Juristische Fachübersetzung: eine Art Vorstellung

von Peter Winslow, veröffentlicht am 27.10.2017

Der Anlass einer juristischen Fachübersetzung besteht grundsätzlich in dem Bedarf einer Partei, ein in einer ihr fremden Sprache verfasstes Dokument zu verstehen. Um diesem Anlass gerecht zu werden, muss eine juristische Fachübersetzung drei Kriterien erfüllen. Sie muss richtig, vollständig und sprachregisterkonform sein. Bei Nichterfüllung dieser Kriterien hat die beauftragende Partei zwei Dokumente, die sie nicht versteht: das zu übersetzende Dokument und die Übersetzung.

Aber was heißt es, eine Übersetzung richtig, vollständig und sprachregisterkonform anzufertigen? Bei meinen Beiträgen wird es sich unter anderem um die praktische Erforschung dieser Frage handeln, und zwar auf die denkbar umständlichste Art und Weise – durch Beispiele und Ausführungen. Diese Umständlichkeit scheint mir aber aus drei Gründen gerechtfertigt.

Erstens: Die zukünftig anzuführenden Beispiele, eine Art »Dickicht der Zusammenhänge und Besonderheiten«, werden aus praktischen Problem- und Fragestellungen bestehen, denen Anwälte und Anwältinnen auf der einen und Übersetzer und Übersetzerinnen auf der anderen Seite erfahrungsgemäß bei Übersetzungen aus der deutschen in die englische Sprache und umgekehrt begegnen. Zweitens: Im Idealfall könnten die Beispiele allmählich zu einer sich sowohl durch das Positive als auch durch das Negative – sowohl durch die Anwesenheit als auch durch die Abwesenheit bestimmter Merkmale – abzeichnenden Klarheit über die Anforderungen der drei genannten Kriterien führen. Drittens: Im schlechtesten Fall wird mindestens ein ernsthafter Versuch unternommen, durch das »Dickicht der Zusammenhänge und Besonderheiten« Klarheit in Bezug auf diese drei Kriterien zu schaffen.

Doch ist es nicht Ziel meiner Beiträge, Leser und Leserinnen mit Einzelheiten zu Details zu langweilen oder gar mit meinen Meinungen zu ärgern. Vielmehr ist es Ziel dieser Beiträge, mit Anwälten und Anwältinnen, Übersetzern und Übersetzerinnen ins Gespräch zu kommen. Hierdurch leiste ich einen kleinen Beitrag und ich erhoffe mir, dass Sie Ihrerseits Beiträge leisten: Schreiben Sie Kommentare, machen Sie Vorschläge und so weiter.

Es bleibt nun nichts anderes übrig als anzufangen. Stay tuned … Fortsetzung folgt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Lieber Kollege,

welch ein willkommenes Thema! Ich freue mich sehr über den Austausch, den Sie zwischen Rechtsanwälten und juristischen Fachübersetzern mit diesem Forum anstreben. Von Professor Detlev Witt, seinerzeit Max Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, habe ich schon anlässlich der ATA-Konferenz 2004 u.a. gelernt, dass eine Übersetzung in dem System verständlich sein muss, in dem die Rechtswirkung eintreten soll. Sich das bei jeder Übersetzung zur Prämisse zu machen und stets vor Augen zu halten, ist schon fast die halbe Miete. Im Übrigen stimme ich absolut mit den von Ihnen genannten Kriterien "richtig, vollständig und sprachregisterkonform" überein. Sprachregisterkonform hat es auch sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich freue mich auf eine angeregte Unterhaltung!

Herzliche Grüße aus Atlantik-Kanada

Inge Noeninger

0

Hallo Frau Noeninger,

herzlichen Dank für Ihren Kommentar.

