicht eine Demonstration, sondern Gewalttaten bei Gegendemonstrationen. Deren Zweck u.a. eine Blockade und Verhinderung der angemeldeten Versammlung war. Üblicherweise würde bei angemeldeten Gegenversammlungen von der Verwaltungsbehörde eine Routen/Veranstaltungstrennung auferlegt.

Ob eine Blockade, die dazu dient, dem politischen Gegner dessen ebenfalls grundgesetzlich garantiertes  Versammlungsrecht streitig zu machen (bevor irgendwelche Schlaubi-Kommentare kommen: mir passt es auch nicht, dass der braune Abschaum durch die Straßen läuft, ist aber so),  so schutzwürdig ist, dass bei einer  Verhältnismäßigkeitsprüfung eindeutig ein "FZA nein" herauskommt, wage ich anzuzweifeln.

Und als Anwohner z.B. der Reichenbachstraße in der Südostvorstadt würde mich das kurzzeitige Erfassen meiner Mobilfunkdaten deutlich weniger jucken als der Pflastersteinregen, der auf die geparkten Autos niedergegangen ist.

 

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Eine derart pauschale Abfrage, Speicherung und/ oder Nutzung der Mobilfunkdaten ist in jedem Fall unverhältnismässig.

 

" "Die Funkzellenabfrage trifft friedliche Demonstranten und Anwohner. Nach der einschlägigen Rechtsprechung dürfte sie rechtswidrig gewesen sein", sagt Wolfgang Neskovic, der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei, der "taz"."

 

"Die großräumige Handyüberwachung auch unbescholtener Bürger sei "äußerst besorgniserregend"."

 

Quelle: Tagesschau

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Recherchen des MDR ergaben zudem: "Sächsische Polizei späht seit 2009 massenhaft Daten aus".

 

"Die massenhafte Datenauswertung durch die Sächsische Polizei im Zuge einer Anti-Nazi-Demonstration im Februar 2011 ist kein Einzelfall. Daten von Bürgern wurden schon vor zwei Jahren massenhaft gespeichert."

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Großartig, dass es noch intelligente Aktivisten im Staate gibt, die TAZ berichtet: "taz-Mitarbeiter legen Beschwerde ein - Die massenhafte Überwachung und Speicherung von Handydaten in Dresden betrifft auch Mitarbeiter der taz. Sechs Journalisten legten nun Beschwerde ein."

 

Johnny Eisenberg: " "Die an der Maßnahme Beteiligten mussten wissen, dass zahlreiche Journalisten vor Ort beruflich tätig waren. Sie wussten auch, dass Journalisten damit trotz ihrer entgegenstehenden Grundrechte, die sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes ableiten, Objekt der angeordneten Maßnahmen werden würden", sagt der Rechtsanwalt der taz, Johannes Eisenberg. "Wenn dies nicht beabsichtigt war, so wurde es zumindest in Kauf genommen. Insoweit besteht der Verdacht der Rechtsbeugung." "

 

Auch Frau Pohl äußerte sich treffend: " "Unsere betroffenen Journalisten können ihren Gesprächspartnern und Informanten vom 19. Februar nicht die Vertraulichkeit gewährleisten, die sie ihnen versprochen haben. Mit der Dokumentation der Kommunikationsdaten zahlreicher Journalisten wurde am 19. Februar die Grundlage der Pressefreiheit staatlich außer Kraft gesetzt", sagt Ines Pohl, Chefredakteurin der taz. Für die Arbeit in politisch sensiblen Bereichen wie Großdemonstrationen müssten besondere Schutzabwägungen für die Betroffenen staatlicher Maßnahmen gelten, sagte Pohl."

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Ginge man seitens der Polizei und Staatsanwaltschaften in Deutschland davon aus, dass eine solche FZA bei einer Demonstration zur Aufklärung dort begangener Delikte regelmäßig verhältnismäßig wäre, dann müsste dies schon öfter vorgekommen sein. Schließlich ist die Technik nicht ganz neu. Aber: Laut Recherche der taz sei es bisher an den einschägigen Orten (Gorleben, Berlin - 1. Mai, München - Sicherheitskonferenz, Stuttgart - Bahnhof 21) noch nicht zu einer solchen FZA gekommen (Quelle).

