Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|100261 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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Nur für Sie als kleine Einführung in die Thematik:

IX. Dysfunktionalität des Strafprozessrechts

Die Erkenntnis, dass es sich bei dem Verfahren gem. §§ 172 ff StPO seiner Funktion und Struktur nach um einen Verwa1tungsprozess handelt und dass deswegen die Vorschriften der VwGO auf das Verfahren gem. §§ 172 ff StPO anzuwenden sind, entspricht der objektiven Prozessrechtslage.

Die Anwendung von Strafprozessrecht auf das Klageerzwingungsverfahren ist demgegenüber dysfunktional:

Das Klageerzwingungsverfahren ist ein eigenständiges, in sich abgeschlossenes Verfahren:[32] Das Klageerzwingungsverfahren beginnt mit der Strafanzeige des Bürgers gegenüber der Behörde, die Behörde möge die Strafverfolgung eines Dritten, nicht am Klageerzwingungsverfahren Beteiligten, aufnehmen. Das Klageerzwingungsverfahren endet mit der – sofort eintretenden – Rechtskraft des Beschlusses eines Strafsenats des Oberlandesgerichts.[33] Das Oberlandesgericht weist damit das Begehren des Bürgers gegenüber der Behörde auf Strafverfolgung eines Dritten mit rechtskräftiger Wirkung zurück.

Die Rechtsansicht, auf das Klageerzwingungsverfahren sei Strafprozessrecht anwendbar, ist aus folgenden Erwägungen ausgeschlossen:

Es gibt im Klageerzwingungsverfahren keinen Angeklagten. Gegenstand des Klageerzwingungsverfahrens ist nicht – wie im Strafprozess – der staatliche Strafanspruch gegenüber dem Angeklagten. Im Klageerzwingungsverfahren gibt es keine mündliche Hauptverhandlung. Im Klageerzwingungsverfahren steht nicht – wie im Strafprozess – die Nachweisbarkeit des Tatvorwurfs gegenüber dem Angeklagten in einem Beweisverfahren im Mittelpunkt des prozessualen Geschehens. Im Klageerzwingungsverfahren hat der Angeklagte keine umfangreichen Frage- und Beweisantragsrechte. Im Klageerzwingungsverfahren hat der Angeklagte nicht das Recht, einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO zuzustimmen[34] oder eine Verständigung nach § 257c StPO herbeizuführen.[35]

Die Anwendung von Strafprozessrecht auf das Klageerzwingungsverfahren ist also ganz offensichtlich vollständig dysfunktional. Dies ergibt sich eben schon allein daraus, dass in einem Klageerzwingungsverfahren ein "Angeklagter" als Parteirolle überhaupt nicht vorkommt.

Die dysfunktionale Anwendung eines Prozessrechts auf ein eigenständiges, in sich abgeschlossenes Verfahren verletzt ganz offensichtlich den Anspruch des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK.[36]

Die Anwendung von Strafprozessrecht auf das Klageerzwingungsverfahren ist demgegenüber dysfunktional.

Das sagen Sie! Der Gesetzgeber sieht es aber de lege lata anders. Und auf den kommt es an! Oder sind Sie anderer Meinung, also dass es einzig und allein auf Würdinger himself ankommt?

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Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass die Vorschriften der StPO auf das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Angeklagten zugeschnitten sind? 

Nein. Im Gegenteil. Diese Vorschriften sind ein Relikt des alten Rechts, in dem der Verletzte Anklage erhob und nicht eine Anklagebehörde, die Staatsanwaltschaft. Würde man nur den Angeklagten im Blick haben, gäbe es diese Vorschriften nicht.

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Sie wollen also die §§ 172 ff StPO - de lege ferenda - aus dem Gesetz streichen?

Wie kommen Sie denn auf diese Wahnsinnsidee? Ich sage nur, dass die Vorschriften ein (sinnvolles und notwendiges!) Relikt eines älteren Rechtszustands ist. Drehen Sie mir doch bitte die Worte nicht im Munde um!

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Sie sprechen von einem "Relikt eines älteren Rechtszustands". Eine schöne Formulierung. Meinen Sie nicht auch, dass dieses 
"Relikt eines älteren Rechtszustands" ein Update durch eine zeitgemäße Verfahrensordnung gut gebrauchen könnte?