Ich habe vor, auf das Thema "Verständlichkeit bei juristischen Fachübersetzungen" näher einzugehen, und habe schon ein paar schöne Beispiele ausgesucht, die als Grundlage eines Gesprächs dienen könnten. Aber alles muss leider nach und nach gemacht werden. Sollte ich einen Beitrag zu diesemThema nicht in näher Zukunft schreiben, so erinnern Sie mich bitte daran.

Was der Begriff »sprachregisterkonform« angeht: Er wird von der DIN ISO EN 17100 vor, also in der Norm, in der die Anforderungen an Übersetzungsdienstleistungen vorgeschrieben werden.  Diese Formulierung kommt zwar nicht darin vor, aber sie lässt sich ohne Weiteres aus Ziffer 2.3.7 dieser Norm herleiten.

Hallo Herr Winslow,

ich freue mich auf die Beispiele zum angesprochenen Thema der Verständlichkeit juristischer Übersetzungen. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe machen! Ich bin sicher, es kommt zum regen Dialog mit Rechtsanwälten und Übersetzerkollegen. Das würde ich mir jedenfall sehr wünschen.

Besten Dank auch für den Hinweis auf die DIN ISO EN 17100. Diese und die Vorgängernorm ist bzw. sind mir natürlich bekannt und wir orientieren uns hinsichtlich der Qualitätssicherung auch sehr gerne an derartigen Normen.

 

0

Der obige Beitrag wurde unter "Gast" veröffentlicht. Sicher mein Fehler. Hier nochmals unter meinem Namen

Hallo Herr Winslow,

ich freue mich auf die Beispiele zum angesprochenen Thema der Verständlichkeit juristischer Übersetzungen. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe machen! Ich bin sicher, es kommt zum regen Dialog mit Rechtsanwälten und Übersetzerkollegen. Das würde ich mir jedenfall sehr wünschen.

Besten Dank auch für den Hinweis auf die DIN ISO EN 17100. Diese und die Vorgängernorm ist bzw. sind mir natürlich bekannt und wir orientieren uns hinsichtlich der Qualitätssicherung auch sehr gerne an derartigen Normen.

(Meinen vorherigen Kommentar bitte löschen/nicht beachten, als Neuling kämpfte ich noch mit der Benutzung der Community)

----------------

Auch ich, Herr Winslow, "vorfreue" mich schon auf Ihre Beitragsserie.

Nun möchte ich die Gelegenheit noch ergreifen, ein weiteres Qualitätskriterium in die Diskussion zu bringen. Es ist mir im Bereich Patentübersetzungen immer wieder begegnet, tritt aber vermutlich auch bei juristischen Übersetzungen gelegentlich auf:

Ich meine die Forderung, dass eine Übersetzung zu evtl. existierenden (und auch evtl gewollten) Ambivalenzen (Mehrdeutigkeiten/Missverstehbarkeiten) keine weiteren hinzufügen sollte. Gibt es hierfür einen plakativen Fachbegriff?

 

Freundliche Grüße

H. Schiller

Hallo H. Schiller,

vielen Dank für Ihren Kommentar. Wie gewünscht, habe ich Ihren ersten Kommentar gelöscht. Kein Thema.

Der von Ihnen angesprochenen Forderung begegnet man natürlich auch bei juristischen Fachübersetzungen. Ich fürchte aber, dass ich Sie enttäuschen muss. Ich kenne keinen plakativen Fachbegriff, der allemein gültig wäre. Einerseits fällt diese Forderung eindeutig unter »Richtigkeit einer Überesetzung« im Allgemeinen, auf der anderen Seite kommt jede nähere Bezeichung auf den Einzelfall an.

Zu den näheren Bezeichnungen im Einzelfall gehören erfahrungsgemäß: »Überwörtlichkeit«, »Verballhornung«, »Aneinanderreihung von Wörtern und Buchstaben«, »Verschlimmbesserung«, »Malapropismus« und »Besserwisserei«. Haben Sie andere Bezeichnungen dafür?

Kommentar hinzufügen