Lebenslänglich - oder wie sich die Zeiten geändert haben

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.11.2011
Rechtsgebiete: Familienrecht1|5430 Aufrufe

 

Die Beteiligten hatten 1969 geheiratet. 1971 Geburt des ersten und einzigen Kindes. 1972 Scheidung aufgrund alleinigen Verschuldens des Ehemannes.

 

1985 wurde der Ehemann auf der Grundlage von § 58 Abs. 1 EheG i. V. mit Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 180,50 DM  verurteilt. Dabei war zugrunde gelegt worden, dass die seinerzeit 38jährige, seit zwei Jahren als arbeitslos gemeldete Antragsgegnerin wegen Betreuung und Versorgung der damals 14jährigen (!) Tochter nicht gehalten sei, auch nur einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen.

Das OLG Celle hat der Ehefrau VKH zur Verteidigung gegen einen Abänderungsantrag des Mannes bewilligt.

 

Da die Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 1. EheRG durch die U-Reform nicht geändert wurde, sondern fortgilt, sind auf Unterhaltsansprüche von Ehegatten, deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurde, auch zum jetzigen Zeitpunkt unverändert die Bestimmungen des EheG anzuwenden. Es finden weder die §§ 1569 ff. BGB - und damit etwa die §§ 1578b oder 1609 BGB n. F. - noch die durch das UÄndG eingefügte und allein für diese Reform des Unterhaltsrechts geltende Übergangsvorschrift des § 36 EGZPO unmittelbare Anwendung.

Eine entsprechende Heranziehung einzelner Bestimmungen der §§ 1569 ff. BGB ist dagegen im Rahmen der Anwendung der §§ 58 ff. EheG insoweit nicht ausgeschlossen, als es um die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe geht, die bereits Ausgangspunkt für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs nach dem vor dem 1. Juli 1977 geltenden Unterhaltsrecht waren (RGRK-Cuny, Rz. 4 vor § 58 EheG). Dies gilt etwa für die Begriffe der ehelichen Lebensverhältnisse gemäß § 58 EheG oder der Leistungsfähigkeit im Sinne des § 59 EheG. Welcher eheangemessene Selbstbehalt dem Unterhaltsverpflichteten zum jetzigen Zeitpunkt im Rahmen des Ehegattenunterhalts nach den §§ 58 ff. EheG zu verbleiben hat, richtet sich demgemäß nach denselben aktuellen Sätzen, die heute auch im Rahmen von §§ 1569 ff., 1581 BGB gelten.

Eine Verwirkung wegen kurzer Ehedauer gemäß § 1579 Nr. 1 BGB kennen die §§ 58 ff. EheG dagegen ebenso wenig wie eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs wegen fehlender ehebedingter Nachteile im Sinne von § 1587b BGB n. F. Insoweit kommt auch eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht.

OLG Celle v. 13.10.2011 - 10 WF 280/11

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1 Kommentar

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Tjaja, die Segen des neuen Unterhaltrechtes!

 

Allerdings ist es heute auch so, dass die meisten Pflichtigen heute gar nicht mehr in der Lage sind noch mehr als Kindesunterhalt zu leisten.

Da das Prekariat in der Arbeitswelt weitgehend durchgesetzt wurde und die ehemaligen Versorger nicht verschonte, blieb dem verlängerten Arm von BMAS und BMF, in Gestalt des BGH, gar nicht mehr übrig als die neuen Gesetze nach anfänglicher Zurückhaltung nun entsprechend anzuwenden. Oder denken Sie wirklich, dass irgendwer plötzlich sein Herz für Pflichtige entdeckt hat?

Mitnichten, denn es wird die neue Bedarfsgemeinschaft des alten Mannes gefeiert, schwupp, sein SB herabgesetzt und die Next, nach 37 Jahren Ehe, endlich direkt mit verpflichtet.

Soviel dann auch zur zweiten Chance, die Frau Zypries besonders hervor hob.

 

MfG

 

 

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