Nicht jeder "ältere Rechtszustand" ist per se und in jeder Hinsicht schlecht, vgl. die Zehn Gebote.´Und in der Regel kann er, wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zeigt, so ausgelegt und angewendet werden, dass er modernen Anforderungen genügt.

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Das Problem ist hier aber, dass der "ältere Rechtszustand" aus dem Jahr 1877 stammt, damals regierte noch Kaiser Wilhelm I und Bismarck war Reichskanzler. Nicht nur die Gesetzeslage stammt aus Kaisers Zeiten. Seither hat sich auch die Rechtsprechung zum Verfahren der §§ 172 ff StPO nicht geändert. Diese Rechtsprechung spricht den Gerichten - bezüglich der Verfahrensgestaltung - im Ergebnis ein freies Belieben zu. Wenn ich in diesem Zusammenhang von "Selbstherrlichkeit" spreche, ist das sicher nicht ganz verkehrt.  

Seither hat sich auch die Rechtsprechung zum Verfahren der §§ 172 ff StPO nicht geändert

Quatsch! Sie selbst sprechen doch in Ihrem merkwürdigen Aufsatz von "Zeitenwende" im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts! Was also jetzt? "Zeitenwende" oder nicht "Zeitenwende"?

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Im Publikum ist offenbar die Fraktion mit dem Namen "Die-Justiz-hat-immer-Recht" sehr stark vertreten. Diese Fraktion ist offenbar der Überzeugung, dass bei der Justiz immer und jederzeit alles mit rechten Dingen zugeht, insbesondere dann, wenn die Verwirklichung des Krähenprinzips an sich, für jedermann sichtbar, offen auf der Hand liegt. Aber vielleicht, obwohl ich ja nicht ernsthaft damit rechne, kann ich ja die "Die-Justiz-hat-immer-Recht"-Fraktion durch nachfolgenden Auszug aus meinem Profil ein klein wenig nachdenklich stimmen: 

VII. Das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018: Das Gericht sei nicht „zuständig“

Es waren ursprünglich insgesamt sieben Strafanzeigen gegen Münchner Richter und Staatsanwälte als Verfahren auf Erzwingung der Ermittlungen beim Oberlandesgericht München anhängig. Die Strafanzeigen wurden sämtlich von der Münchner Staatsanwaltschaft mit der – nicht weiter begründeten – Behauptung verbeschieden, es läge kein Anfangsverdacht vor. Noch recht viel offensichtlicher kann man das Krähenprinzip nicht veranschaulichen. Ich bin auch, ehrlich gesagt, nach wie vor verblüfft darüber, mit welcher Unverblümtheit die Münchner Justiz so offen und so direkt unter aller Augen Unrecht begeht.    

Der Sachverhalt ist in allen sieben Verfahren ähnlich gelagert: Der bei Gericht gestellte Antrag richtet sich darauf, das Gericht möge die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen gegen Münchner Richter und Staatsanwälte anweisen. Dieser Antrag bei Gericht war jeweils notwendig geworden, weil die Staatsanwaltschaft entweder völlig untätig geblieben war, oder die Ermittlungen unter der unzutreffenden Behauptung, es läge kein Anfangsverdacht vor, nicht eingeleitet hat.

Fünf Verfahren sind - im Wege der Rechtsverweigerung - „zuständigkeitshalber“ an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben worden. Mit diesen fünf Ermittlungserzwingungsverfahren mache ich meinen subjektiv-öffentlichrechtlichen Anspruch auf effektive Strafverfolgung Dritter geltend. Dabei steht mir die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu Gebote. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG besagt, dass ich mich gegen die Entscheidung einer Behörde, die in meine Rechte eingreift, an ein Gericht wenden kann mit dem Ziel der Korrektur der behördlichen Entscheidung durch das Gericht. Ich habe mich also – unter Berufung auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG – ganz bewusst an das Gericht gewandt, um eine Korrektur der behördlichen Entscheidung durch das Gericht zu erzielen.