 

Mit der taz-Argumentation kann man eigentlich grundsätzlich nirgendwo eine FZA machen, könnte ja ein Journalist (oder wer auch immer sich so nennt, ist ja keine geschützte Berufsbezeichnung) in der Funkzelle sitzen und mit seinem Informanten telefonieren. Erweitert man diesen Gedankengang auf andere geschützte Berufsgruppen: speziell in Großstädten gibt es die FZA praktisch gar nicht mehr, könnten ja auch gerade Anwälte herumsmsen und -twittern, oder Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Pfarrer, Abgeordnete....

Alternativ: FZA ist zwar zulässig, aber wenn der Anlass der FZA  presseträchtig genug ist, so dass sich ein paar Journalisten in der FZ herumtreiben könnten ist sie nicht mehr zulässig. D.h. Strafverfolgungsmaßnahmen werden unzulässig, wenn nur die Straftat (bzw. die Veranstaltung, bei der Straftaten begangen werden) ein öffentliches (bzw. genauer, ist ja nicht dasselbe: Medien-) Interesse findet.   Konsequenz Bei einem Bombenattentat auf dem Bundespresseball dürfte dann keine FZA mehr stattfinden.

Meint das Frau Pohl wirklich ernst?

 

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@klabauter

 

Strafverfolgungsmaßnahmen werden nicht unzulässig, sie müssen in einer Demokratie jedoch, anders als in Diktaturen, verhältnismäßig sein, wovon in o.g. Fall gerade nicht mehr ausgegangen werden kann.

 

Auch ihr Bombenattentats-Fall ist lediglich populistisch, denn vielmehr ist für die FZA eine Erheblichkeit von Straftaten erforderlich, die in diesem exotischen Fall dann gegeben sein könnte, keinesfalls hingegen bei blossen Sitzblockierern u.a..

 

Antwort: Frau Pohl meint es zu Recht sehr ernst.

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@sunshine:

Richtig, "Stizblockierer" würden nicht einmal für die Anordnung einer FZA ausreichen, da 100 h I 2 StPO eine Straftat von erheblicher Bedeutung verlangt. D.h. in der Regel eine Katalogtat nach 100a StPO.Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist dann aber gesondert zu prüfen. 

Und wenn schon eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen muss, 100 h III zudem unvermeidliche Betroffenheit Dritter für grundsätzlich unerheblich statuiert: ab welchem Schweregrad ist eine FZA dann verhältnismäßig bei Abwägung mit der Pressefreiheit, wenn man davon ausgehen muss, dass in jeder Funkzelle ggf. auch ein Journalist sich aufhält.

"Besonders erhebliche" Straftaten? Verbrechen?Qualifizierte Verbrechenstatbestände mit Mindeststrafe 5 Jahre? Da wäre man schon beim Einsatz eines Molotow-Cocktails recht schnell dabei (z.B. versuchte besonders schwere Brandstiftung mit ggf. Vergehen nach WaffG, ggf. LandesversammlungsG, ggf. auch versuchter Mord bei Einsatz gegen Personen?)

 

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@ klabauter: dieses Beispiel aufzeigt, wie leicht der Richtervorbehalt unterlaufen werden kann - man stelle einen Antrag auf FZA wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung und werte dann die Daten zu beliebigen anderen Zwecken aus.  Wer kontrolliert hier die Ermittlungsbehörden darauf, dass die Daten nur zum gesetzlich geregelten und richterlich genehmigten Zweck genutzt werden und wer sorgt dafür, dass die widerrechtlich genutzten Daten auch wieder restlos gelöscht werden?

Des Weiteren bestimmt die StPO in 100g: "Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht". Das kann man bei in Dresden 4000 anwesenden Polizisten und umfassender Kameraüberwachung getrost verneinen. Und wohl der Grund, dass dieses Massenscreening bei anderen Demonstrationen bisher nicht stattgefunden hat. 

