Ein neues Jahressteuergesetz - ein neuer Absatz in § 50d EStG!

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 02.07.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2419 Aufrufe

Mal wieder ein neuer Absatz in § 50d EStG – das war zu erwarten! Seit das Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf § 50d Abs. 8 EStG die nachträgliche Überschreibung der Doppelbesteuerungsabkommen nicht verfassungsrechtlich beanstandet hat (BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BeckRS 2016, 41952), gibt es wenig Hemmungen auf Seiten des Gesetzgebers, weitere „treaty overrides“ vorzuschreiben. Die Anlässe können ganz verschieden sein – etwa die Einführung des § 1a KStG („Option zur Körperschaftsbesteuerung“), die § 50d Abs. 14 EStG nach sich gezogen hat.

Nun also Absatz 15 des § 50d EStG, den der Regierungsentwurf des „Jahressteuergesetzes 2024“ in den Raum stellt:

Arbeitslohn, der für Zeiten einer widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, gilt für Zwecke der Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als Vergütung, die für die Ausübung einer Tätigkeitin dem Staat gewährt wird, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Dies gilt nicht, soweit das Abkommen in einer gesonderten, ausdrücklich solchen Arbeitslohn betreffenden Vorschrift eine abweichende Regelung trifft. Absatz 9 Satz 1 Nummer 1 sowie Rechtsverordnungen gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung bleiben davon unberührt.

Angesprochen ist damit das zuletzt in der Rechtsprechung der Finanzgerichte problematisierte deutsche Verständnis des Besteuerungsrechts bei einer Arbeitsfreistellung: Noch vor kurzem – im umfangreichen Schreiben zu Arbeitslohn und DBA (BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000) – wurde es von Seiten der Finanzverwaltung bekräftigt. Nach dessen Rz. 362 findet

im Falle einer unwiderruflichen Arbeitsfreistellung … keine Tätigkeitsausübung statt, sodass nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den übrigen Vergütungen innehat. Zeiten der unwiderruflichen Arbeitsfreistellung sind regelmäßig nicht in den Erdienungszeitraum von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit einzubeziehen, da eine Ausübung der Tätigkeit nicht mehr stattfinden kann.

Im Inbound-Fall hatte das zur Folge, dass der beschränkt einkommensteuerpflichtige, von der Arbeitsleistung „freigestellte“ Arbeitnehmer mit seinen während der Freistellung bezogenen Einkünften in Deutschland nicht steuerpflichtig war (zu einer besonderen Konstellation mit der Schweiz FG München v. 15.3.2024 – 8 K 883/23, BeckRS 2024, 8549). Für den auf die Lohnsteuer haftenden Arbeitgeber (§ 42d EStG) ist dies naturgemäß ebenfalls interessant. Dies soll nun – hin zu einem deutschen Besteuerungsrecht – verändert werden, wobei der „Treaty override“ allein, ohne nationalen Besteuerungsanspruch, nichts wert wäre. So gesellt sich nach dem Jahressteuergesetz 2024 zukünftig im Katalog „inländischer Einkünfte“ ein Buchstabe f zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG hinzu, der die Steuerbarkeit sicherstellen soll. Parallelen ließen sich etwa mit der Einführung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbu. cc EStG im JStG 2018 ziehen - auch hier sollten die "real estate rich"-Klauseln der DBA nun endlich nutzbar gemacht werden (BeckOK EStG/Fetzer EStG § 49 Rn. 288 ff.). 

Allerdings beschränkt sich § 50d Abs. 15 EStG-E nicht auf den Inbound-Fall. Im Outbound-Fall eines unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen, der von der Arbeitsleistung freigestellt wird, stellen sich ganz ähnliche Fragen (FG Hessen v. 15.12.2021 – 9 K 133/21, BeckRS 2021, 46959). Nach bisherigem deutschen Verständnis in der Rz. 362 in BMF v. 12.12.2023, BeckVerw 631000, wäre hier der Ansässigkeitsstaat Deutschland „grundsätzlich“ zur Besteuerung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 befugt. Dies würde durch eine Anwendung von Satz 1 des § 50d Abs. 15 EStG-E ins Wanken geraten, da der Staat, „in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre“,  nun der ausländische Staat wäre. Allerdings wird – wie bereits bspw. aus § 50d Abs. 12 Satz 3 EStG bekannt – ua die Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht berührt. Damit kann durch einen weiteren „Treaty override“ das Besteuerungsrecht wieder nach Deutschland zurückfallen, soweit „der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können“. In dubio pro fisco also!

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen