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Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Man kann übrigens den Bogen noch sehr viel weiter spannen: Es würde die amerikanische Gesellschaft in einem ganz wesentlichen Punkt befrieden, wenn es das subjektiv-öffentliche Recht der Angehörigen auf ernsthafte Ermittlung der strafrechtlichen Vorwürfe bei Todesfällen durch Polizeieinsätze auch in den USA gäbe: Dann könnten die Angehörigen von bei Polizeieinsätzen ums Leben Gekommener gerichtlich erzwingen, dass sich die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden ernsthaft mit dem strafrechtlichen Vorwurf fahrlässiger Tötung - oder gar weitergehenden Vorwürfen - auseinandersetzen müssen. An diesem Beispiel aus den USA sieht man die rechtsstaatliche Qualität des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter: Der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter ist dazu angetan, einen ganz wesentlichen Beitrag zur Befriedung der Gesellschaft und zum Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaats zu erbringen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Es besteht durchaus "Grund zur Kritik an der StA". Es ist alles andere als der erste Fall, in dem die Strafverfolgungsbehörden bei politisch motivierter Kriminalität von Rechts angestrengt wegschauen. Das angestrengte Wegschauen äußert sich hier in einem Bagatellisieren der strafrechtlichen Vorwürfe. In anderen Fällen - v.a. bei der Nicht-Ermittlung der von dem NSU verübten Morde - ist allerdings das angestrengte Wegschauen der Strafverfolgungsbehörden noch sehr viel gravierender.
Das ist auch der Grund, warum ich der Überzeugung bin, dass die prozessualen Rechte der Opfer massiv gestärkt werden müssen: Es ist eben auf die Strafverfolgungsbehörden in dieser Richtung keinerlei Verlass.
Es macht nicht nur in dem Fall des Brandanschlags von Altena, sondern auch in allen anderen Fällen einen wesentlichen Unterschied, ob die Verletzten ein subjektiv-öffentliches Recht auf Strafverfolgung Dritter geltend machen können, oder ob sie im Strafverfahren auf die Rolle lästiger Bittsteller beschränkt sind.
Das subjektiv-öffentliche Recht auf Strafverfolgung Dritter ergibt sich hier aus dem Umstand, dass die Verletzten im Fall des Brandanschlags von Altena mit dem Tode bedroht worden sind. Der Fall der Todesbedrohung ist einer der Fälle, in denen das BVerfG den Verletzten ein subjektiv-öffentliches Recht auf Strafverfolgung Dritter zubilligt.
Dieses subjektiv-öffentliche Recht auf Strafverfolgung Dritter (an Stelle eines bloßen Reflexrechts) wurde begründet durch vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG aus den Jahren 2014 und 2015: Das waren die vier Entscheidungen im Fall Tennessee Eisenberg vom 26.6.2014, die Entscheidung im Fall Gorch Fock (resp. Jenny Böken) vom 6.10.2014, die Entscheidung im Fall des Münchner Lokalderbys vom 23.3.2015 und schließlich die Entscheidung im Fall des Luftangriffs bei Kundus (resp. Oberst Klein) vom 19.5.2015.
Es macht nicht nur im Falle eines Klageerzwingungsverfahrens - dort wirkt sich der Unterschied zwischen subjektiv-öffentlichem Recht und Reflexrecht am stärksten aus - sondern auch allgemein einen Unterschied, ob der Verletzte eigene prozessuale Rechte geltend machen kann oder - gegenüber den einäugigen Strafverfolgungsbehörden - nur ein lästiger Bittsteller ist. Das BVerfG hat den Verletzten das subjektiv-öffentliche Recht auf Strafverfolgung Dritter nur für einzelne ausgewählte Fallgruppen zugebilligt, nicht allgemein. Kann der Verletzte also geltend machen, zu einer dieser Fallgruppen zu gehören - hier zur Fallgruppe der mit dem Tode Bedrohten - sollte das von Anfang an, von Anfang der Ermittlungen an, die prozessualen Verfahrensrechte des Verletzten stärken.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Es zeigt sich an diesem Fall einmal mehr, dass es politisch notwendig und rechtlich richtig ist, den Verletzten effektive prozessuale Rechte in die Hand zu geben. Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass die Verletzten schlecht beraten wären, allein auf den Willen der Strafverfolgungsbehörden zu effektiven Ermittlungsmaßnahmen zu vertrauen. Demgegenüber ist es sowohl politisch notwendig als auch rechtlich richtig, den Verletzten die prozessuale Option zu verschaffen, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte auf Strafverfolgung Dritter effektiv geltend machen zu können. Hätten in vorliegendem Fall die Verletzten auf die Geltendmachung eigener (prozessualer) Rechte verzichtet, hätte das Strafverfahren gegen die Beschuldigten einen unzureichenden Verlauf genommen. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die Beschuldigten wären nur in einer absolut unzureichenden Weise aufgeklärt worden.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Wenn man die verfassungsrechtliche Brille aufsetzt, kann man nicht vernünftig erklären, worin der praktisch verwertbare Unterschied zwischen einem Rechtsanspruch auf Strafverfolgung Dritter und einem Reflexrecht liegen soll. Wenn man die Kontroverse, dass im Regelfall nur ein Reflexrecht, dagegen im Ausnahmefall ein Rechtsanspruch vorliegt, in einem Grundgesetz-Kommentar im Rahmen einer Kommentierung des Art. 2 GG abhandelt, wird nicht klar, wozu die Unterscheidung gut sein soll.
