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Nein, das sind zwei verschiedene Fragen:
1) Wenn ich einen Antrag auf Erzwingung einer Anklageerhebung oder einen Antrag auf Erzwingung von Ermittlungen stellen möchte, muss ich diesen Antrag beim Strafsenat des OLG stellen, das gebietet § 172 IV StPO.
2) Die andere, weitere, Frage ist dann, ob der Strafsenat des OLG nur nach "pflichtgemäßem Ermessen" (das ist nach der ständigen Praxis seit 140 Jahren ein anderes Wort für pure Willkür) verfahren muss, oder ob sich der Strafsenat des OLG an ein gesetzlich im einzelnen geregeltes, austariertes Verfahren halten muss, eben so, wie es in der VwGO niedergelegt ist.
Neben allem anderen, was Sie sagen, ist u.a. auch falsch Ihr Hinweis auf § 40 VwGO: § 40 VwGO behandelt die Frage, welcher Zweig der Gerichtsbarkeit zuständig ist, für welche Streitigkeiten also VG, VGH/OVG und das BVerwG zuständig sind. Darum geht es hier aber nicht. Es ist hier völlig unstreitig, dass für die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO gem. § 172 IV StPO das OLG zuständig ist.
Oben schrieb ich: "Zuletzt argumentierte das OLG München in Rn. 8 seines Beschlusses v. 05.10.2017 – 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL juristisch fundiert: "Die VwGO ist nicht anwendbar."
Was ist der Grund, warum ich als Staatsbürger eine Gerichtsentscheidung als "richtig" akzeptieren soll? Ich denke, ich sollte die Gerichtsentscheidung dann als "richtig" akzeptieren, wenn die Gerichtsentscheidung zumindest in irgendeiner Weise vernünftig und nachvollziehbar begründet ist und zu einem zumindest vertretbaren Ergebnis gelangt. Was aber passiert, wenn die Gerichtsentscheidung noch nicht einmal ansatzweise in irgendeiner Weise begründet ist? Was passiert, wenn die Motivation für die Gerichtsentscheidung. die Interessenlage hinter der Gerichtsentscheidung, nur allzu durchsichtig ist?
Ihre "allgemeinere Überlegung" beschränkt sich offenbar darauf, dass die Justiz nach Ihrer geschätzten Meinung offenbar immer Recht hat, weil sie eben die Justiz ist.
Um beurteilen zu können, ob etwas im einzelnen Fall fair im Verfahren und richtig im Ergebnis ist, muss man sich mit der konkreten Angelegenheit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auseinandersetzen. Haben Sie das in vorliegendem Fall getan?
In der ursprünglichen Fassung der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 war das Verfahren, das heute in den §§ 172 ff StPO geregelt ist, noch inhaltsgleich in den §§ 170 ff der Strafprozessordnung i.d.F. vom 1. Februar 1877 geregelt. § 170 StPO i.d.F. vom 1. Februar 1877 lautete:[54]
"Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Der Antrag muß die Thatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben, auch von einem Rechtsanwalte unterzeichnet sein. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gerichte einzureichen. Zur Entscheidung ist in den vor das Reichsgericht gehörigen Sachen das Reichsgericht, in anderen Sachen das Oberlandesgericht zuständig."
Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde.[55] Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben.
Das Klageerzwingungsverfahren ist in den §§ 172 ff. StPO eben gerade nicht hinreichend geregelt. Vielmehr vermerkt Meyer-Goßner/Schmitt in Rn. 1 zu § 173 StPO: "Das Verfahren des Gerichts steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen." Als das Klageerzwingungsverfahren im Jahr 1878 - also vor 140 Jahren, zu Kaisers Zeiten - geschaffen wurde, entsprach das sicherlich dem seinerzeitigen Rechtsstaatsverständnis. Haben Sie sich aber schon einmal überlegt, was der unbestimmte Rechtsbegriff des "pflichtgemäßen Ermessens" für die Praxis bedeutet?
Diese Kommentarstelle lautet nämlich (ohne Fundstellen) vollständig:
"Über § 172 hinaus gibt es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen. Nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG besteht allerdings ein verfassungsrechtlicher Rechtsanspruch des Verletzten auf wirksame Strafverfolgung gegen Dritte in bestimmten Fallkonstellationen. Dies wurde angenommen bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, bei spezifischen Fürsorge- und Obhutspflichten des Staates ggü Personen, die ihm anvertraut sind sowie bei Vorwürfen, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Straftaten begangen."
Zum Ermittlungserzwingungsverfahren schreibt Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 60. Auflage 2017, Rn. 1b zu 172 StPO:
"Ausnahmsweise kommt im Verfahren nach §§ 172 ff auch die Anweisung an die StA in Betracht, Ermittlungen überhaupt erst aufzunehmen und durchzuführen, wenn die StA den Anfangsverdacht rechtsfehlerhaft aus rechtlichen Gründen verneint und deshalb den Sachverhalt nur unzureichend oder gar nicht aufgeklärt hat oder wenn die StA fehlerhaft unter Verneinung des Anfangsverdachts aus tatsächlichen Gründen nach § 152 II keinerlei Ermittlungen durchgeführt hat."
''Der subjektive Anspruch auf effektive Strafverfolgung'' heißt bei Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 60. Auflage 2017, Rn. 1a zu 172 StPO übrigens fettgedruckt "Verfassungsrechtlicher Rechtsanspruch des Verletzten auf wirksame Strafverfolgung gegen Dritte."
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