Die Abgabe „zuständigkeitshalber“ an die Generalstaatsanwaltschaft stellt sich mithin als absurd dar. Diese Handlung verletzt mich in meinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, der Rechtsweggarantie. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wird durch die Abgabe an die Generalstaatsanwaltschaft geradezu konterkariert. Die prozessuale Lage ist vorliegend dieselbe, wie wenn ein beim Verwaltungsgericht anhängiges Verfahren an die Widerspruchsbehörde abgegeben würde und bei Gericht als nicht anhängig behandelt werden würde. Auch eine solche Handlung des Gerichts würde allgemein als absurd angesehen werden.

Es handelt sich der Sache nach um Untätigkeitsklagen. Ein Blick auf den § 75 VwGO oder auf den § 27 EGGVG zeigt, dass die bundesdeutsche Rechtsordnung die Untätigkeitsklage bereits in ihrem prozessualen Arsenal führt. Die verfassungsrechtliche Begründung der Untätigkeitsklage lautet hierbei wie folgt:

Der verfassungsrechtliche Ausgangspunkt liegt insoweit in Art. 19 IV GG, in dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Der Akzent liegt hierbei in dem Wort „effektiv“. Art. 19 IV GG gebietet, dass ich als Bürger – nachdem mir schon mal ein subjektiv-öffentliches Recht auf Strafverfolgung Dritter zugebilligt worden ist – mein Recht nicht nur auf dem Papier besitze, sondern mein Recht auch in effektiver Weise prozessual durchzusetzen vermag.

Art. 19 IV GG gebietet also in diesem Fall, dass es für mich als Bürger eine prozessual effektive Möglichkeit geben muss, mich gegen eine blanke Untätigkeit der zuständigen Staatsanwaltschaft wehren zu können. Wieder liegt der Akzent auf dem Wort „effektiv“: Es wäre nämlich umgekehrt völlig ineffektiv, wenn ich als Bürger auf eine Rolle als „lästiger Bittsteller“ beschränkt wäre. Nein, zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört eben gerade, dass ich nicht auf irgendeine „Gnade“ irgendeines Potentaten angewiesen bin, sondern dass ich vor Gericht mein Recht durchsetzen kann. Denn es geht hier um ein subjektiv-öffentliches Recht – mit dem Akzent auf dem Wort „Recht“ – und eben gerade nicht um einen Gnadenerweis.

Die §§ 172 ff StPO sind im Lichte der Verfassung und der EMRK – beide Rechtsquellen sind höherrangiges Recht – auszulegen und zu ergänzen. Zur Verfassung rechnet auch und vor allem das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG. Also müssen die beiden Verfahrensvarianten der §§ 172 ff StPO – das Klageerzwingungsverfahren und das Ermittlungserzwingungsverfahren – in einer Weise ausgelegt bzw. ergänzt werden, dass sie den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen.

Diese geforderte Ergänzung liegt hier in der Vorschrift des § 75 VwGO: Bei § 75 VwGO, der Vorschrift über die Untätigkeitsklage, handelt es sich um die Umsetzung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 IV GG in einfaches Prozessrecht. § 75 VwGO muss also zwingend bei den beiden Verfahrensvarianten der §§ 172 ff StPO – Klageerzwingungsverfahren und Ermittlungserzwingungsverfahren – Anwendung finden.

Das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018 erwiderte auf meine Argumentation: Das Gericht sei nicht „zuständig“. Dieses Schreiben lautet auszugsweise:

„Ebenso hat es [das Gericht] nicht über Beschwerden gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 152 II, 170 II StPO zu entscheiden. … Schriftsätze, die … Beschwerden gegen Nichteinleitungs-/Einstellungsverfügungen enthalten, wurden deshalb an die Ermittlungsbehörden zuständigkeitshalber weitergeleitet. … Im übrigen werden weitere gleichgestellte Eingaben Ihrerseits geprüft, aber nicht mehr beantwortet. Es bleibt Ihnen unbenommen, Verfassungsbeschwerde bei den Verfassungsgerichten einzulegen.“

Also folgte ich dieser freundlichen Empfehlung des OLG München und legte in der Woche vom Montag, den 16. Juli 2018 mit Freitag, den 20. Juli 2018 insgesamt fünf Verfassungsbeschwerden jeweils parallel beim BVerfG und beim BayVerfGH ein. Die Verfassungsbeschwerden sind zwischen 80 und 115 Seiten lang, das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018 dokumentiert eben schlicht einen Fall von Rechtsverweigerung. Das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018 war mir allerdings erst am Nachmittag des 17. Juli zugegangen. Deswegen hatte ich bei den beiden ersten Verfassungsbeschwerden

- vom 16. Juli (Vf. 46-VI-18 bzw. 2 BvR 1490/18) und

- vom 17. Juli (Vf. 47-VI-18 bzw. 2 BvR 1721/18)

das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018 noch nicht vorgelegt. Dieses Schreiben legte ich deswegen erst bei den drei nachfolgenden Verfassungsbeschwerden

- vom 18. Juli (Vf. 48-VI-18 bzw. 2 BvR 1683/18),

- vom 19. Juli (Vf. 50-VI-18 bzw. 2 BvR 1682/18) und

- vom 20. Juli (Vf. 51-VI-18 bzw. 2 BvR 1681/18)

vor. Dies hatte zur Folge, dass der BayVerfGH sich ergänzend zu den beiden ersten Verfahren noch das Schreiben des OLG München vom 12. Juli 2018 vorlegen ließ.

Im Publikum ist offenbar die Fraktion mit dem Namen "Die-Justizhatimmer-Recht" sehr stark vertreten.

Nein. Hier gibt es allerdings eine starke Juristenfraktion mit juristischer Ausbildung, die das überkommene juristische Handwerkszeug und nicht ad-hoc subjektiv begründeten Plumpaquatsch benutzt, weil man nicht in der Lage ist, sein Anliegen juristisch stringent zu entwickeln.

Art. 19 IV GG gebietet also in diesem Fall, dass es für mich als Bürger eine prozessual effektive Möglichkeit geben muss, mich gegen eine blanke Untätigkeit der zuständigen Staatsanwaltschaft wehren zu können

Diese Möglichkeit gibt es, nämlich die Vorschaltbeschwerde bei Untätigkeit  (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 61. A., § 172 Rn. 6) mit sodann folgendem Klageerzwingungsverfahren.

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Sie scheinen die bisher geführte Diskussion nicht verfolgt zu haben. Deswegen, nur für Sie, eine kurze Erläuterung zur Entbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde: Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

IV.    Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

Sie drehen sich ständig im Kreis um die eigene Achse.

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Dass sich viele Argumente wiederholen, ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich die Fragen aus dem Publikum wiederholen. 

Im übrigen gibt der BayVerfGH in den Rnrn. 11 und 14 seiner Entscheidung meine Argumentation in Kurzfassung völlig zutreffend wieder:

"Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schriftsatz vom 26. September 2017 Stellung und vertrat die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei und es auf einen negativen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft eindeutig nicht ankomme. Es müsse dem Verletzten freistehen, auf welche Weise er sich gegen die Rechtsverweigerung der Staatsanwaltschaft München I zur Wehr setzen wolle. Sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sei zu beachten, das Abwarten eines negativen Bescheids der Generalstaatsanwaltschaft nicht zumutbar gewesen. Eine Untätigkeitsklage sei gemäß § 75 VwGO, § 27 EGGVG statthaft und im weiteren Verfahren zwingend Verwaltungsprozessrecht anzuwenden. Grundsätzlich biete ein Ermittlungserzwingungsverfahren dem Verletzten einer Straftat analog zum Klageerzwingungsverfahren die Möglichkeit, eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, kein Ermittlungsverfahren durchzuführen, gerichtlich überprüfen zu lassen. (...)   

Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2017, ergänzt durch mehrere Schriftsätze, rügt der Beschwerdeführer Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, da ihm die angebliche staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 14. Juni 2017 nicht mitgeteilt worden sei, im weiteren Verfahren keine richterlichen Hinweise gemäß § 86 VwGO erteilt worden seien und das Oberlandesgericht entgegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Daneben rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Sein Ermittlungserzwingungsantrag sei - analog einem Klageerzwingungsantrag - nach §§ 172 ff. StPO aufgrund anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft München I und in entsprechender Anwendung von § 75 VwGO zulässig gewesen. Durch die Verwerfung seines Antrags als unzulässig sei ihm effektiver Rechtsschutz verweigert worden. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2014 Az. 2 BvR 2699/10 und nachfolgender bestätigender Rechtsprechung habe er als Verletzter einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehe. Ergänzend beruft sich der Beschwerdeführer insbesondere auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2017 Az. 2 BvR 1453/16 und 2. Juli 2018 Az. 2 BvR 1550/17."

Und was haben nun Sie auf meine Argumentation inhaltlich zu erwidern?

Das hat Ihnen der VerfGH München doch schon um die Ohren gehauen:

"Denn - vgl. bereits die vorangegangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 17. November 2015 (Vf. 32-VI-15 - juris Rn. 12) - das Klageerzwingungsverfahren und entsprechend ein ausnahmsweise zulässiges Ermittlungserzwingungsverfahren setzen auch bei etwa anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft nach § 172 Abs. 1 und 2 StPO voraus, dass der Anzeigeerstatter vor einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das Oberlandesgericht versucht hat, durch Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Entscheidung über die Fortführung oder den Abschluss der Ermittlungen zu erreichen.

Eine solche Vorschaltbeschwerde hat der Beschwerdeführer nicht erhoben, sondern - trotz Hinweises des Oberlandesgerichts - auf seiner unzutreffenden Rechtsauffassung einer entsprechenden Anwendbarkeit von § 75 VwGO im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens beharrt. Damit hat er die Verwerfung seines Antrags als unzulässig bewusst in Kauf genommen und kann sich nicht darauf berufen, dass er aufgrund fehlenden Eintritts in eine Sachprüfung seines Begehrens in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt oder ihm kein effektiver Rechtsschutz gewährt worden sei (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung BVerfG vom 10.3.2016 - 2 BvR 408/16 - juris Rn. 3)." Immer noch nicht verstanden?

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Sie scheinen die bisher geführte Diskussion nicht verfolgt zu haben. Deswegen, nur für Sie, eine kurze Erläuterung zur Entbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde: Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

IV.    Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

Erzählen Sie das jetzt jedem und jedesmal, der sich auf die Richtigkeit der gegen Sie ergangenen Entscheidungen beruft?

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Die Entscheidung des VerfGH München ist trotz Ihrer ewigen Wiederholungen immer desselben evident richtig.

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Bei Ihnen hingegen tippe ich eher auf Böswilligkeit statt auf Naivität. 

Es sind Fallgestaltungen denkbar, die eine verfassungskonforme Auslegung des 172 StPO dahingehend gebieten könnten, dass die Entscheidung der GStA über die Beschwerde der Zulässigkeit des gerichtlichen Verfahrens nicht entgegenstehen darf. Das macht gleichwohl aber die Beschwerde nicht entbehrlich.

Es gibt einen einzigen Einwand gegen das Beschwerdeverfahren, den man nicht gleich von der Hand weisen kann, denke ich. Nach dem EU-Recht sollen StAe weisungsfrei sein. Die Weisung des "vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft", die mit der Beschwerde angestrebt wird, lässt sich mit der EU-Weisungsfreiheit von StAen nicht so ohne Weiteres vereinbaren. Gleiches gilt für 146 GVG. Aber selbst dann, wenn das Beschwerdeverfahren eu-konform nicht zwingend erforderlich sein sollte, braucht es doch immer noch nicht die VwGO.

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dass die fehlende Entscheidung der GStA über die Beschwerde ...

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Bei der Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO geht es nicht um irgend einen überflüssigen Luxus, darum, eine helie Welt noch zusätzlich aufzuhübschen, sondern es geht darum, dem Verletzten eine vollständige Verfahrensordnung zur Verfügung zu stellen, die dem Verletzten die faire Chance gibt, seine Rechte vor Gericht durchsetzen zu können, genau die faire Chance, die der Verletzte in Wahrheit bei den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO noch nie hatte. Das wüssten Sie, wenn Sie irgendeine forensische Erfahrung auf diesem Gebiet hätten. 

...die faire Chance, die der Verletzte in Wahrheit bei den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO noch nie hatte

Wenn er es richtig anstellt und die Mittel der StPO richtig nutzt, hat der Verletzte durchaus diese "faire Chance". Der Verletzte hat diese "faire Chance" nur dann nicht, wenn die Mittel der StPO nicht richtig angewendet oder nicht anständig ausgeschöpft werden, und zwar natürlich durch jemand, der "irgendeine forensische Erfahrung auf diesem Gebiet" hat.