Zitat aus der taz:  Ein Polizei-Sprecher dagegen bestätigte der taz schriftlich, dass die Rohdaten noch gespeicher sind. Sie „werden auf Speichermedien der sächsischen Polizei gespeichert“, erklärte er. 

Das ist wohl beim besten schlechtesten Willen nicht mehr als legal anzusehen, das wird sogar ein antiliberaler Schiffsgeist zugeben müssen.

Update: und wenn wir schon dabei sind, überwachen wir doch gleich die ganze Stadt:

http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/offenbar-ganz-dresden-ueberwacht/

"In dem am Freitag veröffentlichen Bericht des Sächsischen Innen- und Justizministeriums an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wird die Erfassung von weiteren 896.072 Mobilfunk-Verbindungsdaten eingeräumt. Damit steigt die Zahl der insgesamt erfassten Daten auf über eine Million. 

In dem sechsseitigen Papier bleibt zu diesem zweiten Fall von flächendeckender Handyüberwachung vieles wolkig. Etwa auf welchen Bereich und welchen Zeitraum sich diese Abfrage erstreckt hat. Lediglich vom 18. und 19. Februar ist die Rede. Der Erhebung liege der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung zugrunde, sagte Justizminister Jürgen Martens (FDP). Konkreter wurde er nicht. Die Daten gingen zunächst an das Landeskriminalamt; dort sind sie noch immer gespeichert und werden "aktuell weiter ausgewertet", heißt es in dem Bericht."

Was man hat, das hat man ... und der Öffentlichkeit erzählen wir halt das Gegenteil: "Nicht benötigte Daten dürften nicht verwertet werden und würden gelöscht." http://www.moz.de/nachrichten/deutschland/artikel-ansicht/dg/0/1/326939/

Aber alles natürlich noch verhältnismäßig, meint der Minister. (http://www.mdr.de/sachsen/dresden/8760247.html) Und mit dem Ermittlungsgrund darf man auch nicht so kleinlich sein, notfalls erfinden wir eben hinterher einen, der sich dramatisch anhört:

Die Landtagsfraktionen Linke und Grüne bezweifelten nach der Vorstellung des Sonderberichtes teilweise dessen Wahrheitsgehalt. Linken-Fraktionschef André Hahn sagte, nun sei plötzlich von einem versuchten Totschlag auf einen Polizisten die Rede. In einer Sitzung des Innenausschusses des Landtages nach den Krawallen habe Innenminister Ulbig diesen aber mit keinem Wort erwähnt und stattdessen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgelistet. "Dieser dubiose Bericht wird zunächst dem Parlament vorenthalten, damit die Staatsregierung ungestört ihre eigene Sicht der Öffentlichkeit übermitteln kann", kritisierte Hahn.

 

 

@Mein Name:

Offenbar geht die StA davon aus, dass die Daten nicht in Verfahren wegen Nichtkatalogtaten verwertet werden dürfen/sollen. D.h. die vorgesehenen Kontrollmechanismen scheinen zu greifen. Genaueres ist der Presse leider nicht zu entnehmen, deshalb die vorsichtige Formulierung, aber eben auch kein pauschales "Na da geht der Rechtsstaat wieder mal den Bach runter".

Hinterher einen Ermittlungsgrund zu finden, wird aber etwas schwierig. Denn im richterlichen Beschluss sollte er schon drinstehen. Und Kritik von jemandem, der wie Herr Hahn seit 1985 SED-Mitglied war, nehme ich nicht so ganz ernst.

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Interessant ist auch die Forderung des rechtspolitischen Korrespondenten der TAZ Christian Rath, die StPO zu ändern, denn "Daten wecken Begehrlichkeiten", wie wir aktuell wieder einmal sehen.

 

"Deshalb genügt es nicht, dass ein Richter nur die heimliche Erhebung von Daten genehmigen muss. Richterliche Kontrolle ist auch und erst recht erforderlich, wenn es um die Weiterverwendung dieser Daten geht."

