"Innerdeutsches Internet": Fällt die Deutsche Telekom bald aus allen (Schengen-) Clouds?

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 11.11.2013

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Rechtzeitig zum Beginn des rheinischen Karneval fand heute in Bonn der  zweite „Cyber Security Summit“  oder auch „IT-Gipfel“ statt. In dessen Rahmen hat sich Telekom Chef Obermann erneut für ein „innerdeutsches Internet“ stark gemacht. Danach soll ein Gesetz künftig sozugen Auslandsreisen von deutschen Datenpaketen verhindern, wenn Sender und Empfänger in Deutschland ansässig sind. Der Plan des „National Routing“ wird wohl auch in den Koalitionsverhandlungen auftauchen.

Ferner ist auch ein sogenanntes „Schengen-Routing“ im Gespräch. Unter anderem der IT-Branchenverband Bitkom hat sich dafür ausgesprochen, zu prüfen, ob die Datendurchleitung von E-mails („Routing“) innerhalb des Schengen-Raums mehr Sicherheit schaffen kann als ein Routing via transatlantischer Kabel über Netzwerkrechner in den USA.

Das hätte eine Reihe von möglicherweise negativen Folgen für den deutschen Endnutzer:  So könnte ein nationales Netz bedeuten, dass es nur noch die Telekom als Anbieter gäbe. In Deutschland ist sie der größte Anbieter von Leitungen, auch in Europa ist ihr Netz riesig. Diese potentielle Marktmacht könnte das Unternehmen nutzen, um von allen anderen für den Transport der Daten Geld zu verlangen. Schließlich suchen  sich  bei Internet-Verbindungen das Datenpaket normalerweise den schnellsten, nicht notwendigerweise den kürzesten Weg zum Empfänger. Ein Schengen-Routing bedeutet dass die Daten möglicherweise nicht über den schnellsten Weg zum Empfänger gelangen. Die Folgen: Verzögerungen, verminderte Bandbreite usw.

Aus rechtlicher Warte ist zu fragen:

  • Und wie sieht es mit der immer wieder auf den Schild gehobenen  Grundsatz der Netzneutralität aus ? Dazu der neue § 2 Abs. Nr. 2  TKG: “Sie [die Bundesnetzagentur] gewährleistet, dass es im Bereich der Telekommunikation, einschließlich der Bereitstellung von Inhalten, keine Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen gibt.“  Führt das „Schengen-Internet“ zu einem Zweiklassen-Internet: ein wahrscheinlich überlastetes und jetzt schon gedrosseltes „innerdeutsches Internet“ unter der Kontrolle von DTAG und eine weltweite, Stau-freie, aber sicher nicht abhörsichere Datenautobahn?

  • Wäre ein Schengen-Internet“ daher mit Artikel 56- 62 AEUV, EU-Dienstleistungsfreiheit, vereinbar? Die britischen Anbieter stünden auf dem deutschen Mark mit ihren Angeboten im Regen… Warum soll gerade „Schengen“ der Maßstab sein - ein Abkommen, in dem es um die Passkontrolle geht. Spioniert Frankreich nicht auch? Die für die IT-Sicherheit zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission Neelie Kroes , als streibare Verfechterin des "Single Market" für Breitbanddienste, warnte beim IT Gipfel davor :  "Es macht keinen Sinn, bald 28 Clouds in Europa zu haben. Wir können den globalen Markt nicht erobern, wenn wir unsere Daten in nationalen Grenzen einsperren."

Was meinen Sie: Führt dies nicht alles zu einer Re-Monopolisierung des deutschen Marktes? Das Beispiel könnte in anderen Ländern Schule machen…

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5 Kommentare

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Eine solche Einschränkung kann zu Preissteigerungen und Qualitäts-/Geschwindigkeitsverlusten bei der Leistung führen. Aber vielleicht ist das hinzunehmen.

Die Haustür abzuschließen, behindert ganz erheblich beim Betreten des eigenen Hauses, und Geld kostet ein Türschloss auch noch. Aber zum Schutz des eigenen Eigentums nimmt man das in Kauf. Bei unseren Internetdaten gilt inzwischen wohl dasselbe.

