Das neue Cannabisgesetz – Teil 8: Rechtsfolgen bei verbotenem Besitz und Erwerb/Entgegennahme

von Prof. Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 19.05.2024

1. Erlaubte Freimengen beim Besitz

Ich habe im meinen Blog-Beitrag vom 7.4.2024 schon berichtet, dass nach § 2 Abs. 3 i.V.m. § 3 KCanG Erwachsenen der Besitz von bis zu 25 g Cannabis außerhalb der Wohnung und bis zu 50 g Cannabis am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bzw. insgesamt erlaubt ist.

Besitz ist wie im BtMG definiert als ein vom Besitzwillen getragenes tatsächliches Herrschaftsverhältnis, das darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten.

§ 3 Abs. 2 S. 2 KCanG stellt klar, dass die Besitzmenge insgesamt 50 g Cannabis nicht übersteigen darf, wenn jemand zeitgleich Cannabis an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und an einem anderen Ort besitzt. Das heißt, dass eine Person nur noch maximal 25 g Cannabis zu Hause vorrätig haben darf, wenn sie 25g Cannabis außerhalb der Wohnung mit sich führt.

Bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigem Pflanzenmaterial ist nach § 3 Abs. 2 S. 2 KCanG das Gewicht nach dem Trocknen maßgeblich.

2. Erlaubte Freimengen bei der Entgegennahme

Erwerb nach dem KCanG liegt vor, wenn der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über das Cannabis auf abgeleitetem Wege, d.h. im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer durch ein Rechtsgeschäft erlangt und die Verfügungsgewalt ausüben kann, ohne Rücksicht auf das Eigentum und den Zweck des Erwerbs. Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass Erwerb die entgeltliche Besitzerlangung von Cannabis, insb. den Kauf, erfasen soll.  Unter Entgegennahme ist folglich die unentgeltliche Besitzerlangung zu verstehen, mithin der Bezug von Cannabis durch Mitglieder in Anbauvereinigungen als Pendant zur Weitergabe.

Nach § 2 Abs. 3 i.V.m.§ 19 Abs. 3 dürfen Mitglieder einer Anbauvereinigung über 18 Jahre dort 25 g Cannabis pro Tag entgegennehmen. Pro Monat dürfen die Mitglieder über 21 Jahre in der Anbauvereinigung insgesamt 50g entgegennehmen, Mitglieder zwischen 18 und 21 Jahren 30 g Cannabis.

3. Überschreiten der Freigrenzen beim Besitz/Bereichsausnahmen

Die Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b KCanG sieht für den Besitz Bereichsausnahmen vor. Ich wähle diese Begrifflichkeit, um deutlich zu machen, dass die Grenzen zur Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG nicht mit den Freimengen nach § 2 Abs. 3 KCanG identisch sind, sondern darüber liegen.

a) Besitz von mehr als 25 g bis 30 g Cannabis außerhalb der Wohnung und mehr als 50 g bis 60 g zu Hause bzw. insgesamt

Die Überschreitung der Freimenge bis zu 30 g und bis zu 60 g ist nun als Ordnungswidrigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b KCanG eingestuft.  

b) Besitz von mehr als 60 g Cannabis zu Hause bzw. insgesamt und mehr als 30 g außerhalb der Wohnung

Die Straftat des verbotenen Besitzes nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b KCanG greift erst bei mehr als 30 g Cannabis außerhalb der Wohnung oder bei mehr als 60 g in der Wohnung bzw. insgesamt ein. Unterhalb dieser Grenzen ist auch der Besitz von Cannabis aus dem Schwarzmarkt und der Besitz durch Jugendliche straffrei, obwohl beides nicht nach § 2 Abs. 3 KCanG erlaubt ist (hier kann aber wieder die Ordnungswidrigkeit eingreifen).

Der verbotene Besitz von Cannabis in nicht geringer Menge (siehe dazu meinen Blog-Beitrag vom 18.4.2024) ist als besonders schwerer Fall nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG ausgestaltet.

c) Ungereimtheiten beim Verhältnis Ordnungswidrigkeit und Straftat infolge der Einstellungsmöglichkeit nach § 35a KCanG beim Besitz von Cannabis in geringer Menge zum Eigenverbrauch

§ 35a KCanG sieht vor, dass von der Strafverfolgung abgesehen werden kann, wenn der Straftäter Cannabis für den Eigenverbrauch in geringer Menge besitzt. Hier sollen die bisherigen Grundsätze zur geringen Menge nach § 31a BtMG fortgelten.