 

"Für die "Erheblichkeit" von Straftaten gibt es zwar keine messerscharfe Definition. Umso mehr ist aber rechtsstaatliches Fingerspitzengefühl erforderlich, das gewöhnlich eher bei Richtern als bei Polizisten vermutet wird. Es ist deshalb rechtspolitisch notwendig, dass der Zugriff auf einen derartigen Datenpool ebenfalls richterlich genehmigt werden muss. Die Strafprozessordnung ist entsprechend zu ergänzen."

 

Eine Ausweitung des Richtervorbehalts wäre folglich logisch.

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Mitunter sind aber nicht nur Polizisten auf dem Datenauge blind.

 

Hier rühmt sich sogar die StA, dass ein "gewaltiger Datensatz" entstanden sein. :-(

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@Dortmund:

Wo "rühmt" sich in dem von Ihnen verlinkten Artikel jemand? Und die Formulierung im Artikel "ein gewaltiger Datensatz" klingt auch eher phantasievoll-journalistisch.

Auf dem Datenauge blind ist man also Ihrer Meinung nach, wenn tatsächlich die VDS wie in dem Artikel geschildert zur Ermittlung eines Mörders führt. Ach so. Dann sollten Sie vielleicht noch einmal die BVerfG-Entscheidung zur VDS lesen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist Ihrer Meinung nach  offenbar auf dem Datenauge blind, wenn es die VDS zur Ermittlung schwerer Straftaten für grundsätzlich zulässig und unbedenklich hält.  

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Neben den Journalisten haben nun lt. der TAZ auch demokratisch wachsame Landesabgeordnete Beschwerde beim Amtsgericht Dresden eingereicht. Weitere Bundestagsabgeordnete prüfen zudem eine Musterklage.

 

Endlich sind auch in Deutschland zunehmend Stimmen zu hören, die eine stärkere Überwachung der Überwacher fordern, was seit Jahrzehnten überfällig ist.

 

 

Verwiesen wird in diesen Fällen auch auf die Untauglichkeit des § 477 StPO: "Doch nach Paragraf 477 der Strafprozessordnung kann die Polizei anschließend alle gesammelten Verbindungen ohne weitere richterliche Prüfung verwenden."

 

Es ist endlich Zeit für eine unabhängige Kommission für die Ermittlung bei den nicht selten gravierenden Polizeifehlern, wie auch in GB: "Neben ihrer eigenmächtigen Sammelwut steht die Polizei aber auch an anderen Stellen im Fokus. Amnesty International kritisiert, dass Beamte die Gewalt bei Demonstrationen zunehmend eskalieren lassen würden. Selbst Rafael Baehr, Professor der Polizeihochschule Hamburg, klagt, Polizisten wüssten nicht "wann es genug ist mit Schlägen und Tritten." In Ländern wie Großbritannien gibt es unabhängige Kommissionen, die untersuchen, wenn Polizisten versagen. In Deutschland ist das nicht der Fall."

 

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Ähm, in § 477 StPO  steht alles Mögliche, aber nichts über die Verwendung von Verbindungsdaten in anderen Verfahren.

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Inzwischen wird auch folgelogisch die Absetzung des verantwortlichen sächischen Innenministers gefordert, "Innenminister täuscht die Öffentlichkeit":

 

"Innenminister Ulbig hat die Öffentlichkeit gar grob getäuscht. So versucht er seit Freitag die Funkzellenauswertung als Normalfall herunterzuspielen. Dafür zitiert er eine Statistik des Bundesamts für Justiz, wonach "für das Jahr 2009 Funkzellenauswertungen in der Bundesrepublik insgesamt 15.707 Mal in 9.459 Verfahren vorgenommen" wurden. So steht es noch immer auf der Homepage des Ministeriums, etliche Medien und Nachrichtenagenturen haben die Zahlen weiterverbreitet.

 

Dabei sind sie schlicht falsch. "Diese Zahlen beziehen sich nicht allein auf Funkzellenabfragen, sondern allgemein auf Verkehrsdaten", erklärte das Bundesjustizministerium der taz. In den meisten Fällen handelt es sich um Einzelabfragen. Wie häufig massenhafte Funkzellenabfragen vorkommen, wird in keiner Bundesstatistik erfasst."