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Meinen Sie nicht auch, dass sich die Erfolgssaussichten des Verletzten in den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, verbessern, wenn der Verletzte die Möglichkeit erhält, Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO erheben zu können, einen Anspruch auf eine mündliche Vethandlung gem. § 101 I VwGO hat und richterliche Hinweise gem. § 86 III VwGO erhält? 

Natürlich. Aber nirgendwo steht, dass dem Erzwingungskläger alle nur möglichen Vorteile in bestmöglicher Form gewährt werden müssen. Es kommt immer darauf an, den richtigen Ausgleich zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft, Beschuldigtem und Verletzten herzustellen und dabei auch die Leistungsfähigkeit der Rechtspflege nicht außer Acht zu lassen, die sich schlichtweg nicht jahrelang mit jedem hingerotzten Rechtsbeugungsvorwurf einer ganz einfach unterlegenen Prozesspartei beschäftigen kann, die darin nur das letzte Mittel sieht, einen rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreit doch noch zu gewinnen.

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Doch, die Grundrechte der Art. 19 IV GG und Art. 103 I GG gebieten eben gerade die Einräumung dieser fairen Chance. Und ob jeweils an den strafrechtlichen Vorwürfen, die der Verletzte erhebt, etwas dran ist, mag dann jeweils im Rahmen der Begründetheit eines Antrags nach den §§ 172 ff StPO geklärt werden.  

...gebieten eben gerade die Einräumung dieser fairen Chance

Es geht aber eben nur um die "faire Chance", nicht um ein alles andere bezwingende und alleingültiges Mittel, das alle anderen Aspekte aus dem Weg räumt!

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Dann verstehe ich aber nicht, was Sie gegen die Anwendung  der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, noch einzuwenden haben. 

Sie verstehen wirklich nichts! Ich habe einzuwenden, dass der Gesetzgeber die Anwendung der VwGO de lege lata nicht so geregelt hat und nicht so vorsieht! Reicht das nicht aus? Ihr Respekt vor dem Gesetzgeber ist niedriger als der Respekt eines pubertierenden Teenagers vor seinen "peinlichen Eltern".

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Ach, Sie waren das. Gut. Dann muss ich Sie nicht noch einmal darauf hinweisen, dass keine Änderung des Gesetzes notwendig ist, einfach weil das Verfassungsrecht, die Art. 19 IV GG und Art. 103 I GG, die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO gebietet. 

Eine Änderung des Gesetzes ist nur dann notwendig, wenn das Gesetz keine verfassungsmäßige Auslegung und Anwendung zuläßt. Das ist bei § 172 ff. StPO eben nicht der Fall, die nur "effektiv" anzuwenden sind. Das, was Sie wollen, ist eindeutig ein Widerspruch zum geltenden Recht und ist deshalb selbstverständlich ohne den Gesetzgeber nicht zu machen und auch gar nicht nötig, wie das Bundesverfassungsgericht gezeigt hat.

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Nein, es ist methodisch Gang und Gäbe, dass Sie Regelungen aus verwandten Gesetzen auf einen bestimmten Sachverhalt anwenden. Ich habe das Beispiel aus dem Gesellschaftsrecht bereits in meinem Aufsatz erwähnt. Der Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO steht deshalb auch methodisch nichts im Wege.   

Der Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO steht deshalb auch methodisch nichts im Wege.

Doch. Der ausdrückliche Wortlaut des Gesetzes, das heißt der eindeutige Wille des Gesetzgebers, steht jeglicher Analogie immer im Wege. Das ist bei Analogien, die nur zur Auslegung und Lückenfüllung dienen, natürlich anders.

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Das ist der "Wille des Gesetzgebers" des Jahres 1877! Meinen Sie nicht auch, dass es legitim ist, den Willen des historischen Gesetzgebers durch die Anwendung eines Gesetzes des Jahres 2018 zu ergänzen?

Gesetz ist Gesetz und Rechtssicherheit. Es ist natürlich legitim, Gesetze zu ändern, wenn es angezeigt ist, aber eben nur durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber.

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Sie wollen "Rechtssicherheit"? Gut. Dann wenden Sie die Vorschriften der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO an, anstatt dem Gericht freies Belieben zu gewähren. Dann haben Sie Rechtssicherheit. 

