Das neue Cannabisgesetz – Teil 9: Rechtsfolgen bei verbotenem Anbau

von Prof. Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 21.06.2024

Wie im BtMG ist auch im Konsumcannabisgesetz (KCanG) unter Anbau das Erzielen pflanzlichen Wachstums durch gärtnerische Bemühungen zu verstehen, wozu die Aussaat von Cannabissamen sowie die Pflege oder die Aufzucht von Cannabispflanzen zählen. Der Anbau von Cannabis ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KCanG grundsätzlich verboten.

1. Erlaubter Anbau

§ 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 KCanG regelt Ausnahmen vom Anbauverbot, nämlich:

  • den privaten Eigenanbau zum Eigenkonsum nach § 9 Abs. 1 KCanG von bis zu drei Cannabispflanzen (= Freimenge) und
  • den gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis zum Eigenkonsum nach §§ 11 ff. KCanG mit behördlicher Erlaubnis in Anbauvereinigungen.

Außerdem sind der Anbau von EU-zertifiziertem Nutzhanf durch Unternehmen der Landwirtschaft unter bestimmten Voraussetzungen (§§ 1 Nr. 9 Buchst. b, 31, 32 KCanG) und der Anbau als Schutzstreifen bei der Rübenzüchtung, wenn sie vor der Blüte vernichtet werden (§ 1 Nr. 8 Buchst. e KCanG), erlaubt.

2. Strafbarer Anbau

Der Anbau ist strafbar (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren), wenn

  • mehr als drei Cannabispflanzen gleichzeitig zum Zwecke des Eigenkonsums oder Cannabispflanzen - ohne Mengenbeschränkung - nicht zum Eigenkonsum angebaut werden (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 KCanG),
  • Cannabis in einer Anbauvereinigung ohne Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 KCanG angebaut wird (§ 34 Abs. 1 Nr. 15 KCanG, ab 1.7.2024),
  • Cannabis entgegen § 17 Abs. 1 S. 1 KCanG in Anbaugemeinschaften durch Nichtmitglieder angebaut wird (§ 34 Abs. 1 Nr. 16 KCanG, ab dem 1.7.2024).

3. Besonders schwere Fälle

§ 34 Abs. 3 KCanG sieht einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, wenn der Täter

  • gewerbsmäßig verbotenerweise Cannabispflanzen anbaut, gewerbsmäßig ohne Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 KCanG Cannabis anbaut oder gewerbsmäßig Cannabis entgegen § 17 Abs. 1 S. 1 KCanG anbaut (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 KCanG),
  • durch den verbotenen Anbau von Cannabispflanzen, durch den Anbau ohne Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 KCanG oder durch den Anbau entgegen § 17 Abs. 1 S. 1 KCanG die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KCanG),
  • als Person über 21 Jahren eine Person unter 18 Jahre bestimmt, mehr als drei Cannabispflanzen verbotenerweise anzubauen oder einen solchen Anbau zu fördern, oder als Person über 21 Jahren eine Person unter 18 Jahren bestimmt, Cannabis ohne Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 KCanG anzubauen oder den Anbau von Cannabis ohne Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 KCanG zu fördern (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Buchst. b KCanG),
  • Cannabispflanzen in nicht geringer Menge verbotenerweise anbaut, ohne Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 KCanG anbaut oder entgegen § 17 Abs. 1 S. 1 KCanG anbaut (§ 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG).

4. Verbrechen

Ein Verbrechen nach § 34 Abs. 4 KCanG mit einer Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren begeht, wer bandenmäßig Cannabispflanzen in nicht geringer Menge verbotenerweise anbaut (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). Dieser Qualifikationstatbestand greift auch ein, wenn häusliche Gemeinschaften von mindestens drei Personen, die mehr als die erlaubten drei Pflanzen pro Person zu Hause zum Eigenkonsum auf Dauer angelegt anbauen, und dabei eine Gesamtmenge im Bereich der nicht geringen Menge erreichen. Aufgrund des geringen Unrechtsgehalts kommt in diesen Fällen aber die Anwendung eines minder schweren Falles in Betracht (Patzak/Fabricius, BtMG 11. Aufl. 2024, § 34 KCanG Rn. 321).

5. Absehen von Strafverfolgung beim Anbau von geringen Mengen zum Eigenverbrauch

Beim Anbau von mehr als drei Cannabispflanzen zum Eigenverbrauch kommt eine Einstellung nach § 35a Abs. 1 KCanG durch die Staatsanwaltschaft in Betracht, wenn es sich um eine geringe Menge handelt, also bspw. der Anbau von „nur“ vier Pflanzen. Eine Möglichkeit für das Gericht, wie nach § 29 Abs. 5 BtMG von Strafe abzusehen, weil es selbst bei vorliegendem öffentlichem Interesse an der Strafverfolgung am Strafbedürfnis fehlt, ist im KCanG nicht vorgesehen.

6. Einziehungsfähige Menge

Wie beim Besitz/Erwerb dürfen auch beim Anbau von mehr als drei Pflanzen zum Eigenkonsum nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 KCanG meines Erachtens im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung der fakultativen Einziehung nach § 37 KCanG nur die Pflanzen berücksichtigt werden, die über die Freigrenze des § 9 Abs. 1 KCanG hinausgehen, beim Anbau von vier Pflanzen also nur eine Pflanze (so auch AG Bautzen).