Möglicherweise könnte man die Verbreitung von Spam und Viren an den EU-Grenzen stoppen - Einreise für e-Mails nur mit Visum. Klingt etwas albern, aber wieso nicht?

Es ist bedauerlich, dass das Internet nicht mehr den Freiraum seiner "Jugend" bietet und nutzen kann, sondern heute durch Scamming, Spamming, "Abzock-Angebote", Spionage und andere Probleme belastet wird. Aber damit muss man sich vielleicht abfinden und die zweckmäßigen Konsequenzen ziehen.

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Solange unsere eigenen Nachrichtendienste nach dieser "Einreise mit Visum" selber schnüffeln und dass dann an die NSA weitergeben, halte ich ein Internet-Schengen für völligen Quatsch.

Und selbst wenn der BND das nicht tut, was ich nicht ganz glauben kann, dann würden das immernoch die Briten erledigen, die das im Rahmen von Five Eyes der NSA weitergeben.

 

Gut, die Briten kann man außen vor lassen, der Euro geht ja auch ohne die, aber was ist mit den Franzosen? Die stehen doch auch schon auf der Five Eyes-Warteliste...Deutschland übrigens auch.

Wenn da jetzt einfach jeder beitritt, glaubt dann ernsthaft jemand, dass die NSA, oder die GCHQ sich an das Verbot des gegenseitigen ausschnüffelns hält? Die halten sich doch nicht mal im eigenen Land bei den eigenen Bürgern dran.

 

Nebelkerzen wohin man schaut...

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Kleines Schmankerl aus der SZ:

http://www.sueddeutsche.de/digital/cybersecurity-gipfel-der-telekom-lasst-uns-nicht-naiv-sein-1.1816128-2

"Um ihre Kunden besser vor Angriffen aus dem Netz zu schützen, schließt die Telekom ausgerechnet ein Bündnis mit dem US-Anbieter RSA. Gewiss, das Unternehmen ist ein angesehener Spezialist in Sicherheitsfragen. Aber eben doch ein Unternehmen, das auch US-Behörden Auskunft geben muss."

Letzte Konsequenz: Downsizen. Raus aus dem Internet, so bequem das auch ist. Versand von Post nur noch per gesiegeltem Brief.

Thurn u. Taxis lassen grüßen!

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Zur Diskussion über ein "Schland-Netz" sollten die Akteure doch berücksichtigen, dass, immer, wenn Dienste aus dem freien Netz über "www." verwendet werden, technisch i.d.R. gar nicht sicher festgestellt werden kann, ob die Daten national geroutet werden oder nicht. Denn eine deutsche Internet Adresse kann auch auf einem Server im Ausland gehostet werden. Man müsste also (in jedem Einzelfall) erst einmal technisch ermitteln, wo sich der Server befindet...

Auch ein inner-europäisches Routing würde der globalen Architektur des Netzes widersprechen. Die Netzökonomie/schnelle Übertragung lebt ja davon, dass Daten unbeeinflusst von Landesgrenzen "reisen". Eine politische bzw. rechtliche Steurung des Routings kennt man bisher nur aus China, Russland oder Nord-Korea...

Zudem könnte das "deutsche Routing" und das "Schengen Routing" wettbewerbsrechtlich negative Konsequenzen für Wirtschaft und Verbraucher haben. Deutsche Telekommunikationsanbieter könnten Routingdienste nur noch in Deutschland einkaufen und somit nicht mehr vom internationalen Wettbewerb profitieren. Weniger Wettbewerb führt i.d.R. immer zu steigenden Preisen und weniger Innovationen.
Einziger Anbieter dieser Routingdienste dann evtl. bald nur noch der Ex-Monopolist Deutsche Telekom...?

Europarechtlich steht das nationale "Schland-Netz" zudem zumindest im Widerspruch zu dem Ziel der Europäischen Kommission, die nationalen TK-Märkte aufzubrechen und einen Digital Single Market für Europa zu schaffen.

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