Das hat zur Folge, dass es zu unbilligen Rechtsfolgen kommen kann, z.B. wenn der Täter beim Besitz von 51g Cannabis am Wohnsitz von der Verwaltungsbehörde ein empfindliches Bußgeld wegen Verstoßes gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 lit. b KCanG erhält, das Strafverfahren beim strafwürdigen Besitz von 61g aber gem. § 35a Abs. 1 KCanG eingestellt wird. So sieht der Bußgeldkatalog in Bayern für einen Besitz von 51 g ein Bußgeld zwischen 500 und 1000 Euro vor, bei konsequenter Anwendung der Vorschrift des § 35a KCanG müsste der Staatsanwalt den Besitz von 61 g Cannabis jedenfalls bei einem nicht vorbelasteten Beschuldigten ohne Sanktion einstellen (die geringe Menge von Cannabis nach dem BtMG lag in Bayern bei 6 g, jetzt also bis zu 66 g). Das ist aus meiner Sicht ein fragwürdiges Ergebnis (Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Auflage, erscheint im Juni, § 35a Rn. KCanG Rn. 9)!

4. Überschreiten der Freigrenzen beim Erwerb/keine Bereichsausnahmen

Nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG macht sich strafbar, wer mehr als 25 Gramm Cannabis pro Tag erwirbt oder entgegennimmt, oder mehr als 50 Gramm Cannabis pro Kalendermonat erwirbt oder entgegennimmt. Hier ist keine Bereichsausnahme mit einer Ordnungswidrigkeit vorgesehen. Erwerb oder Entgegennahme von Cannabis in geringer Menge unterliegen ebenfalls der Einstellungsmöglichkeit nach § 35a KCanG. Der verbotene Erwerb von Cannabis in nicht geringer Menge ist - wie der Besitz - ein besonders schwerer Fall nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG.

5. Verhältnis Besitz und Erwerb

Wie im BtMG tritt der verbotene Besitz hinter dem verbotenen Erwerb zurück, auch im KCanG stellt der Besitz nur einen Auffangtatbestand dar (Patzak/Fabricius, a.a.O. § 34 KCanG Rn. 188). Das hat zur Folge, dass es im Falle eines verbotenen Erwerbes für den Täter unter Umständen günstiger sein könnte, zur Herkunft des Cannabis keine Angaben zu machen.

6. Einziehungsfähige Menge

Meines Erachtens darf im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung der fakultativen Einziehung nach § 37 KCanG nur die Menge berücksichtigt werden, die eine Person nicht nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KCanG legal besitzen/entgegennehmen darf. Denn das Recht zum Besitz der erlaubten Mengen geht aus meiner Sicht nicht verloren, wenn ein Täter eine strafbewehrte Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG besitzt oder nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 entgegennimmt.

Beispiel: Der Täter erzielt aus einem privaten Eigenanbau mit drei Pflanzen insgesamt 70 g Marihuana, weil er einen grünen Daumen hat. Er macht sind damit nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG strafbar. Hier ist grundsätzlich die gesamte Menge als Tatobjekt i.S.d. § 37 KCanG i.V.m. § 74 StGB inkriminiert. Da er aber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 CanG 50 g Cannabis besitzen darf, müssen diese 50 g über § 74f Abs. 1 S. 1 StGB bei der Einziehung unberücksichtigt bleiben. Im Ergebnis dürfen nach meiner Auffassung nur die die Freimenge überschreitenden 20 g Cannabis eingezogen werden (Patzak/Fabricius, a.a.O. § 37 Rn. 1).

Die bisherigen Folgen meiner Serie:

Neue Serie zum Cannabisgesetz – Teil 1: Welche Gesetze werden geändert

Das neue Cannabisgesetz – Teil 2: Änderungen von BtMG und BtMVV

Das neue Cannabisgesetz – Teil 3: Änderungen im Straßenverkehr

Das neue Cannabisgesetz – Teil 4: Systematik und Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes (KCanG)

Das neue Cannabisgesetz – Teil 5: Regelungen zum privaten Eigenanbau

Das neue Cannabisgesetz – Teil 6: Die nicht geringe Menge im KCanG

Das neue Cannabisgesetz – Teil 7: Regelungen zu Anbau, Weitergabe und Entgegennahme von Cannabis in Anbauvereinigungen

Weitere Folgen:

  • Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Tatbestände ohne Freigrenze
  • Aufbau und Systematik des MedCanG
  • die wichtigsten Straf- und Bußgeldvorschriften MedCanG
  • Regelungen zu Therapie statt Strafe in KCanG und MedCanG
  • Tilgung von Eintragungen im Bundeszentralregister

 

 

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