Die bisherigen Folgen meiner Serie:

Neue Serie zum Cannabisgesetz – Teil 1: Welche Gesetze werden geändert

Das neue Cannabisgesetz – Teil 2: Änderungen von BtMG und BtMVV

Das neue Cannabisgesetz – Teil 3: Änderungen im Straßenverkehr

Das neue Cannabisgesetz – Teil 4: Systematik und Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes (KCanG)

Das neue Cannabisgesetz – Teil 5: Regelungen zum privaten Eigenanbau

Das neue Cannabisgesetz – Teil 6: Die nicht geringe Menge im KCanG

Das neue Cannabisgesetz – Teil 7: Regelungen zu Anbau, Weitergabe und Entgegennahme von Cannabis in Anbauvereinigungen

Das neue Cannabisgesetz – Teil 8: Rechtsfolgen bei verbotenem Besitz und Erwerb/Entgegennahme

Weitere Folgen:

  • Strafbare Tathandlungen im Konsumcannabisgesetz (KCanG) ohne Freigrenzen
  • Rechtsfragen im Zusammenhang mit Konsumverboten nach § 5 KCanG
  • Aufbau und Systematik des MedCanG
  • die wichtigsten Straf- und Bußgeldvorschriften MedCanG
  • Regelungen zu Therapie statt Strafe in KCanG und MedCanG
  • Kronzeugenregelungen in KCanG und MedCanG
  • Tilgung von Eintragungen im Bundeszentralregister
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Nachfrage zur näheren Auslegung des Begriffs "Einpflanzen" im KCanG

Sehr geehrter Herr Dr. Patzak,

mit großem Interesse habe ich Ihren neuen, überarbeiteten BtMG-Kommentar (Patzak/Fabricius, 11. Aufl. 2024) gelesen, wobei mir (passend zum Thema dieses Artikels) insbesondere folgende Ausführung (vgl. KCanG § 1 Rn. 8) ins Auge gefallen ist:

"Stecklinge sind sowohl Jungpflanzen als auch Sprossteile von Cannabispflanzen (Klone), die zur Anzucht von Cannabispflanzen verwendet werden sollen und über keine Blütenstände oder Fruchtstände verfügen. Sie weisen einen THC-Gehalt von höchstens 0,3% auf, so dass der Konsum ihrer Bestandteile keine psychoaktiv berauschende Wirkung entfaltet. Stecklinge werden mit dem Einpflanzen zum Setzling (BT-Drs. 20/8704, 89) und unterfallen dann dem Cannabisbegriff des § 1 Nr. 8 KCanG. Stecklinge unterscheiden sich also von Cannabispflanzen i.S.d. § 1 Nr. 8 KCanG dadurch, dass sie noch nicht eingepflanzt sind."

Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, hat diese Auffassung (die unter anderem auch von der StA Halle geteilt wird) einige Furore, Unsicherheit und Sorgen losgetreten. RA Grubwinkler u.a. (https://x.com/RGRAnwaelte/status/1806222080687346141) halten diese Auslegung allein schon deshalb für falsch, weil sie in strenger Auslegung jeglichen praktikablen, legalen Umgang mit Stecklingen i.S.d. § 1 Nr. 6 KCanG verunmögliche und de facto einem (im Gesetzestext selbst ausdrücklich nicht vorgesehenen) Stecklings-Verbot durch die Hintertür gleichkäme.

Meines Erachtens wird in dieser Streitfrage letztlich wohl entscheidend sein, wie der Begriff des "Einpflanzens" definiert wird. Daher meine zentrale Frage an Sie:
Was verstehen Sie nach Ihrer Auffassung konkret unter dem Begriff des Einpflanzens? Reden wir von einer streng konservativen Auslegung insofern, als dass jegliche Bewurzelung einer Cannabis-Jungpflanze in jeglichem Substrat (Erde, Steinwolle, Kokos etc.) stets als Einpflanzen zu verstehen ist, und sie somit stets zu einer ggf. strafbaren Cannabispflanze i.S.d. § 1 Nr. 8 KCanG wird; oder fassen Sie den Begriff des Einpflanzens enger und damit liberaler?

Ebenfalls interessant, wenngleich natürlich rechtlich keineswegs bindend ist in diesem Kontext auch die nähere Definition für Jungpflanzen durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2009/2009_09_22_Fa_in_jungpflanzen.html):

"Wenn das BVL eine Indikation mit der Erläuterung "Jungpflanzen" oder "Jungpflanzenanzucht" versieht, dann sind damit Pflanzen in der Anzucht gemeint, die sich noch nicht am endgültigen Standort bzw. noch nicht in der Weiterkultur zur verkaufsfähigen Ware befinden. Es handelt sich also um Pflanzen, die noch nicht ins Freiland oder Gewächshaus ausgepflanzt sind oder um Pflanzen vor dem Topfen in den Endtopf. Die anschließend an den Endstandort verpflanzte Kultur ist dann keine Jungpflanze mehr. Junge Pflanzen von Kulturen, die in Direktsaat produziert werden, sind in diesem Sinne keine Jungpflanzen."

Jungpflanzen bzw.  Stecklinge werden nach dem BVL also zur "vollwertigen" Pflanze, sobald sie an ihren End-Standort bzw. in ihren End-Topf verbracht werden.

Denkbar wäre nach dieser Linie also auch ein Kompromiss: grundsätzliche Beibehaltung Ihrer Auffassung, dass Stecklinge mit dem Einpflanzen zu Cannabis i.S.d. § 1 Nr. 8 KCanG werden, bei gleicheitiger deutlicher Eingrenzung des Begriffs "Einpflanzen" von Stecklingen ausschließlich auf das Verbringen an ihren End-Standort bzw. in ihren End-Topf, nicht aber in Anzucht-Töpfe, Jiffys etc. oder beim zwischenzeitlichen Umtopfen.

Also, kurz gesagt: Würden Sie sich, plump ausgedrückt, eher einer liberalen (vgl. BVL) oder einer konservativen Auslegung des Begriffs "Einpflanzen" anschließen?

Mit besten Grüßen,
Philipp Eschenbach

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