Das wäre rechtswidrig. Und offenen Auges bewußt rechtswidrig zu handeln, steht nur Verbrechern und Steuerhinterziehern zu.

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Es ist ganz sicher nicht rechtswidrig, ein "benachbartes Gesetz" auf einen Sachverhalt anzuwenden, auf den das "benachbarte Gesetz" passt. 

Wenn man dass wirklich zulassen würde, hätte man ein Präjudiz dafür, dass man mit dem Gesetz machen kann, was man will  und Vorschriften wild zusammenwürfeln kann, wie es gerade passt. Ein solches Präjudiz wäre katastrophal, insbesondere auch deshalb, weil es ein Anwalt ist, also ggf. die Anwaltschaft, die das zuläßt, und nicht nur zuläßt, sondern sogar fordert. Wenn es einmal so weit sein wird, ist es nicht mehr mein/unser Rechtsstaat.

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Nein, die Reise geht gerade in die entgegengesetzte Richtung als Sie vermuten: Das freie Belieben des Gerichts wird ersetzt durch eine köhärente, berechenbare Verfahrensordnung. Das ist unzweifelhaft ein Fortschritt in Richtung Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit. 

Die Entscheidung des BayVerfGH ist geschickt gemacht: Der Bf. wird als juristischer Anfänger hingestellt, der nicht einmal imstande ist, die einfachsten, nächstliegenden Verfahrensschritte einzuhalten. Die Argumente des Bf. werden zwar kurz erwähnt, sind aber allesamt derart absurd, dass sich ein Eingehen darauf erübrigt - so der Eindruck. Der BayVerfGH erzählt perfekt die Geschichte: Wenn der Bf. auch nur den einfachsten, nächstliegenden Verfahrensschritt gegangen wäre, wäre die GenStA den strafrechtlichen Vorwürfen des Bf. - wäre auch nur irgend etwas an den strafrechtlichen Vorwürfen dran gewesen - selbstverständlich nachgegangen. Ganz große Klasse, die Entscheidung des BayVerfGH.    

Genau. Und genau diese Überzeugungskraft macht die Entscheidung so überzeugend und richtig, und zwar in einem Maße, das keine Fragen offen läßt.

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Die Entscheidung mag Sie in Ihrem subjektiven politischen Empfinden, nach Ihrem subjektiven politischen Vorverständnis überzeugen, ganz nach der Parole "Die Justiz hat immer Recht" (die passende Melodie dazu müssen Sie sich jetzt denken). Auf einem anderen Blatt indes steht, ob sie auch tatsächlich "richtig" ist. 

Wenn Sie wüßten, welche Kämpfe ich schon mit der Justiz, insbes. einer rechtswidrig handelnden Justiz, auszufechten hatte und ausgefochten habe, würden Sie das sicher nicht sagen. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Und Rechtsbeugung war es auch nicht. Es war Dummheit, Rechthaberei und Voreingenommenheit, und alles straflos...

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Ich kann mir in ungefähr vorstellen, was Sie meinen. Dann verstehe ich aber erst recht nicht, was Sie gegen meine Position einzuwenden haben.

Dann verstehe ich aber erst recht nicht, was Sie gegen meine Position einzuwenden haben.

Das, was Sie wollen, nämlich die Regeln zu Ihren Gunsten zurecht zu biegen, kann mit der gleichen Methode auch nach hinten losgehen und die Justiz biegt sich die Regeln zu Lasten des Bürgers zurecht. Und wenn die Justiz nicht mehr nach dem Gesetz, sondern nach Gusto entscheidet, haben wir keinen Rechtsstaat mehr.

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Das Problem dabei: Die Justiz entscheidet bereits, jedenfalls bei den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, nach Gusto. Ich hingegen poche auf die Einhaltung des Gesetzes: Ich poche darauf, dass ein kohärentes, zeitgemäßes Gesetz auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO angewendet wird, an das sich alle Verfahrensbeteiligten halten müssen. 

Ich poche darauf, dass ein kohärentes, zeitgemäßes Gesetz auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO angewendet wird, an das sich alle Verfahrensbeteiligten halten müssen. 

Das ist aber nicht Ihr Bier! De lege ferenda, steht es Ihnen natürlich zu, nach Kräften zu "pochen"; aber de lege lata haben Sie nichts zu "pochen".

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