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Für solch eine Desinformation wird man in der CDU nicht gefeuert, sondern gefeiert. Das hat man als DDR-staatstragende Blockflötenpartei von der heute ach so bösen großen Schwester SED schließlich gelernt, wie man die eigenen Bürger bespitzelt und belügt.

Edit (OT): das bisher beste Beispiel für die Rechen- bzw. Verlautbarungskünste der Regierung

Man kann nur hoffen, dass der Fall vor dem BVerfG landet, von dort würde er den Verantwortlichen mit "innerer Sicherheit" um die Ohren fliegen.

 

Und es geht immer weiter, die TAZ meldet "Interne Dokumente belegen es: Die Polizei hat in Dresden auch Handygespräche abgehört.".

 

"Nach taz-Informationen wurde vielmehr auch mindestens ein sogenannter Imsi-Catcher eingesetzt. ... Aus dem Dokument wird aber deutlich, dass mit dem Imsi-Catcher auch Inhalte von Gesprächen in Echtzeit abgehört wurden. Dies würde den richterlichen Beschluss überschreiten und wäre demnach rechtswidrig."

 

Der Innenminister scheint schon jetzt nicht mehr zu halten zu sein, es gibt weitere Rücktrittsforderungen: " "Es kann ja sein, dass er von der Echtzeitüberwachung nichts gewusst hat. Dann hat er aber sein Haus nicht im Griff" , sagte Johannes Lichdi, Rechtsexperte der Grünen in Sachsen. Ulbig hätte sich kundig machen, dann die Öffentlichkeit und das Parlament informieren müssen, dass auch Gesprächsinhalte live mitgehört wurden." ... "Ein Minister, der sowohl den Landtag als auch die Öffentlichkeit in einem gravierenden Punkt belogen hat, darf nicht im Amt bleiben".

 

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In diesem Fall braucht es das BVerfG nicht, das Landgericht hat die Abfrage für rechtswidrig erklärt:

http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/landgericht-dresd...

http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2013-04/funkzellenabfrage-dresden...

"damit müssen die erhobenen Daten gelöscht werden." - offensichtlich sind sie also immer noch gespeichert.

Hier noch als Kontrast Zitate aus einem Beschluss des AG, das die FZA noch für rechtmäßig gehalten hatte und seine eigene Interpretation von Verhältnismäßigkeit erkennen lässt: http://blog.wawzyniak.de/?p=4849 (Beschluss als PDF: https://netzpolitik.org/wp-upload/2013-04-04-AG-DD-FZA.pdf)

https://netzpolitik.org/2013/funkzellenabfrage-amtsgericht-dresden-finde...

https://netzpolitik.org/2012/gerichtsurteil-zu-funkzellenabfrage-in-dres...

Wird nun die Redewendung vom "Hornberger Schießen" durch die der "Dresdner Telefonüberwachung" ersetzt?

Ermittler blamieren sich bei Jagd nach Antifa-Gruppe (SPON)

Jahrelang haben Staatsanwälte in Dresden ermittelt und nach SPIEGEL-Informationen Hunderttausende Daten gesammelt. Im Visier: angebliche Neonazi-Jäger aus Antifa-Kreisen. Doch die sogenannte Sportgruppe existiert offenbar nicht. ... Alle Verfahren gegen zwischenzeitlich 25 Beschuldigte wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden jetzt ohne Auflagen eingestellt.
Bei 18 Personen geht die Staatsanwaltschaft von geringer Schuld aus. Dazu zählt auch der angebliche Rädelsführer. Bei ihm konnten die Ermittler lediglich feststellen, dass er an einer friedlichen Demonstration gegen Neonazis teilnahm.

 Aber es ist in Sachsen offensichtlich wichtiger, immense Personalressourcen zur Ausspähung angeblicher linker Gewalttäter zu verschwenden anstatt den real existierenden Rechtsextremismus einzudämmen.

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