Einen Sinn gewinnt die Unterscheidung erst dann, wenn man die verfassungsrechtliche Brille absetzt und die strafprozessuale Brille aufsetzt. Genauer: Bei der Anzeigeerstattung und im Beschwerdeverfahren vor der GenStA ergeben sich immer noch nicht wirklich Unterschiede zwischen dem Reflexrecht und dem Rechtsanspruch. Erst im Verfahren nach den §§ 172 ff StPO - sei es in der Spielart des Klageerzwingungsverfahrens, sei es in der Spielart des Ermittlungserzwingungsverfahrens - wird der Unterschied zwischen Reflexrecht und Rechtsanspruch klar. Nimmt man ein Reflexrecht an, bleibt der Verletzte weiterhin lästiger Bittsteller, nimmt man aber einen Rechtsanspruch an, hat der Verletzte vollwertige prozesuale Rechte, v.a. das aus Art. 103 I GG folgende Recht, vor Erlass einer Entscheidung richterliche Hinweise zu erhalten.
Erst die Option eines nachfolgenden Verfahrens nach den §§ 172 ff StPO zwingt die StA Duisburg dazu, im Fall der Loveparade die Ermittlungen durch die Einholung des zweiten SV-Gutachtens zu vervollständigen. Genau so kommt es jetzt - richtigerweise.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Der Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung - der auch im Fall der Loveparade die entscheidende Bedeutung für sich beansprucht - hat sich indessen in der Kommentarliteratur weiter herumgesprochen. Als weiteres Beispiel habe ich gefunden: Helge Sodan, Kommentar zum Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Rdnrn. 23a und 34a zu Art. 2 GG.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Noch ein Kommentar zu den "Anwälten der Angehörigen": Was den Zivilprozess betrifft, führt die Ungeduld, nicht das Ergebnis des zweiten Gutachtens abgewartet zu haben, m.E. geradewegs in eine Haftung auf Erstattung der sinnlos aufgewendeten Kosten des Zivilprozesses. Denn das Führen eines von Anfang an aussichtslosen Zivilprozesses führt zu einer Haftung des Anwalts gegenüber seinem Mandanten auf Erstattung der von dem Mandanten aufgewendeten Kosten des Zivilprozesses. Ein solcher Fall liegt hier m.E. vor. Es besteht für das Zivilgericht m.E. auch keinerlei Veranlassung, den Zivilprozess bis zum Vorliegen des zweiten Gutachtens im Ermittlungsverfahren auszusetzen. Das würde gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Am Ende Ihres Kommentars machen Sie eine Bemerkung zu den "Anwälten der Angehörigen". Ich frage mich in der Tat, warum die Anwälte der Angehörigen nicht schon viel früher das juristisch entscheidende Argument angeführt haben: Das Argument nämlich, dass die Angehörigen auf der Grundlage der Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 einen richtiggehenden Rechtsanspruch auf ernsthafte und vollständige Ausermittlung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft haben. In den aktuellen Pressemitteilungen der Anwälte der Angehörigen findet sich nach wie vor noch nicht einmal ein Hinweis auf die Tennessee Eisenberg-Entscheidung.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Grüß Gott Herr Prof. Müller,
es freut mich, von Ihnen zu hören, dass es, bei welchem prozessualen Szenario auch immer, die richtige Entscheidung der StA war, einen zweiten Gutachter zu bestellen. Ist es richtig, dass nunmehr der Fokus des (technischen) Gutachtens auf der Genehmigungsfähigkeit der Veranstaltung nach der Sonderbau-Verordnung NRW liegen wird?
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Naja, die StA macht jetzt endlich - Jahre später - das, worauf die Eltern der Getöteten einen Rechtsanspruch haben: Nämlich darauf, dass der Sachverhalt vollständig (mit dem Akzent auf vollständig) aufgeklärt wird. Auf die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 (diese Entscheidung hatte also neulich ihren zweiten Geburtstag) habe ich schon ein paar Mal hingewiesen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
... Ich habe mir schon den Mund fusselig geredet, dass die Eltern der Getöteten genau diese Ermittlungen der StA - die offensichtlich immer noch fehlen - im Rahmen eines Ermittlungserzwingungsverfahrens gem. §§ 172 ff StPO beim OLG jetzt endlich zwangsweise durchsetzen müssen.
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